Von Robotern, Quanten und KI: acatech Senat beleuchtet Chancen der digitalen Transformationen
München, 21. Juni 2024
Neun neue Senatsmitglieder verstärken seit heute den acatech Senat, der mit seiner jährlichen Veranstaltung bei IBM gastierte. Die Senatorinnen und Senatoren diskutierten über neueste Entwicklungen der Digitalen Transformation. Die Senatssitzung wurde begleitet von einer Führung im IBM Innovation Studio und mündete in einen Nachmittag der Vorträge und Debatten. Im Mittelpunkt standen Quantentechnologien, Robotik, KI und die neue Initiative MISSION KI.
Digitalisierung als Innovationsmotor, KI und lernende Systeme als dynamische Transformationstreiber, Quantencomputing als kommende Sprunginnovation: Die Senatsveranstaltung 2024 spannte hoch über den Dächern Münchens einen weiten Themenhorizont auf. Dabei ging es nicht allein um neueste Forschung und Entwicklung. Die Diskussionen kreisten auch um die Frage, wie Deutschland und Europa Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Wohlstand nachhaltig sichern können.
Status quo in KI, Robotik und Quantencomputing
Einblicke in Forschung und Anwendungen rund um KI, Robotik und Quantencomputing gaben zu Beginn der Veranstaltung Mitarbeitende des IBM Innovation Studios München. Künstliche Intelligenz kann beispielsweise Gerichte in automatisierbaren Abläufen und widerkehrenden Recherchen effektiv entlasten. Der Einsatz von KI-basierter Robotik zur Überwachung industrieller Prozesse verdeutlichte das wirtschaftliche Potenzial. Gar nicht weit weg, dies zeigte eine andere Station der Führung, ist der Durchbruch des Quantencomputings, mit dem sich Berechnungen leisten lassen, die für konventionelle Hochleistungscomputer nicht zu schaffen sind.
Auf der folgenden Senatssitzung begrüßte der acatech Vorstand neun neue Senatsmitglieder:
ARENA2036
CLAAS
Fresenius
GEA
INNIO
Liebherr
Schwarz Digital
K+S
Mangold Consulting
Was kommt in der digitalen Transformation?
Den Nachmittag prägten Vorträge und intensive Diskussion rund um die großen Innovationsfelder digitaler Transformation. Nach einer Begrüßung durch acatech Präsident Thomas Weber und Gastgeber Christian Geckeis (Vice President IBM DACH – Strategic Accounts & Head of Client Development) sprach Markus Schäfer (CTO Entwicklung & Einkauf, Mercedes) über „Innovation als Schlüssel zum Erfolg“. Nie habe es spannendere Zeiten gegeben, sagte er mit Blick auf das rasante Innovationstempo. Unverzichtbar seien angesichts der Komplexität der Innovationsprozesse Partnerschaften zwischen Universitäten, Start-ups und den großen Technologieunternehmen sind. Er gab Einblicke in die Forschung am Autonomen Fahren, in die Entwicklung eigener Betriebssysteme aber auch in die Digitalisierung der Forschung und Entwicklung selbst. Sein Appell: sich mutig und mit offenem Visier dem globalen Wettbewerb zu stellen.
Jakob Edler (Institutsleiter Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI) attestierte Deutschland eine nachlassende Innovationsperformanz – im neu aufgelegten Innovationsindikator habe Deutschland Plätze eingebüßt. Schwächen bezüglich KI-Readiness gäbe es besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), vielfach werde das Potenzial noch nicht erkannt. Sein Fazit fiel dennoch optimistisch aus: Deutschland habe große Stärken und eine gute Basis.
Den Weg in ein industrielles Metaverse skizzierte Norbert Gaus (Siemens). Vernetzung und KI führen nach seinen Worten zu einem Zusammenwachsen von Informationstechnologien und operativen Technologien. Eine Schwäche Deutschlands auf dem Weg von der Forschung in die Anwendung sah er in der im internationalen Vergleich konservativen Regulatorik Deutschlands und Europas. In der anschließenden Diskussion herrschte Einigkeit darüber, dass branchen- und länderübergreifende Partnerschaften unverzichtbar seien, um in der digitalen Transformation erfolgreich zu sein.
Vertrauen, Empathie und KI – bereit für die Aufholjagd?
Künstliche Intelligenz und Lernende Systeme bestimmten den zweiten Themenblock. acatech Präsident und Co-Vorsitzender der Plattform Lernende Systeme Jan Wörner eröffnete mit dem Hinweis, dass KI bereits 1968 in der Arbeit von Regisseur Stanley Kubrick durchaus treffend thematisiert wurde. Die Dramatik des Films entspringe dem Zusammenspiel einer fehlerlos arbeitenden KI mit unvorhersehbarem menschlichem Verhalten.
Susan-Stefanie Breitkopf (CTO ZEISS Group) erörterte, was Menschen daran hindert, Vertrauen in KI zu fassen. Überforderung, aber auch allzu schnelle Veränderung seien Faktoren. Um Vertrauen Raum zu geben, müsse die Entwicklung jeder KI-Anwendung konsequent vom Menschen und seinen Bedürfnissen ausgehen. Mit „Sara“ brachte sie ein praktisches Beispiel mit – eine künstliche Intelligenz, die Empathie ausstrahlt.
