Münchner Kreis: EU-Kommissar Oettinger nimmt Studie „Industrie 4.0 Global“ entgegen
München, 25. November 2016
Wie die internationale Zusammenarbeit in der Industrie 4.0 aussehen kann, analysiert acatech in der Studie „Industrie 4.0 im globalen Kontext“. acatech Mitglied Wolfgang Wahlster stellte die Studie am Vorabend der Konferenz „The Digital Transformation of Manufacturing Industries‘ vor. Auf der Konferenz, die acatech gemeinsam mit dem Münchner Kreis vom 23. bis 24. November in München veranstaltete, übergab acatech Präsident Henning Kagermann gemeinsam mit Michael Dowling die Studie an EU-Kommissar Günther Oettinger.
Die Vernetzung der Industrie stand im Mittelpunkt der internationalen Konferenz „The Digital Transformation of Manufacturing Industries“ des Münchner Kreises um den Chairman Michael Dowling (Mitglied acatech). acatech legte auf der Konferenz die Studie „Industrie 4.0 im globalen Kontext“ vor, die ebenfalls die internationale Perspektive analysiert. Die Projektgruppe der Akademie hat dafür Experteninterviews in Deutschland, China, Japan, Südkorea, Großbritannien und den USA geführt und untersucht, an welchen Stellen internationale Kooperationen sinnvoll sind und wie diese etabliert werden können.
200 internationale Gäste nahmen an der Konferenz teil, darunter viele Vertreter der von acatech untersuchten Länder USA, China und Japan. Ein Fazit der Studie ebenso wie der Veranstaltung des Münchner Kreises lautet: Industrie 4.0 erfordert länderübergreifende Kooperationen. Diese sind eine notwendige Grundlage für die vernetzte Wertschöpfung und eine Chance für die internationale Entwicklungszusammenarbeit.
Günther Oettinger ging in seiner Rede insbesondere auf die europäische Zusammenarbeit ein. Der Ausbau europäischer Normen und Standards sei ein vordringliches Thema. Der EU-Kommissar sagte, Deutschland müsse eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung in Europa spielen. Er plädierte für eine „Digitale Union“ mit einer gemeinsamen digitalen Sprache in allen 28 EU-Mitgliedsstaaten. Zentrale Themen seien grenzüberschreitende Testfelder für die Bereiche Automobil und Transport, Investitionen in die Infrastruktur, in die Cyber-Security, Forschungsprojekte und die Qualifizierung von Fachkräften.
Die Rednerinnen und Redner aus Wissenschaft und Wirtschaft gingen auf Themen der acatech Studie wie zukünftige Geschäftsmodelle, internationale Kooperationsmodelle sowie die Chancen und Herausforderungen von Kooperationen in der Industrie 4.0 ein. Tomoaki Kubo von der japanischen „Robot Revolution Initiative“ betonte die Bedeutung gemeinsamer Standards und interoperabler Systeme. Henning Kagermann unterstrich die Bedeutung datengetriebener Geschäftsmodelle und des Aufbaus von Softwareplattformen für die Industrie.
Die Autoren der acatech Studie sprechen sich nachdrücklich für offene Standards und gegen Silolösungen aus. Henning Kagermann sagte dazu: „Auf lange Sicht werden sich offene Standards durchsetzen, die von vielen Playern genutzt und weiterentwickelt werden“. China sei dabei sowohl ein wichtiger Multiplikator für Standards sowie als auch ein großer Absatzmarkt für Industrie 4.0 Lösungen ‚Made in Germany‘. Peigen Li von der Chinese Academy of Engineering stellte ebenfalls die Bedeutung länderübergreifender Kooperationen heraus und erläuterte Chinas Strategie „China 2025“, die auf eine Leitanbieterschaft in der Industrie 4.0 abzielt.
Frank Riemensperger von der accenture GmbH erläuterte die Bedeutung von Smart Services, also den datengetriebenen Geschäftsmodellen, die auf Industrie 4.0 aufbauen. Smart Services monetarisieren nach seinen Worten Daten, die in der vernetzten Wirtschaft gewonnen, ausgewertet und als Basis von intelligenten Services genutzt werden. In diesem Bereich müsse Deutschland stärker werden. Dem stimmte Henning Kagermann zu: „Wir denken in Deutschland bei Industrie 4.0 immer noch zu sehr von den Produkten und Maschinen her und zu wenig von der Seite der Nutzer und seinen Bedürfnissen ausgehend“. Insbesondere die USA mit führenden internationalen Software- und Internetfirmen nehmen bei den datengetriebenen Geschäftsmodellen eine internationale Führungsposition ein.
Auch die Sorge von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Bezug auf den Schutz von Knowhow und Daten kam in den Diskussionen zur Sprache. Der internationale Schutz von Daten und das geistige Eigentum müssten weiter gestärkt und Datenrechte verstärkt harmonisiert werden.
John Zysman von der University of California at Berkeley betonte, dass die Gesellschaft bei der digitalen Transformation viel stärker einbezogen werden müsse. Routinen und Prozesse lassen sich nach seinen Worten programmieren und optimieren – den Unterschied mache letztlich der Mensch. Innovationen werden von Menschen initiiert und implementiert.
Obwohl sich die Schwerpunkte in den Digitalisierungsstrategien einzelner Staaten unterscheiden, waren sich die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer aus Deutschland, China, Japan und den USA einig, dass die Kooperationen unabdingbar sind. Barrieren im „Industrial Internet of Things“ müssen abgebaut werden. Ein erster Schritt sei die seit Anfang 2016 bestehende Zusammenarbeit zwischen dem Industrial Internet Consortium (IIC) aus den USA, das einen vertikalen Ansatz über verschiedene Branchen verfolgt, und der deutschen Plattform Industrie 4.0, die sich insbesondere der Fertigungsindustrie widmet.