Raus aus der Abhängigkeit – Wie sichern wir die Rohstoffversorgung für Deutschland?

München, 16. April 2025
Bis heute tut sich Europa schwer, unabhängiger von verschiedenen weltweiten Rohstofflieferanten zu werden. Die Recyclingraten der meisten kritischen Rohstoffe – beispielsweise Seltenen Erden, Indium oder Germanium – sind nach wie vor vernachlässigbar. Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft scheint bei diesen Zahlen in weiter Ferne zu liegen. acatech am Dienstag stellte am 8. April die Frage nach der Herkunft der für neue Technologien benötigten Rohstoffe, und wie sich der Rohstoffbedarf ändert, wenn der Umstieg von Kohlemeilern oder Gaskraftwerken auf Windräder und Solarzellen gelingt.
Mehr als 600 Online-Teilnehmende folgten der Begrüßung von acatech Präsident Jan Wörner. In seinen einleitenden Worten machte er darauf aufmerksam, dass Sicherheit eng mit dem Thema Rohstoffe verbunden sei. Denn ohne diese könne eine Vielzahl von Produkten nicht hergestellt werden.
Wie sich metallhaltige und mineralische Rohstoffe besser gewinnen, verarbeiten und durch Recycling zurückgewinnen lassen, damit beschäftigt sich acatech Mitglied Jens Gutzmer. Er forscht am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie und der TU Bergakademie Freiberg und erklärte, wie sich die mineralischen Rohstoffgruppen Steine und Erden, Industrieminerale und metallische Rohstoffe (Erze) voneinander unterscheiden. Steine und Erden sind als Baurohstoffe von großer Bedeutung für die Infrastrukturentwicklung. Sie werden lokal gewonnen, also ausgehend von dem Ort der Verarbeitung in einem Radius von 100 bis 150 Kilometern. Industrieminerale werden aus Gesteinen abgetrennt und in ihrer mineralischen Form genutzt. Einige davon, beispielsweise Graphit, gehören zu den kritischen Rohstoffen. In seinem weiteren Vortrag fokussierte er auf die dritte Gruppe der metallischen Rohstoffe (Erze), die in der Industrie stark nachgefragt werden und daher zu den wertvollen und teuren Rohstoffen zählen.
Den vollständigen Vortrag von Jens Gutzmer finden Sie hier:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Rohstoffproduktion in Deutschland
Um die Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb der drei Rohstoffgruppen zu verdeutlichen, schickte Jens Gutzmer einige Zahlen voraus. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 534 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe (Steine und Erden sowie Industrieminerale) produziert. Hinzu kommen rund 104 Millionen Tonnen Braunkohle und Erdöl, 4,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas, Erdölgas und Grubengas sowie 3,8 Millionen Kubikmeter Torf. Bei den metallischen Rohstoffen fallen die Mengen deutlich geringer aus: Hier waren es nur knapp 80 Tonnen. Fast 100 Millionen Tonnen metallische Rohstoffe mussten daher durch Importe gedeckt werden. Das zeige, dass Deutschland im Hinblick auf metallische Rohstoffe fast vollständig vom Import abhängig sei, so Jens Gutzmer. Hierbei importiert Deutschland mineralische Rohstoffe aus der gesamten Welt. Aufgrund geologischer Gegebenheiten ist die Dominanz einzelner Länder bei der Produktion bestimmter Metalle besonders groß. So stammen 72 Prozent des weltweiten exportierten Kobalts aus der Demokratischen Republik Kongo, während Brasilien für 86 Prozent der weltweiten Niob-Exporte sorgt. Die Volksrepublik China sei zwar kein exorbitant rohstoffreiches Land, hat aber über eine Zeitspanne von nun schon mehr als 50 Jahren eine einzigartige Infrastruktur und Kompetenz für die Verarbeitung von metallischen und mineralischen Rohstoffen aufgebaut – und ist so zum Dreh- und Angelpunkt der weltweiten Rohstoffversorgung aufgestiegen.
Warum benötigen wir in Zukunft mehr Rohstoffe?
