Technologische Innovation als Zukunftsmacher: acatech Senatsveranstaltung 2025

München, 13. Juni 2025
Um die Rolle technologischer Innovationen für Souveränität, Wachstum und Wohlstand dreht sich die acatech Senatsveranstaltung 2025. Die acatech Präsidenten Thomas Weber und Jan Wörner laden zu einem Panoramablick: Zu Gast beim HealthTech-Spezialist Brainlab beleuchten Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Industrie und Verbänden Szenarien technologischer Souveränität.

Zukunftausblick #1: Medizin von morgen
Eine einleitende Exponatsführung und Leistungsschau führte den Teilnehmenden neueste und künftige Entwicklungen der Medizintechnik vor Augen – mit weitreichenden Chancen für Patientenwohl und Gesundheitsversorgung. Wie sehr technologische Innovationen die Lebenswelt und -qualität der Menschen verbessern können, zeigte sich an drei Exponaten. Parallel konnten die Teilnehmenden in die Kunstexponate am Brainlab-Sitz abtauchen – und damit beide Gehirnhälften gleichermaßen stimulieren.

Senatssitzung: Auf Kurs in die Zukunft

Auf der folgenden Senatssitzung gaben die acatech Präsidenten Einblicke in aktuelle Arbeitsschwerpunkte von acatech. Dabei spannten bestehende und neue Projekte wie ESYS, Mobilitätsmonitor, BatteryPass-Ready, die Innovationsplattform Bayern, die Innovationsroadmap Fusionsenergie (FIRE) oder den Zukunftsrat des Bundeskanzlers den Bogen von Circular Economy, über Raumfahrt bis hin zu Kernfusion oder KI-Robotik.

Die Präsidenten zeigten sich zuversichtlich, dass auch in der neuen Legislaturperiode in Innovationsfragen auf den Rat von acatech gezählt wird und gaben einen Ausblick auf das kommende Jahr: Dann wird acatech als Gastgeber der Jahresveranstaltung des Akademienverbundes CAETS die Technikakademien rund um den Globus als Gastgeber empfangen.
Thomas Weber dankte Jan Wörner für vier Jahre engagierte wie erfolgreiche Arbeit als wissenschaftlicher Präsident von acatech und stellte seine Nachfolgerin vor: Claudia Eckert tritt zum 1. Juli als wissenschaftliche Präsidentin an. Sie sie wurde vom acatech Präsidium einstimmig gewählt. Thomas Weber begrüßte zudem Siegfried Russwurm als acatech Vizepräsidenten.

Mit der Zuwahl der vier neuen Senatsmitglieder geht der acatech Senat gestärkt aus der Senatsitzung hervor und begrüßt die neuen Mitglieder:
- Michael Güntner (Die Autobahn)
- Raphael Wolfram (Röchling)
- Axel Krieger (Yttrium)
- Manfred Rauhmeier (Datenraum Mobilität GmbH)

Europa wird der Ort, wo die Musik spielt
Stefan Vilsmeier, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Brainlab AG, fragte, wie sich die Gesundheitsversorgung weiterentwickeln wird. Antworten liegen in der Personalisierung der Medizin und in der Automatisierung von Abläufen und Dokumentation. Robotik oder auch bildgebende Verfahren müssen in der Medizintechnik adaptiert und teils auch neu gedacht werden. Generell merkte er an: Im KI-Innovationswettlauf werde wichtig, den nächsten Entwicklungsschritt zu antizipieren, die Verbindung von KI und physischer Welt. Zudem werde zentral, KI-Systeme nicht nur zu entwickeln und nutzen, sondern auch zu validieren. Mit Blick auf das gesellschaftliche Klima wünschte er sich mehr Optimismus und Leistungsfähigkeit. Jungen Talenten rate er: Europa werde der Ort, wo die Musik spielt.
Neben den vier neuen Senatsunternehmen und ihren Senatoren wurden auch die Mandatsnachfolger bestehender Senatsunternehmen bestätigt.
Übersicht zu den Mandatsnachfolgerinnen und -nachfolgern
- Matthias Heider (Allianz für Industrie und Forschung)
- Stephan Kothrade (BASF)
- Peter Leibinger (BDI e.V.)
- Sabine Scheunert (Dassault Systems Deutschland)
- Falko Mohrs (Gemeinsame Wissenschaftskonferenz)
- Dorothee Bär, Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt (Gemeinsame Wissenschaftskonferenz)
- Christiane Benner (IG Metall)
- Martina Brockmeier (Leibniz Gemeinschaft)
- Philipp Herzig (SAP SE)
- Peter Middendorf (TU9)
- Dirk Hoke (Voith GmbH & Co. KGaA)
- Andreas Pecher (Carl Zeiss AG)
Time to money – das neue Spaltmaß?
Nach einem Grußwort von Stefan Vilsmeier startete Thomas Weber unter dem Titel Wachstum durch Innovation in die erste Runde aus Impulsen und Diskussionsrunden.