Christine Knackfuß-Nikolic (Chief Technology Officer bei T-Systems) schärfte den Sinn für KI als Werttreiber. Sie zeigte Prognosen, die das Wertschöpfungspotenzial in Deutschland auf 330 Milliarden Euro beziffern – vorausgesetzt 50 Prozent der Unternehmen setzen generative KI ein. Deutschland verfüge noch über das Potenzial für eine führende Rolle bei KI. Deshalb plädierte sie hier für Mut und Entschlossenheit – und richtete abschließend die Frage ans Publikum: „Sind Sie bereit für die Aufholjagd?“
Christian Müller (Co-CEO Schwarz Digits) gab einen Ausblick auf den Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) in Heilbronn. Dort entstehe ein Campus mit 1.700 Arbeitsplätzen. Es gehe dabei nicht um Gewinnmargen, sondern um den Aufbau eines Melting Pots der KI-Expertinnen und -Experten. Mit Blick auf Geschäftsfelder der Schwarz Gruppe erläuterte er Anwendungen von KI im Filialgeschäft. Abhängig von Wetter oder auch lokalen Ereignissen könne KI beispielsweise dem Einkauf von Supermärkten empfehlen, mehr Wasser oder auch Grillgut zu bestellen.
MISSION KI und die Potenziale von Robotik
Nach den Worten von Thomas Bauernhansl (Institutsleiter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA) hat Deutschland große Stärken in der Industrierobotik – es fehle aber ein international führender “Champion”. Im Feld der Servicerobotik sei Deutschland weltweit an dritter Stelle, vernachlässige aber verbrauchernahe Bereichen wie Gastronomie oder Pflege. Kaum eine Rolle spiele der hiesige Standort in der humanoiden Robotik. Er hob den Einsatz von acatech für innovationspolitische Schwerpunkte im Bereich Industrie-Robotik hervor – heute ist beispielsweise ein Robotik Institut Germany im Aufbau.
Timo Gessmann (CTO Schunk), sprach über die praktische Anwendung Künstlicher Intelligenz im Mittelstand. Früh habe das mittelständische Unternehmen die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Mittelpunkt gestellt, die geschult und ermutigt wurden – um dann in praktische Anwendungen einzusteigen. Beispielsweise habe Schunk eigene Sprachmodelle und einen Chatbot eingeführt und nutze heute Künstliche Intelligenz in vielen Bereichen.
Für Torsten Kröger (Chief Science Officer Intrinsic), liegt eine große Stärke Deutschlands im tiefen Wissen zu einzelnen industriellen Domänen. In einem Ausblick auf die Zukunft der Robotik konzentrierte er sich auf die Fähigkeit von Robotern, die Lage von Gegenständen und Objekten zu erfassen, entsprechende Bewegungen zu planen und Aktionen auszuführen, kurz: Greifen zu lernen. Am Horizont zeichnen sich nach seinen Worten eine gleichartige oder sogar bessere Wahrnehmung und ähnliche feinmotorische Fähigkeiten wie Menschen ab.
Franziska Weindauer (Geschäftsführerin TÜV AI Lab) beschrieb Herausforderungen, KI zu prüfen, zertifizieren und letztlich Vertrauen eine feste Basis zu geben. Dies sei unverzichtbar, denn: Werde KI fehlerhaft eingesetzt, werde Vertrauen für lange Zeit gestört. Die Prüfung von KI unterscheide sich fundamental von der Prüfung von Produkten und herkömmlicher Software. Herausfordernd seien nicht nur schnelle Update-Zyklen, mit denen Zertifizierungsprozesse Schritt halten müssen. Auch lassen sich kaum Ausfallwahrscheinlichkeiten berechnen, weil KI unendliche mögliche Outputs liefere. Die Entwicklung von Prüfstandards ist ein zentraler Baustein der von acatech koordinierten Initiative MISSION KI.
Sprunginnovation Quantencomputing?
Eine echte Sprunginnovation kam mit Quantencomputing zur Diskussion. Darüber diskutierten die Panelteilnehmenden im dritten Themenblock. Henning Kagermann gab dazu eine kurze Einführung zu Quantencomputing und richtete die Frage ans Auditorium, was Quantencomputing bedeute und welche Erwartungshaltung denn vorherrsche.
Heike Riel (IBM) knüpfte direkt daran an und führte aus, warum Quantencomputing zukünftig so wichtig wird. Die Probleme würden zukünftig immer komplexer, sodass klassische Rechner an ihre Grenzen stoßen, um die Aufgaben der Zukunft lösen zu können.
Florian Heretsch (SAP) erläuterte den Umgang mit dem Thema aus Sicht der SAP. Eine wichtige Frage sei, wie sich Quantencomputing bereits heute in die bestehende Softwarelösung einbinden lässt. Es komme immer auf den richtigen Business Case an. Und: Die beste Technologie sei immer die, die man nicht bemerkt.
Fabian Winter (Munich Re) schloss in seinen Betrachtungen mit Details zu den wichtigsten Use Cases wie beispielsweise Simulationen chemischer Prozesse. Abschließend bezifferte die Diskussionsrunde den erwarteten Zeithorizont für den Durchbruch der Technologie auf rund drei bis fünf Jahre.