acatech am Dienstag: Wer fährt wen? Autonomes Fahren und der automatisierte Straßenverkehr der Zukunft

Nürnberg, 9. November 2018
Von der ersten Eisenbahn bis zur ersten autonom fahrenden U-Bahn Deutschlands – Nürnberg ist eine Stadt verkehrstechnischer Innovationen. Wie diese Tradition fortgeführt wird und welche Veränderungen bei Verkehrsmitteln und großstädtischen Verkehrssystemen anstehen, darüber debattierten am 6. November in Nürnberg bei acatech am Dienstag Frederik Nöth (VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft) und acatech-Mitglied Klaus Vieweg (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Beauftragten für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Thomas Zeilinger, statt, der auch die Moderation übernahm.
In seiner Begrüßung und Einführung ging Marc-Denis Weitze (acatech Geschäftsstelle) auf Ergebnisse des TechnikRadar, einer von acatech und Körber-Stiftung durchgeführten Bevölkerungsbefragung, zum Thema Autonomes Fahren ein. Demnach stehen einer Verbreitung des vollautonomen Fahrens erhebliche Vorbehalte entgegen: Nur 18 Prozent der Befragten stufen es als zuverlässig ein. Und nur 16,2 Prozent derjenigen, die selbst Auto fahren, wären bereit, die Verantwortung vollständig an das Fahrzeug abzugeben. Knapp zwei Drittel (64,8 Prozent) lehnen das klar ab. In den Befragungsergebnissen spiegeln sich auch Sorgen um die Sicherheit der Daten wider: Eine deutliche Mehrheit stört sich daran, dass das Fahrzeug personenbezogene Daten sammelt (65,2 Prozent). Zudem fürchtet ein Großteil der Befragten ein durch Computerpannen ausgelöstes Verkehrschaos (65,9 Prozent) und durch Hacker verursachte Unfälle (67,4 Prozent).
Seit zehn Jahren fahren in Nürnberg die U-Bahnen fahrerlos. Das ist für viele Nürnberger inzwischen ein Standard – doch bis dahin war es ein langer Weg, so Frederik Nöth von der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft in Nürnberg. Es galt bei Einführung der von einem Computersystem geregelten und überwachten Züge, Ressentiments und Ängste in der Bevölkerung auszuräumen. „Geisterzüge“ hieß ein Schlagwort, das die Kritiker gerne verwendeten. Nach der Einführung, als der Regelbetrieb funktionierte und sich für die Nutzer eigentlich nichts geändert hat, haben sich die Fahrgäste rasch an die fahrerlosen U-Bahnen gewöhnt – so wie man auch führerlose Fahrstühle unproblematisch findet. Heute sei das autonome Fahren aber eine Herausforderung für den öffentlichen Verkehr auf anderer Ebene: Das Alleinstellungsmerkmal, während des Fahrens auch andere Dinge tun zu können, kann nun auch von automatisiertem Individualverkehr erreicht werden.
Klaus Vieweg betonte, dass die Akzeptanz für neue Technologien immer im Wechselspiel von technischen Entwicklungen, Geschäftsmodellen und juristischer Begleitung zusammenwirkt. Als Beispiel nannte er das Anlegen des Sicherheitsgurtes, was heute eine Selbstverständlichkeit ist, Mitte der 1970er Jahre aber in Deutschland zunächst auf große Ablehnung stieß. Erst die gesetzliche Anschnallpflicht, die zum 1. Januar 1976 in Kraft trat, führte nach einigen Anlaufschwierigkeiten zur Verbreitung – und zu weniger Verkehrstoten. Auch das automatisierte Fahren wird das Sicherheitsniveau massiv anheben, davon waren die Diskutanten überzeugt.
Thomas Zeilinger wies darauf hin, dass durch das vernetzte Fahren sehr viele Daten gesammelt werden, und warf die Frage nach der Datensicherheit auf. Frederik Nöth bestätigte, dass bereits heutzutage in Nürnberg durch Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen beispielsweise mehr Fahrzeugzustands- und Sensordaten gesammelt würden, als die VAG auswerten könne. Einigkeit herrschte bei den Experten darüber, dass selbstverständlich auch große Industrieinteressen hinter dem Autonomen Fahren steckten. Es werde immer neue Geschäftsmodelle geben, da die Bedeutung und der Wert von Daten stetig zunehme. Klaus Vieweg stellte hier die Frage nach dem Dateneigentum und unterstrich vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung: Jeder, der vernetzt fahre, müsse dem Verzicht auf das Eigentum der persönlichen Daten zustimmen. Die einzige Möglichkeit, seine Daten für sich zu behalten, sei, die entsprechenden Dienste nicht zu nutzen.