Drei Zimmer, Küche, Bad – nachhaltig, doch bezahlbar?

München, 13. Mai 2022
Schon heute belasten hohe Mietpreise viele Menschen in Städten wie München – und auch auf dem Land ziehen vielerorts die Preise stetig an. Wie lässt sich bezahlbares Wohnen mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Bauwesen vereinbaren? Wie kann der Bausektor die Klimaschutzziele bis 2030 erreichen? Welche messbaren Kriterien für nachhaltiges Bauen, Erneuern und Erhalten braucht es? Und welche Rolle spielen die Normung von Produkten und Prozessen sowie die Nachhaltigkeit von Stadtquartieren überhaupt? Bei acatech am Dienstag diskutierten die Experten am 3. Mai wie nachhaltiges, wirtschaftliches und gleichzeitig innovatives, qualitätvolles Planen und Bauen gelingen kann.
In seiner Einführung sprach acatech Mitglied und Moderator Klaus Mainzer über Verantwortung für eine nachhaltige Technikentwicklung. Er stellte die 17 „Sustainable Development Goals“ als Ziele für eine Nachhaltige Entwicklung vor. Die globale Urbanisierung, Smart Cities und Infrastrukturen seien eine Herausforderung des 21. Jahrhunderts, sagte er. Wegen des gewaltigen Datenaufkommens sei eine Stadt als Knotenpunkt menschlichen Lebens auf intelligente Technologien für effiziente und vernetzte Infrastrukturen angewiesen. Während Smart Grids Energie- und Informationssysteme in einer Symbiose verbinden, erfordere eine diversifizierte und dezentrale Energieversorgung die Integration unterschiedlicher Domänen in intelligenten Infrastrukturen.
Klaus Mainzer betonte, dass messbare Kriterien für nachhaltiges und bezahlbares Bauen, Erneuern und Erhalten dringend erforderlich seien. Steering Gruppen sollten mit Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft kooperieren, um Standards für nachhaltige Technologie (DIN-Normen) und Gesetzesinitiativen vorzuschlagen. Die Standardisierung sollte nicht nur als Controlling und Regulierung verstanden werden, sondern als Orientierung für nachhaltige und verantwortungsvolle Innovation.
Johannes Kreißig, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, nannte zu Beginn seines Beitrags Fakten zum Status Quo. So würde beispielsweise immer mehr Fläche für gleich viele Menschen gebraucht, ein Drittel der globalen Ressourcen werde durch die gebaute Umwelt verbraucht und über die Hälfte des Abfallaufkommens in Deutschland würde durch Bau- und Abbruchabfälle verursacht. Das Ziel müsse es sein einen klimapositiven Gebäudebestand zu erlangen. Dafür seien Transformationen notwendig, sagte Johannes Kreißig. Als strategische Ziele nannte er
- die Emissionen des Energieverbrauchs zu eliminieren und mit Erneuerbaren Energien positiv zur Energiewende beizutragen
- Werte des Bestands zu erhalten, den Ressourceneinsatz zu minimieren und Gebäude möglichst lang und intensiv zu nutzen
- Sanierungen und Neubau möglichst emissionsfrei und mit klimapositiven Materialien zu realisieren
- Politische und finanzielle Rahmenbedingungen für die Klimatransformation zu schaffen
Hilmar v. Lojewski vom Deutschen Städtetag ging auf kommunale Perspektive zu Normierungsfragen ein und regte an das Bauwesen auf eine andere Wertegrundlage zu stellen. Man müsse dazu über gehen öffentliche Gebäude zu bauen, die mehrfach genutzt werden könnten. Als Beispiel nannte er Schulgebäude, die aktuell nur während der Woche und nur 150 Stunden pro Monat genutzt würden, während die Räumlichkeiten die restliche Zeit ungenutzt leer stünden. Ziel müsse es sein, die Räumlichkeiten in Schulen 250 Stunden pro Monat zu nutzen. Bezüglich der Städteplanung sagte er, dass die Verantwortlichen sich zuallererst fragen müssten, was man im Bestand optimieren könne, bevor an eine Erweiterung oder an einen Neubau von Gebäuden gedacht werde.
Die Ökobilanzierung sowie Steuerungsinstrumente und Indikatoren zur ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbewertung in der technischen Gebäudeausrüstung waren Thema des Beitrags von Andreas Wade, Viessmann Climate Solutions SE. Er stellte für die Bereiche „Kühlen“ und „Heizen“ dar, welch großen Einfluss die Nutzung Erneuerbarer Energien auf den CO2-Fußabdruck (Ausstoß kg CO2 pro Jahr) hat. Die Nutzung von 100 Prozent Photovoltaik und Windenergie würden sowohl bei der Nutzung, als auch Cradle-to-Gate (Umweltwirkungen für die Produktion des Baustoffes werden mitberücksichtigt) zu einem deutlichen Rückgang des CO2 Ausstoßes führen, sagte er. Dennoch müsse noch weit mehr getan werden, wenn das Ziel, den Anstieg der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, überhaupt eine Chance haben soll, erreicht zu werden. Er warnte vor dem „Kohlenstoff-Tunnelblick“ als Herangehensweise an das vielschichtige Problem des Klimawandels, da er zu zusätzlichen Problemen führen würde, wenn wir uns zu sehr und zu eng auf Kohlenstoffemissionen konzentrierten, aber dabei die Menschenrechte, Gesundheit und Bildung vernachlässigen, oder die biologische Vielfalt nicht schützten.