Ankommen statt unterwegs sein: Der Schlüssel liegt in einer integrierten Planung von Raum und Mobilität
München, 14. März 2022
Mobilität ermöglicht Teilhabe, sozialen Austausch, freie Lebensentfaltung und Wohlstand. Doch häufig sind die Folgen Stau, Stress, Lärm und Umweltbelastungen. Abhilfe schafft ein besseres Zusammenspiel von Städtebau und Mobilitätsplanung. Diese Perspektive beleuchtet acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften in der heute erschienenen Publikation „Ankommen statt unterwegs sein – Raum und Mobilität zusammen denken“. Zentral sind lebendige Quartiere mit kurzen Wegen: Mit vielfältigen Angeboten und hoher Aufenthaltsqualität verkürzen sie die Strecken im Alltag und schaffen Raum für Begegnung. „Wir wollen Stadt- und Mobilitätsplanung so verknüpfen, dass alle davon profitieren. Menschen sollen in ihrem Lebensumfeld ankommen können, statt nur unterwegs zu sein“, sagt Projektleiter und acatech Mitglied Klaus J. Beckmann.
Im Akademieprojekt Integrierte Stadtentwicklung und Mobilitätsplanung nehmen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis das Wechselspiel von Raum und Mobilität unter die Lupe. Der heute erschienene Diskussionsband ist der erste Zwischenbericht des Projekts und ist als thematischer Einstieg konzipiert. Er schafft eine Orientierung, wie Siedlungsräume und Mobilitätsverhalten sich gegenseitig bedingen.
Technologische Innovationen wie die Eisenbahn oder das Automobil haben es ermöglicht, weit entfernte Ziele schneller zu verbinden. Weitläufige und in ihrer Funktion getrennte Stadt- und Siedlungsstrukturen entwickelten sich. Entsprechend hoch ist seither das Verkehrsaufkommen, die Verkaufsaufwände und der der Flächenverbrauch unserer Mobilität. Bis heute belastet dies die Lebensqualität und die Umwelt und steht damit vielen Nachhaltigkeits- und Klimabemühungen entgegen.
Fachleute sind sich bereits einig: Wollen wir eine nachhaltigere Mobilität und weniger Verkehr, dann muss der öffentliche Raum anders genutzt werden. Jedes Quartier braucht attraktive Verweilmöglichkeiten, an denen sich Menschen begegnen und austauschen. In jeder Nachbarschaft braucht es vielfältige, möglichst barrierefreie Angebote. So werden die alltäglichen Wege kürzer und viele Ziele sind zu Fuß oder auf dem Fahrrad erreichbar. Der Straßenraum wird zum Lebensraum, das Quartier wird zum Lebensumfeld, die Stadtregion wird zur Heimat verschiedenartiger Lebensentwürfe.
Helmut Holzapfel, Partner in der Projektleitung und ebenfalls acatech Mitglied, ergänzt: „Mobilität – aus Perspektive der Menschen – bedeutet nicht einfach, wie viel Strecke wir in welcher Zeit zurücklegen können. Sie misst sich eher an den Angeboten und Zielen, die wir im Alltag unkompliziert erreichen. Qualitativ hochwertige Räume sind ein Schlüssel dafür, dass wir in unserem Lebensumfeld ankommen können. Wir können weniger unterwegs sein, sind aber sehr viel flexibler in unserer Mobilität. Wenn wir Alltägliches vor Ort erledigen, spart das nicht nur Zeit, es schafft uns Raum, saubere Luft und schützt das Klima.“
Die Umsetzung einer integrierenden Planungspraxis unterliegt allerdings vielschichtigen Rahmenbedingungen und betrifft unterschiedliche Verwaltungsebenen genauso wie viele verschiedene Stakeholder. Wo die Kommunen bei der Umsetzung entsprechender Ansätze stehen und welche Herausforderungen sich dabei ergeben, ist Untersuchungsgegenstand der weiteren Projektbearbeitung bis Mitte 2023. Mit Projektabschluss sollen Empfehlungen für Kommunen, Regionen, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für eine wirksame Umsetzung integrierter Stadtentwicklung und Mobilitätsplanung ausgesprochen werden. Klaus J. Beckmann: „Wir wollen zukunftsfeste und umweltfreundliche Mobilität in unseren Stadtregionen als Lebensräume möglich machen. Um das zu erreichen, müssen viele unterschiedliche Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen. Was wir brauchen sind Kooperation, eine nachhaltige Debattenkultur und eine an Zielen orientierte Rahmensetzung.“
Download der Publikation hier.