Digitaler Salon: Möglichkeiten und Risiken der Gesichtserkennung
München, 7. Mai 2018
Die Gesellschaft sollte stärker diskutieren, welche Anwendungsmöglichkeiten, Chancen und Risiken die automatisierte Gesichtserkennung mit sich bringt. Darin stimmten die Expertinnen und Experten des Digitalen Salons überein, zu dem acatech und die Katholischen Akademie in Bayern am 7. Mai in München eingeladen haben. Aus technikwissenschaftlicher, juristischer und künstlerischer Perspektive sprachen die Referentinnen und Referenten mit dem Publikum darüber, wie Gesichtserkennung funktioniert, welche datenschutzrechtlichen Fragen sie aufwirft und welche gesellschaftlichen Veränderungen damit einhergehen. Der Digitale Salon findet seit 2016 statt und zielt darauf ab, über das Internet als Phänomen nachzudenken, über Folgen der Digitalisierung zu reflektieren und unterschiedliche Positionen ins Gespräch zu bringen.
Was sind die technischen Hintergründe der Gesichtserkennung? Wie „sehen“ Computer Bilder? Huang Xiao vom Fraunhofer AISEC in Garching erläuterte die Grundlagen der Technologie. Zudem stellte er die Leistungsfähigkeit aber auch die Grenzen der Gesichtserkennung vor. Basis der Technik sind laut Huang Xiao Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) – wie etwa künstliche neuronale Netze. Die Erkennungssoftware nutze – je nach Technologie – unterschiedliche Merkmale des Gesichts für ihre Bewertung. Große Datenmengen, hohe Rechenkapazitäten und ein KI-basierter Algorithmus ermöglichten, dass die seit mehr als 30 Jahren existierende Technologie heute sehr leistungsfähig sei. Jedoch funktioniere die automatische Gesichtserkennung nur dann mit geringer Fehlerquote, wenn die Software auf große Datenmengen zugreifen könne und entsprechend trainiert worden sei. „Die Technologie ist von der Qualität der Daten abhängig und die Daten können manipuliert werden. Das sind ihre grundsätzlichen Probleme“, sagte Huang Xiao. Gleichzeitig bestünden nach wie vor Hürden, wenn beispielsweise schlechte Lichtverhältnisse vorherrschten oder Personen ihr Äußeres – womöglich gezielt – durch Kapuzen, Bärte oder Brillen veränderten.
Thomas Petri, Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, ordnete die Gesichtserkennung juristisch ein. Bei der rechtlichen Bewertung sei entscheidend, wer zu welchem Zweck Gesichtserkennungssoftware nutze. Für staatliche Einrichtungen wie die Polizei gelten andere rechtliche Regelungen als für Unternehmen, erklärte er. Die grundlegenden Rahmenbedingungen würden durch die am 25. Mai 2018 in Kraft tretende Datenschutzgrundverordnung der EU geregelt. Sie gelte für Unternehmen unmittelbar und allgemein. Im Unterschied dazu verabschieden die Mitgliedsstaaten für Datenschutz in der Strafverfolgung eigene Gesetze. Petri kritisierte den Einsatz der automatisierten Gesichtserkennung im öffentlichen Raum: Zum einen sei die Fehlerquote derzeit noch relativ hoch, so dass Unbeteiligte zu Unrecht als verdächtig identifiziert werden könnten. Zum anderen gab er zu bedenken, dass damit ein erheblicher Grundrechtseingriff einhergeht. Er ergänzte: „Wenn es im öffentlichen Raum keine Privatsphäre mehr gibt, ist das hochproblematisch. Die Privatsphäre gehört zu einem menschenwürdigen Leben.“
Karolina Vocke vom Department of Economic Theory, Policy and History der Universität Innsbruck beleuchtete das Thema Gesichtserkennung aus der künstlerischen und ideengeschichtlichen Perspektive: So waren Bildnisse lange Zeit religiösen Bildern wie Ikonen oder Herrscherbildern beispielsweise auf Münzen vorbehalten; erst nach und nach fanden Porträts Eingang in bürgerliche Kreise – zunächst in der Malerei, später wurde eine Demokratisierung des Abbildes durch die Fotographie möglich. „Mit der Fotografie gibt es Bilder von Massen, aber auch Massen von Bildern“, erklärte Vocke. Im Zeitalter der digitalen Fotografie wiederum steige deren Verfügbarkeit und Verwertbarkeit ständig. Allerdings sei noch nicht in allen Schattierungen absehbar, welche Auswirkungen die neuen technischen Möglichkeiten haben könnten, betonte sie. „Jede Technik verändert den Blick auf uns selbst und die Wahrnehmung der Welt“.
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