Den Anfang machte Peter Leibinger (Vorsitzender des Aufsichts- und Verwaltungsrats TRUMPF SE + Co. KG, Präsident des BDI) mit dem Hinweis, keine Thesen zu formulieren, sondern Fragen diskutieren zu wollen. Dazu zähle, ob Resilienz eine Kernaufgabe der Innovationsstrategie sein müsse und ob eine neue Zeit nicht auch eine neue Konzentration auf Wesentliches erfordere. Auch gelte es zu klären, ob man von einem „Age of Opulence“ zu einem „Age of Choices“ kommen müsse.

Der vielfachen Forderung nach immer mehr Transfermechanismen setzte Peter Leibinger entgegen, dass bereits ausreichend viele zur Verfügung stünden – nur das Tempo sei häufig noch zu langsam. „Time to money“ werde daher zum neuen Spaltmaß für die Bewertung des Transfers. Auch die Frage nach Art und Weise des Dialogs von Wissenschaft und Wirtschaft mit der Politik warf Peter Leibinger auf: Vielfach seien bestehende Formate zu ritualisiert.
Wie lange kann Deutschland aus der Vergangenheit ernten?
Holger Hanselka (Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft) setzte eingangs auf Optimismus, um dann Zukunftsfragen zu stellen. So sei Deutschland international gesehen in vielen Bereichen ganz weit vorne, beispielsweise bei den Patentanmeldungen. Deutschland verfüge über einen mutigen, innovationsstarken Mittelstand. Und dieser sei deshalb so stark, weil er täglich innoviere. Auch die Wissenschaftslandschaft sei exzellent.

Es brauche aber ein dynamisches Innovationssystem. Die Frage sei, ob die Akteure den Mut haben, sich auf Stärken zu konzentrieren und anderes wegzulassen. Innovationen – so schloss Holger Hanselka – sind der einzige Schlüssel für Spitzenpositionen. Es sei wichtig, dass der Staat den Mut habe, die wichtigen Themen zu benennen: Die Leistung in den benannten Technologien wie KI-Robotik, Fusionsforschung oder Quantentechnologien müsse aber von Wirtschaft und Wissenschaft kommen. Es sei zu schaffen, wenn sich alle gemeinsam auf den Weg machen.

Jörg Burzer (Vorstandsmitglied Mercedes-Benz Group AG, Produktion, Qualität & Supply Chain Management) legte den Fokus ebenfalls auf Zuversicht und gab dafür Einblicke in die Integration innovativer Elemente in die Produktion. Dazu gehören die Einführung des Digitalen Zwillings und flexible Montagelinien für E-/Hybrid- oder Verbrennerproduktion. Einen wichtigen Faktor betonte er dabei nachdrücklich: Auf Weiterbildung der Belegschaft in den entscheidenden Technologiefeldern zu setzen, sei erfolgsentscheidend.

Die anschließende Diskussionsrunde brachte weitere Fragen aufs Tableau – beispielsweise nach dem Staat als Ankerkunden. Hier gelte es, eine Balance zu finden: Der Staat müsse starten, die Wirtschaft aber dann übernehmen. Wichtig sei es, in Roadmaps zu denken. Auch Parallelen zu vergangenen Entwicklungen in der Automobilbranche spannten einen Bogen zu aktuellen Brennpunktthemen wie Rohstoffabhängigkeiten. Vieles dabei sei kein Innovationsthema, sondern ein Standortthema. Europa habe vor dem Hintergrund geopolitischer Entwicklungen zumindest theoretisch einen wachsenden Vorteil – als rechtssicheres und liberales Territorium, und daher als Magnet für Investitionen.
Allianzen für eine sichere Zukunft
Wachstum durch Kooperation: Unter diesem Motto erörterte der acatech Senat im nächsten Diskussionsabschnitt, an welchen Schnittstellen Innovation auf ein neues Level gebracht werden kann. Es gelte, sagte acatech Präsident Jan Wörner in seiner Einführung, anfällige Wertschöpfungs-, Liefer- und Innovationsketten zu Netzen und Gittern weiterzuentwickeln. Denn eine Kette breche, wenn ein Kettenglied bricht. Mit Blick auf die Debatten um Zivilklauseln und Dual Use verwies er auf das Grundgesetz, das Streitkräfte zur Verteidigung vorsieht – die dann auch durch Forschung beständig modernisiert werden müssen.