Damit die globale Energiewende gelingt und weniger CO2 in die Atmosphäre gelangt, müssen alternative Technologien wie Photovoltaik und Windräder fossile Energieträger ersetzen. Für deren Herstellung braucht es wiederum mehr mineralische und metallische Rohstoffe. Verglichen mit einem Gaskraftwerk verbrauche eine Photovoltaikanlage bei gleicher durchschnittlicher Laufzeit pro Kilowatt Leistung etwa 650-mal mehr Aluminium und rund 100-mal mehr Kupfer. Für Eisen liegt der Faktor immer noch bei etwa dreizehn. Darüber hinaus gebe es noch Rohstoffe wie Silizium für die Photovoltaik oder Zink für Windanlagen, die in herkömmlichen Gas- und Kohlekraftwerken kaum benötigt werden, so Jens Gutzmer. Hinzu komme beispielsweise Lithium, das bei der Energiespeicherung eine große Rolle spiele. Aus diesem Grund hat die Energiewende eine Rohstoffwende ausgelöst.
Woher soll das „Mehr“ herkommen?
Es sei keine Option, mit der jetzigen Rohstoffwirtschaft weiter zu verfahren wie bisher, betonte Jens Gutzmer. Grund dafür sei die aktuelle Lage: Denn die Welt entwickle sich aktuell von einer eher offen gestalteten Weltwirtschaft in eine multipolare Welt. So setzt die Volksrepublik China ihre Vormachtstellung bei der Versorgung des Weltmarkts mit vielen metallischen und mineralischen Rohstoffen schon jetzt als sehr wirksame geopolitische Waffe ein. Eine Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Rohstoffbedarf werde auch nicht funktionieren: Denn die Rohstoffproduktivität in einem Maße zu erhöhen, das die Rohstoffimporte überflüssig mache, sei für Deutschland als hochentwickelte und exportorientierte Volkswirtschaft so nicht möglich, so Jens Gutzmer.
Großes Potenzial jedoch läge in der Errichtung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für mineralische und metallische Rohstoffe. In einer solchen nachhaltig gestalteten Kreislaufwirtschaft treten heimische Primärrohstoffe und effizientes Recycling von Sekundärrohstoffen als weitgehend komplementäre Quellen der Versorgung mit metallischen Rohstoffen auf. Metalle seien dafür ideale Kandidaten, da sie nur gebraucht, aber nicht verbraucht werden. Wichtig sei, darauf zu achten, dass ein wahres Recycling stattfinde – also ein Produkt durch ein ähnliches Neuprodukt ersetzt wird. Beispielsweise wird aus einer alten Batterie wieder eine Batterie, aus einem Elektroauto wieder ein Elektroauto. Bedenklich sei jedoch die Rezyklat-Einsatzquote: Diese liegt seit 2015 unverändert bei nur zwölf Prozent. Gründe für ineffizientes Recycling seien sowohl im Fehlen von Anreizen zum Einsatz von Recyclingrohstoffen, fehlender Recyclingtechnologien und auch in der fehlenden Berücksichtigung des Recyclings beim Design neuer Produkte zu finden.
Deutschland ist kein rohstoffarmes Land
Wie kann es also gelingen, Deutschland unabhängiger von internationalen Rohstoffmärkten zu machen? Zum einen gelte es, möglichst rasch heimische primäre und sekundäre Rohstoffe als wichtige und gleichrangige Quellen in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu begreifen und entsprechend zu erschließen. Dafür sei auch eine neue Periode der Erkundung und Entwicklung des heimischen Rohstoffpotenzials durch Bergbau notwendig. Dabei kann es aber nicht das Ziel sein, bei der Versorgung mit metallischen Rohstoffen eine Autarkie zu erreichen. Vielmehr geht es darum, bei der Rohstoffversorgung eine gewisse Resilienz zu erreichen.
Welche Möglichkeiten Verbraucher haben, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu unterstützen und den Rohstoffbedarf zu verringern, zeigte die anschließende Diskussion. Ein Diskussionspunkt dabei: Der hohe Verbrauch von Metallen durch den „Rebound-Effekt“. Dieser besagt, dass Geräte zwar sparsamer werden, aber gleichzeitig viel mehr Geräte gekauft und verwendet werden. Der Rebound-Effekt könne nicht ganz vermieden werden, erklärte Jens Gutzmer. Grund dafür sei der stetig steigende Lebensstandard, der den Wunsch nach mehr elektrischen Geräten mit erweitertem Funktionsumfang nach sich ziehe. Hier müsse man die Frage nach der Suffizienz stellen: Wie viele Geräte brauche ich wirklich?