Rohstoffe für die Energiewende – woher, wieviel und zu welchem Preis?

München, 8. Mai 2025
Auf welche Rohstoffe ist die deutsche Industrie angewiesen? In welchen Mengen und unter welchen Bedingungen werden diese Rohstoffe in den Herkunftsländern gewonnen? In Kooperation mit der Katholischen Akademie in Bayern machte acatech am Dienstag diese Fragen am 29. April 2025 zum Thema des Abends. Kupfer und Lithium sind für die Energiewende entscheidend: Am Beispiel dieser Rohstoffe diskutierten Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft mit dem Publikum Perspektiven für eine nachhaltige, zukunftsfähige Rohstoffversorgung.
Martin Dabrowski (Katholische Akademie in Bayern) eröffnete nach der Begrüßung der mehr als hundert Teilnehmenden mit der Problematik des rasant steigenden Rohstoffbedarfs in Deutschland. In vielen der Rohstoff fördernden Länder herrschten teilweise soziale und ökologisch problematischen Bedingungen.
Unabhängiger durch Erkunden, Fördern und Raffinieren?
Der Verbrauch fossiler Energieträger müsse drastisch reduziert werden, forderte acatech Mitglied Jens Gutzmer (Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie), um den Klimawandel zu reduzieren, in seinem Impulsvortrag. Der Aufbau der dazu notwendigen Infrastruktur zur Nutzung erneuerbarer Energien bedarf aber der Verfügbarkeit einer großen Anzahl von mineralischen und metallischen Rohstoffen. Aktuell werden viele dieser Rohstoffe importiert, insbesondere bei metallischen Rohstoffen ist die deutsche Volkswirtschaft fast vollständig von Importen abhängig. Dabei ist insbesondere die Abhängigkeit von China bei einer großen Anzahl von Rohstoffen dramatisch. Da China selbst kein besonders rohstoffreiches Land ist zeige sich hier, wie lohnend es sein kann, in die Erkundung, Förderung und vor allem Raffinierung von solchen Rohstoffen zu investieren, die für die Energiewende notwendig sein werden.
Chancen und Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft
Generell könnten Metalle endlos recycelt werden, doch leider stagniere die Kreislaufwirtschaft in Deutschland, bemängelte Jens Gutzmer. So liege die Rezyklat-Einsatzquote (also Sekundärrohstoffe, die in den Produktionskreislauf zurückfließen) seit 2015 unverändert bei nur zwölf Prozent. Gründe dafür gibt es einige: Einerseits fehlen die richtigen wirtschaftlichen Anreize und gesetzliche Rahmenbedingungen. Zum anderen fehlen Technologien, um ein fortgesetztes Downcycling zu vermeiden und wirkliches Recycling – im Sinne von geschlossenen Wertstoffkreisläufen, zu erreichen. Downcycling bezeichnet die Wiederaufbereitung von Materialien, wobei jedoch im Gegensatz zum Recycling nicht die ursprüngliche Qualität erhalten bleibt – stattdessen findet eine Abwertung statt.
Aufzeichnung des Vortrags von Jens Gutzmer:
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Im anschließenden Podiumsgespräch erklärte Luise Müller-Hofstede (Business Development Director bei Circulor) das Geschäftsmodell von Circulor, einem führenden Anbieter im Bereich der Rückverfolgbarkeit in komplexen industriellen Lieferketten. Das Unternehmen setze dabei auf Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz (KI), um die Rückverfolgbarkeit und die Einhaltung von Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten zu ermöglichen. Das unterstütze Kunden dabei, eine verantwortungsvolle Beschaffung nachzuweisen, Emissionen in der Lieferkette zu überwachen und ihre Ziele im Bereich der Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Digitale Produktpässe spielen für alle Produkte mit einem hohen Anteil an kritischen Rohstoffen eine wichtige Rolle, so Luise Müller-Hofstede.
Was nützt ein Digitaler Produktpass?
Um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen, müssten auch Konsumenten ihren Anspruch ändern, so Jens Gutzmer. Sie müssten sich fragen, woher die Rohstoffe für das neue Auto kommen und was nach dem Ende der Nutzung damit geschehe. Genau dort setze der Digitale Produktpass an, ergänzte Luise Müller-Hofstede. Denn selbst, wenn sich Konsumentinnen und Konsumenten heute für die Herkunft von Rohstoffen in technischen Produkten interessierten: An die Information zu kommen, sei für sie kaum möglich. Hier könne der Digitale Produktpass Abhilfe schaffen und die Lieferketten transparent machen. Wünschenswert wäre es laut Jens Gutzmer, wenn es bei Elektroartikeln neben den bereits bestehenden Angaben zum Energieverbrauch auch ein zusätzliches Label über Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit geben könnte. Das wiederum hätte Auswirkungen auf den Preis, gab Moderator Martin Dabrowski zu bedenken und verwies auf gesetzliche Vorgaben als Lösung.
