Power-to-X: Führen Synthetische Kraftstoffe aus der fossilen Sackgasse?

München, 3. April 2025
Strom aus erneuerbaren Energien kann in chemische Energie umgewandelt und gespeichert werden. Diese Power-to-X genannten Prozesse erzeugen energiereiche Verbindungen: Sie finden als Brenn- und Rohstoffe wie Wasserstoff oder Methan, Industriechemikalien oder Synthetische Kraftstoffe Verwendung. Damit lassen sich Kraftstoffe aus Erdöl vermeiden, bei deren Verbrennung CO2 freigesetzt wird. acatech am Dienstag diskutierte am 1. April 2025 wie weit die einzelnen Power-to-X-Ansätze in Forschung und Entwicklung bereits fortgeschritten sind und welchen Beitrag die so gewonnenen Kraftstoffe zur Erreichung der Klimaziele leisten können.
Nach der Begrüßung durch acatech Präsident Jan Wörner führte acatech Mitglied und Moderatorin Katharina Kohse-Höinghaus (Universität Bielefeld) in das Thema des Abends ein. Bestehende Verbrennungsmotoren werden noch auf lange Zeit weiterhin in Betrieb sein. Im Luft- und Schiffsverkehr gebe es bei weiten Strecken keine Alternative zum Verbrennungsmotor – man müsse aber die fossilen Kraftstoffe durch alternative, CO2-neutral produzierte und verwertbare Kraftstoffe ersetzen.
Kohlenstoff nicht-fossiler Herkunft als alternative Quelle
Maike Schmidt (Leiterin des Fachgebiets Systemanalyse, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg ZSW) stellte die Vision eines Treibhausgas-neutralen Energiesystems vor – und beschrieb die Rolle Synthetischer Kraftstoffe darin. Es gehe zunächst um die Dekarbonisierung des Energiesystems durch Strom aus erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind. Wo kohlenstoffbasiertes Wirtschaften unumgänglich ist, müsste dieser nicht-fossiler Herkunft sein, um klimaneutral zu sein: Das bedeutet, Kohlenstoff direkt aus CO2 in der Luft, oder aus Biomasse zu entnehmen oder auch durch Recycling zu gewinnen. Eine vollständig treibhausgasneutrale Mobilität, so betonte Maike Schmidt, sei nur mit Synthetischen Kraftstoffen möglich. Biokraftstoffe hingegen seien nur eine sehr begrenzte nicht-fossile Alternative.
Energieträger oder Rohstoff? Beides!
Der Chemiker Walter Leitner (Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion) sprach über Wasserstoff und Kohlendioxid an der Schnittstelle von Energie und Chemie. Gemeint ist damit, wie sich Stoffströme für Energieträger und Grundstoffe für die Chemieindustrie verknüpfen lassen. So ist Erdöl bis heute zwar ein Energieträger, aber zugleich auch ein Rohstoff für die Welt. Der Großteil wird zu Treibstoff, zwölf Prozent kommen als Rohstoff in der Chemieindustrie zum Einsatz. Der Begriff Power-to-X beschreibe die Umwandlung von elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien in chemische Produkte und Kraftstoffe. Konkret besteht die chemische Herausforderung häufig darin, energiearmes CO2 mit energiereichem Wasserstoff zusammenzubringen. Katalysatoren können diese Umwandlung ermöglichen.
Anhand des Fischer-Tropsch-Prozesses erläuterte Walter Leitner das Katalyse Prinzip: Hier werden Kohlenmonoxid und Wasserstoffe in Kohlenwasserstoffe umgewandelt, die als Synthetische Kraftstoffe eingesetzt werden können. Diese Synthetischen Kraftstoffe lassen sich in ihren Eigenschaften chemisch so weit anpassen, dass deren Emissionen (als Partikel oder Stickoxide) bei der Verbrennung verglichen mit fossilen Kraftstoffen reduziert sind. Eine weitere Option stellte Walter Leitner mit Methanol vor: Methanol kann durch einen Power-to-X-Prozess erzeugt werden und steht dann als Energieträger oder Grundstoff für die Chemieindustrie zur Verfügung. Start-ups und großen Unternehmen bieten sich damit riesige Innovationsfelder.
