Was soll Pflegerobotik leisten und wo braucht es den Menschen?
Garmisch-Partenkirchen, 13. Dezember 2019
Wie können Robotik und vernetzte Systeme in der Pflege eingesetzt werden – ohne die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen, Pflegepersonal und Angehörigen aus den Augen zu verlieren? Diese Frage diskutierten Expertinnen und Experten bei acatech am Dienstag am 3. Dezember in Garmisch-Partenkirchen. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit Wissenschaft im Dialog (WiD) in der Reihe „Wissenschaft Kontrovers“ im Forschungszentrum für Geriatronik der Technischen Universität München (TUM) statt.
Laut TechnikRadar gehen über 80 Prozent der Deutschen davon aus, dass der Einsatz von Robotern in der Pflege mit weniger menschlicher Zuwendung einhergeht. Über die Hälfte der Befragten befürchtet außerdem, dass Pflegeroboter die soziale Ungleichheit verstärkten, da sich künftig nur noch Vermögende eigene menschliche Pflegekräfte leisten könnten. Bei acatech am Dienstag am 3. Dezember in Garmisch-Partenkirchen versuchte Sami Haddadin, Robotik-Wissenschaftler an der Technischen Universität München, diese negative Sichtweise ein Stückweit zu relativieren. Natürlich dürfe der Einsatz von Technik nicht nur bestimmten Gruppen vorbehalten sein und müsse sich außerdem immer am Bedarf des Menschen ausrichten.
Im Pflegebereich sieht acatech Mitglied Sami Haddadin, der in Garmisch-Partenkirchen aktuell das Forschungszentrum für Geriatronik aufbaut, vor allem für technische Assistenzsysteme gute Anwendungsmöglichkeiten: Roboter könnten dort beispielsweise beschwerliche Arbeiten übernehmen, wodurch das Pflegepersonal mehr Zeit für jeden einzelnen Patienten habe. Technik sei generell nur erfolgreich, wenn sie für den Menschen einen echten Mehrwert darstelle und dabei helfe, bestimmte Tätigkeiten einfacher oder schneller durchzuführen. In diesem Zusammenhang verwies Sami Haddadin auf das Potenzial adaptiver Robotik, auch Tätigkeiten zu übernehmen, die feinmotorische Fähigkeiten erfordern – wie zum Beispiel das Eincremen eines Patienten.
Wofür müssen die Roboter „intelligent“ sein?
In der anschließenden Diskussion ging es um die Frage, wie intelligent Pflegeroboter eigentlich sein müssen. Denn heute schon können Maschinen durch die Beobachtung menschlicher Gesichter Emotionen wie Wut, Freude oder Überraschung erkennen. Auch diese Fähigkeit ließe sich im Pflegebereich anwenden: So kann ein Pflegeroboter, der im Zuhause eines Patienten zum Einsatz kommt, zum Beispiel unmittelbar erkennen, wenn sich der Zustand des Patienten verschlechtert – und anschließend den Arzt benachrichtigen, der dann wiederum aus der Ferne die Möglichkeit hat, mit integrierten Geräten wie EKG oder Ultraschall eine Diagnose zu stellen.
Man müsse Maschinen eben als Werkzeuge betrachten, die in der medizinischen, aber auch in der alltäglichen Versorgung der Menschen einen großen Beitrag leisten können, hieß es in einer Wortmeldung. Dabei sei der Aspekt der Datensicherheit und -hoheit natürlich schon bei der Entwicklung mit zu bedenken.
Pilotprojekt mit dem Forschungszentrum für Geriatronik soll neue Erkenntnisse bringen
Wissenschaftlich begleitet durch das Forschungszentrum für Geriatronik der TUM könnten auch im Caritas Altenheim in Garmisch-Partenkirchen demnächst erste Robotik-Pilotanwendungen ausprobiert werden. Geschäftsführer Alexander Huhn und Pflegedienstleitung Jutta Ehinger schilderten den Gästen die Bedeutung eines sensiblen Heranführens der einzelnen Technologien an die Heimbewohner, auch wenn im Moment noch nicht absehbar sei, wann die Roboter tatsächlich zum Einsatz kämen. Wichtig sei es stets, die Wünsche der Patienten zu berücksichtigen und niemandem etwas aufzuzwingen. Beide betonten, dass gerade Assistenzsysteme viele Vorteile mit sich brächten.
Gleichzeitig hoben Alexander Huhn und Jutta Ehinger hervor, dass trotz dieser Anwendungsmöglichkeiten weiterhin gut geschultes und entsprechend auch gut bezahltes Pflegepersonal vonnöten sei. Unterbesetzte Altenheime oder Pflegeeinrichtungen blieben auch trotz Robotik unterbesetzt. Das dürfe die Gesundheitspolitik angesichts der aktuell vorherrschenden Technik-Euphorie nicht vergessen.