Fehlende Transparenz und Technologie bremsen aus
Sind Sekundärrohstoffe teurer als Primärrohstoffe? Nicht zwangsläufig, da kürzere Lieferwege und häufig deutlich geringerer Energieeinsatz Kosten einsparen, so erklärte Jens Gutzmer. Allerdings können Sekundärrohstoffe in Bereichen mit niedriger Konzentration oder hohem technologischem Aufwand teurer werden. Weil hierzulande die nötige Technologie fehle, würden die Sekundärrohstoffe sogar bis nach China geschickt, um sie dort verarbeiten zu lassen. Für die hiesigen Verarbeiter sei oft unklar, ob sich die Verarbeitung wirtschaftlich überhaupt für sie lohne. Ein Digitaler Produktpass könnte helfen, die Wirtschaftlichkeit des Recyclings zu beurteilen. Bei Bedarf, so Gutzmer, müssten auch staatliche Subventionen eingesetzt werden, um das Recycling der wertvollen Rohstoffe auf nationaler oder europäischer Ebene zu ermöglichen.
Luise Müller-Hofstede erklärte, dass im Zusammenhang von Rohstoffgewinnung und -aufbereitung Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen nicht vollständig ausgeschlossen werden können – daher müsse man eine Nachweisbarkeit der Informationen erbringen. Wenn in Produkten Rohstoffe „unbekannter Herkunft“ enthalten sind, gelte es aufmerksam zu sein. Denn gerade diese könnten möglicherweise durch Kinderarbeit gefördert worden sein. Um zu wissen, wo in den Lieferketten Material unbekannten Herkunft sein könnte, bedarf es an Rückverfolgbarkeit. Die Europäische Union verlangt ab 2027 für jedes neue Elektrofahrzeug einen Batteriepass, der die Zusammensetzung der Batterien, die Herkunft der wichtigsten Materialien, die CO2-Bilanz und das Recycling ausweist. Volvo Cars stellt seinen Kundinnen und Kunden diese Informationen schon jetzt über einen QR-Code an der Innenseite der B-Säule zur Verfügung, sagte Luise Müller-Hofstede.
Das von acatech geleitete Konsortialprojekt Battery Pass hat inhaltliche und technische Standards für einen EU-verpflichtenden digitalen Batteriepass definiert. Mit einer nahtlosen Dokumentation aller Stationen eines Batterielebens zahlt er darauf ein, die gesamte Batterie-Wertschöpfungskette transparent zu machen.
Angeregte Diskussion zu Regelungen und Rohstoffeinsatz
Zu bestehenden Regelungen wie der „Altautoverordnung“ für das Recycling alter Autos gab Jens Gutzmer zu bedenken, dass nur wenige Autos in Deutschland ordnungsgemäß abgemeldet und verschrottet werden. Der Großteil werde in andere Teile der Welt verkauft, wo die deutsche Altautoregelung nicht greife.
Zwar lasse sich der Rohstoffbedarf für neue Technologien immer weiter verringern und dadurch kostengünstiger machen. Zugleich steige aber der Verbrauch von Elektronik an. Hinzu komme, dass sich Elektrofahrzeuge zunehmend etablieren. Auch der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energiequellen und die Energieeffizienz trieben die Nachfrage nach Metallen – insbesondere Kupfer – weiter erheblich an. Um den Kupferbedarf für die nächsten 30 Jahre zu decken, müsse beispielsweise so viel Kupfer gefördert werden, wie in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte, veranschaulichte Jens Gutzmer die Dimensionen.
Abschließend bat Moderator Martin Dabrowski um eine Priorisierung von Maßnahmen im Bereich nachhaltiger, zukunftsfähiger Rohstoffversorgung: Luise Müller-Hofstede wählte die transparente Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen als größtes Anliegen. Jens Gutzmer hingegen riet dazu, ein nationales Erkundungsprogramm für mineralische Rohstoffe zu starten, um geologische Daten aus dem Untergrund zu erfassen. Über eine anschließende Evaluierung des Rohstoffpotenzials könne man dann neue Ansätze für die heimische Rohstoffproduktion schaffen.
Aufzeichnung der Podiumsdiskussion mit Luise Müller-Hofstede und Jens Gutzmer:
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