Datenraum Kultur: 3 Fragen an acatech Vorstandsmitglied Manfred Rauhmeier
München, 17. Januar 2023
Heute geht der Vorhang auf für den Datenraum Kultur. acatech wurde zusammen mit der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT mit dem Aufbau betraut. Das Projekt ist eines von 18 Leuchtturmprojekten der Digitalstrategie der Bundesregierung – in das acatech ihre Erfahrungen aus dem Aufbau des Mobility Data Space einbringt. acatech Vorstandsmitglied Manfred Rauhmeier gibt anhand von drei Leitfragen einen ersten Überblick über die Idee hinter dem Datenraum Kultur.
Warum brauchen wir einen Datenraum Kultur?
Wir nutzen und teilen schon heute Daten – sehr viele Daten, die sehr viel über uns aussagen. Was vielen Menschen nicht bewusst ist: Oftmals haben wir wenig Einfluss darauf, wer unsere Daten wie nutzt und welcher Mehrwert aus unseren Daten gezogen wird. Im digitalen Zeitalter sind Daten mehr denn je eine Schlüsselressource für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Die Fähigkeit, Daten zu nutzen, zu verknüpfen und auszuwerten, ist gleichermaßen Grundlage für Innovation und wirtschaftliche Prosperität, für das Generieren von Wissen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Deshalb brauchen Deutschland und Europa Datenräume, in denen Personen, Unternehmen, Organisationen und öffentliche Einrichtungen Daten fair und nach gemeinsamen Rechts- und Wertevorstellungen teilen können. Schon während der Corona-Krise haben wir deshalb Datenräume als Kernstück digitaler Souveränität herausgestellt.
Die Bundesregierung hat erkannt, wie enorm wichtig diese Ebene der Digitalisierung ist, und sie in die Kernziele der Digitalstrategie aufgenommen: Für die Nutzung von Daten sollen bis 2025 ein moderner Rechtsrahmen und gut vernetzte Datenräume stehen.
Mit diesem Mandat im Rücken und dank unserer Positionierung als neutraler Mittler zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft treibt acatech die Gründung von Datenräumen voran. Einen Datenraum Mobilität haben wir bereits auf den Weg gebracht – er gilt als Blaupause für weitere Datenräume. Nun erreichen wir mit dem Datenraum Kultur den zweiten wichtigen Meilenstein. Mobilität verbindet Menschen räumlich – Kultur verbindet uns geistig und ideell als offene Gesellschaft. Ein Datenraum Kultur ist enorm wichtig für die gesellschaftliche Souveränität Deutschlands und Europas im digitalen Wandel. Deshalb gehört der Datenraum Kultur auch zu den 18 Leuchtturmprojekten der Digitalstrategie der Bundesregierung.
Was möchten acatech und die Projektpartner im Datenraum Kultur erreichen?
Wir möchten erreichen, dass die Kultur viel stärker von der Digitalisierung profitiert. Der Datenraum Kultur schafft die digitale Infrastruktur für einen souveränen Austausch kulturbezogener Daten. Die Plattform OWL live beispielsweise, eine von vier Pilotanwendungen zum Start des Datenraums, verknüpft Kulturveranstaltende aus der Region Ostwestfalen-Lippe miteinander und greift auf deren Datenquellen zu, um automatisiert Informationen zu Events zu sammeln. Diese sind dann auf der Plattform abrufbar: personalisiert und situationsangepasst. Dadurch reduziert sich für Kulturschaffende der redaktionelle Aufwand, während für Kulturinteressierte Veranstaltungen sichtbarer und besser zugänglich werden.
Für Kulturschaffende soll der Datenraum Kultur wirtschaftliche Chancen bringen. Das zeigt auch der neue Musik-Marktplatz, der im Rahmen des Projekts aktuell in Hamburg aufgebaut wird: Er bringt Musiklehrerinnen und -lehrer mit Schülerinnen und Schülern zusammen und ermöglicht digitalen Unterricht in Echtzeit. Später wird die Plattform um weitere Angebote ergänzt – das Ziel ist eine Musikcommunity auf nationaler und internationaler Ebene.
Diese Beispiele zeigen: Der Datenraum Kultur schafft eine eigenständige Grundlage digitaler Produkte und Angebote für die Kultur – entlang der Bedürfnisse von Kulturschaffenden und -interessierten und unter Wahrung digitaler Souveränität: Die Souveränität von Dateneignern, Urhebern und Dienstanbietern hat höchste Priorität. Das heißt, Daten und Dienste werden nicht zentral gespeichert, sondern sind lediglich mittels Konnektoren dezentral vernetzt und werden direkt zwischen den teilnehmenden Vertragspartnern übertragen. Ganz wichtig: Die Erlöse bleiben bei den Kreativen – gerade dies sieht ja auf einigen kommerziellen Plattformen ganz anders aus.
In welchen Schritten entsteht der Datenraum Kultur?
In der jetzt angelaufenen Startphase wollen wir die Machbarkeit, wirtschaftliche Relevanz und die Mehrwerte des Datenraums Kultur demonstrieren – und das gelingt am besten durch Anwendungsfälle. Neben den genannten Anwendungen in Ostwestfalen-Lippe und in Hamburg gibt es noch zwei weitere Pilotprojekte zusammen mit Museen und dem Deutschen Bühnenverein. Es entstehen neue smarte Theaterdienste und digitale Ausstellungskonzepte. So starten mehrere Museen anlässlich des 250. Geburtstags des Künstlers Caspar David Friedrich im Jahr 2024 in einem Gemeinschaftsprojekt multimediale Angebote, basierend auf dezentralen Quellen. Ein ganz anderer Blick auf das Werk Friedrichs, von Multimedia bis Gigapixel, von Open Access bis Pay-per-View. Alle diese Projekte sollen im Laufe des Jahres 2023 nach und nach live gehen.
In einer zweiten Phase geht es anschließend um eine Evaluation und Reflexion der gemachten Erfahrungen, bevor die digitale Infrastruktur Datenraum Kultur dann ab Anfang 2025 breit für alle Kulturschaffenden und Kreativen zur Verfügung steht.