Kooperation ziviler und militärischer Innovation
Die sicherheitspolitischen Zeitenwende erfordere auch eine digitale Zeitenwende, sagte Michael Vetter, Generalleutnant der Luftwaffe und Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung. Software Defined Defence werde zu einem zentralen Fähigkeitstreiber. Die Vision sei eine Software Factory der Bundeswehr, an die Unternehmen und Forschung aus dem zivilen Bereich andocken können. Die Bundeswehr wolle raus aus den Silos und sei offen für Partnerschaften. Doch auch die Wirtschaft müsse sich dafür anders aufstellen, denn Innovationsökosysteme an der Schnittstelle ziviler und militärischer Innovation unterscheiden sich von rein zivilen. In Militär wie im zivilen Bereich brauche Deutschland mehr Innovationsfähigkeit und Geschwindigkeit.

Wir haben mehr denn je eine historische Chance, eine strategische Souveränität im digitalen Bereich zu behaupten, betonte Christian Müller, Co-CEO Schwarz Digits. Es gehe um Wahlfreiheit: Schwarz-Digits möchte Wahlfreiheit in den fünf Säulen Cloud, Cybersicherheit, KI, Kommunikation und Workplace stärken. Wichtig seien dafür auch Investitionen in die Zukunft wie dem Rechenzentrum Lübbenau, dem Innovationscampus IPAI und dem Bildungscampus Heilbronn.

Claudia Nemat, Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AG für Technologie und Innovation veranschaulichte die Bedeutung von Kooperation anhand von Beispielen aus ihrem Unternehmen: etwa bei der Entwicklung eines KI-Phones gemeinsam mit Partnern, das ohne lästiges Navigieren durch zahllose Apps auskommt. Forschung binde das Unternehmen durch die „T Challenge“ ein. Zusammenarbeit zähle auch im Aufbau europäischer Infrastrukturen, ob bei der AI Gigafactory oder auch bei europäischen Satelliten. Abschließend forderte sie für die anstehende Transformation mehr Vertrauen in eine menschzentrierte Technologieentwicklung.

Wachstum durch industrielle Transformation
Was müssen wir tun, um den Transformationsprozess anzuschieben? Mit dieser Frage eröffnete Thomas Weber den dritten und letzten Teil der Diskussionen. Dazu gab Stefan Vilsmeier am Beispiel Brainlab Einblicke, wie sich aus technologischen Innovationen profitables Wachstum generieren lässt. Der Markt wachse zwar beständig, aber sei traditionell sehr reguliert – von der Entwicklung bis hin zur Zulassung. Es brauche eine volle Pipeline an Innovationen und Produkte, die sich verzahnen lassen. Innerhalb von nur acht Jahren stellte Brainlab das eigene Geschäftsmodell größtenteils um: Möglich machte das die Virtualisierung vieler Technologien, die zu einem multidimensionalen Wachstum geführt haben.
Die Kraft virtueller Modelle
Sabine Scheunert (Managing Director Central Europe, Dassault Systemes) lenkte den Blick auf die Bedeutung mutiger Entscheidungen an ihrem präsentierten Beispiel, in die Plattformökonomie zu investieren. Diese Entscheidung sei auch getrieben vom europäischen Gedanken: Wenn die großen Algorithmen auf die Industriedaten treffen, so Sabine Scheunert, dann seien europäische Werte gefragt. Das disruptive Potenzial von Virtual Twins illustrierte sie im Organbereich anhand eines virtuellen Herzens. Kardiovaskuläre Medikamente lassen sich dadurch vorab virtuell verproben und chirurgische Eingriffe testen, um die Ergebnisse und Erfolgschancen zu verbessern.

Bevor die finale Fragerunde der Veranstaltung startete, gab sie dem Auditorium noch zu bedenken, dass die nächsten Monate bezogen auf die Integration Künstlicher Intelligenz (KI) in Plattformen voraussichtlich sehr rasant werden. Wenn sich Europa hier nicht mutig positioniert – so ihr Appell – könnte auch diese Disruption verpasst werden.

Lernen von Olympia
Zuweilen, so schloss acatech Präsident Jan Wörner den letzten Teil mit einem Beispiel aus der Geschichte des olympischen Sports, lohne es sich für den Erfolg, disruptiv vorzugehen. Und Thomas Weber ergänzte, dass es auch um die Erzeugung eines Aufbruchsgefühls gehe. Ohne Wettbewerb, so der Senatsvorsitzende und Präsident der Wirtschaftsseite, hätte viel Gutes in Deutschland nicht entstehen können.