Mehr Schub für Synthetische Kraftstoffe
Siegfried Knecht (aireg – Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e.V. / Airbus Defence and Space GmbH) führte in den aktuellen Stand nachhaltiger Kraftstoffe für die Luftfahrt ein. Sowohl biobasierte als auch durch Power-to-X-Prozesse erzeugte Kraftstoffe werden eingesetzt. Dabei müssen gängige Synthetische Kraftstoffe für ihren Einsatz dieselben Spezifikationen wie fossiles Kerosin erfüllen. Die für die Herstellung benötigten Technologien sind bekannt. Die produzierten Mengen jedoch fallen bei weitem geringer aus als der Bedarf. Das – neben den noch erhöhten Kosten – habe zur Folge, dass in der Luftfahrt weiterhin fossile Kraftstoffe dominieren. Eine Chance liege aber gerade darin, neuartige Kraftstoffe zu erzeugen, die zu geringeren Emissionen führen. Die Herausforderung: Flughäfen benötigen dafür ein eigenes Versorgungssystem.
Die Vorträge zeichneten ein klares Bild davon, dass das Energiesystem neben elektrischem Strom chemische Energieträger als Roh- und Brennstoffe benötigt. Das bestätigte auch die folgende Diskussion, die auf die derzeit geringen Produktionsmengen von Synthetischen Kraftstoffen und einem noch ausstehenden Hochlauf der Produktion hinwies.
Wie hoch sind derzeit die Kosten für synthetisch hergestellte Kraftstoffe?
Das aktuell wichtigste Produktionsverfahren für Sustainable Aviation Fuels liegt hinsichtlich der Kosten derzeit um den Faktor zwei bis drei über dem von fossilem Kerosin. Für die Herstellung der nicht-fossilen Kraftstoffe werden in diesem – HEFA-Route genannten – Verfahren lipidhaltige Rohstoffe in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Jedoch sind die Ausgangsstoffe absehbar begrenzt. Auch für Synthetische Kraftstoffe nach dem Power-to-X-Verfahren liegen die Kosten derzeit um ein Mehrfaches über dem Preis fossilen Kerosins. Ob damit das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 überhaupt realistisch und wirtschaftlich umsetzbar sei, ist eine offene Frage. Bezogen auf die zunächst geringen Quotenvorgaben und moderaten Preise etwa für HEFA-SAF sind die Bedenken der Kritiker ungerechtfertigt. Siegfried Knecht machte die Beispielrechnung: Die dadurch induzierten Mehrkosten würden ein Flugticket lediglich um einige wenige Euro verteuern.
acatech Präsident Jan Wörner plädierte abschließend dafür, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Es sei zwar anstrengend, diese zu erreichen. Deutschland könne aber dadurch Vorreiter werden. Letztlich, so war sich die Runde einig, hängt viel von der Planungssicherheit ab, damit industrielle Prozesse rechtzeitig und zuverlässig umgestellt werden können.
Weiterführende Informationen
- acatech am Dienstag: Die Zukunft des Fliegens
- 133. Versammlung der GDNÄ: Energiespeicher, KI und Mobilität
- acatech am Dienstag: Die Bedeutung chemischer Energiespeicher für die Energiewende
- Vortrag von Walter Leitner: „Fire and Ice – Wasserstoff und Kohlendioxid als molekulare Nahtstellen zwischen Energie und Chemie“
- Arbeitsgruppe 2 „Alternative Antriebe und Kraftstoffe für nachhaltige Mobilität“
- CO₂ als Rohstoff für eine klimaneutrale Wirtschaft: Akademienprojekt ESYS ordnet ein und blickt in die Zukunft
- CCU und CCS – Bausteine für den Klimaschutz in der Industrie
- Künstliche Photosynthese: Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Technikzukünfte