Filmkunst ohne Grenzen und ohne Rechte?

München, 28. Februar 2025
Generative KI-Modelle erzeugen immer häufiger gestalterische Elemente: von Grafiken bis hin zu kurzen Videoclips für Werbung und Social Media. Einerseits eröffnen sich für Kunstschaffende dadurch völlig neue Möglichkeiten, ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen. Andererseits werfen diese Entwicklungen auch kritische Fragen im Spannungsfeld von Kreativität und Urheberrecht auf. Diesen Fragen widmete sich acatech am Dienstag gemeinsam mit der Alten Pinakothek am 25. Februar in München am Beispiel Film im Rahmen der Ausstellung „Rachel Ruysch – Nature into Art“.
Der Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft liege acatech besonders am Herzen, betonte Wolfgang Siegel (administrativer Geschäftsführer von acatech) in seiner Begrüßung. Gerade im Bereich der Kunst, wo Kreativität und Innovation eine so zentrale Rolle spielen, werfe der Einsatz von KI viele Fragen auf. Nur im Austausch zwischen Kunstschaffenden, Wissenschaftlern, Juristinnen und der Öffentlichkeit könnten die vielfältigen Fragen umfassend erörtert und gemeinsam Antworten gefunden werden.
Alte Kunst aus neuen Perspektiven mit Leben füllen
Simone Ebert (Bayerische Staatsgemäldesammlungen / Alte Pinakothek) verwies auf die Verbindung von Barockmalerei und KI in der Ausstellung. Mehrere Studierendenprojekte ermöglichen es, das Werk von Rachel Ruysch auf ganz neue Art zu erleben und zu entdecken. So verändern sich in einem Projekt die projizierten Bilder abhängig von den räumlichen Bewegungen der Besucherinnen und Besucher – der Wiesenspaziergang wird so zum individuellen Erlebnis. Ein anderes Projekt erlaubt es, ein eigenes Blumenbouquet mit Elementen aus Rachel Ruyschs Kunstwerken zusammenstellen und im Anschluss als Selfie mit nach Hause zu nehmen.
Von neuen Formen der Kunst bis zu manipulierenden Fakes
Sylvia Rothe (Professur für KI in der Medienproduktion, Hochschule für Fernsehen und Film) sensibilisierte in ihrem Vortrag für die stetige Entwicklung und Veränderung der Filmproduktion. Viel entscheidender als die effektvolle Umwandlung von Text in Video seien die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in sämtlichen Phasen der Filmproduktion, beginnend bei Recherche und Vorbereitungen über den eigentlichen Dreh bis hin zur Postproduktion. Am Beispiel des jüngsten Indiana-Jones-Films machte sie das deutlich: Hier verjüngte der Einsatz von KI den Hauptdarsteller erkennbar.
Die oft kritisch gesehenen „Deepfakes“ – also täuschend echt wirkende, aber künstlich erstellte Foto-, Video- oder Audioaufzeichnungen – können Protagonisten einerseits durch Anonymität schützen, andererseits aber auch aus Hauptdarstellern Vladimir Putin machen.
In ihrer Lehre an der Hochschule für Fernsehen und Film fördert Sylvia Rothe praktische Erfahrungen mit den aktuellen Entwicklungen von KI. So ließen sich in Seminararbeiten und Projekten mittlerweile Ideen und Konzepte umsetzen, die in der Vergangenheit mit deutlich höherem Zeitaufwand und Kosten verbunden waren und daher häufig eine Realisierung verhinderten.
Zwischen Mensch und Maschine: Gratwanderung im juristischen Niemandsland
Anne Lauber-Rönsberg (Professur für Bürgerliches Recht, Immaterialgüterrecht, insb. Urheberrecht, Medien- und Datenschutzrecht, Technische Universität Dresden und Mitglied Plattform Lernende Systeme) führte in den rechtlichen Rahmen der Kunst und Kreativität ein. Das Urheberrecht, welches regelt, welche Werke schützenswert sind und welche nicht, unterscheidet sich im internationalen Vergleich allerdings deutlich. In Großbritannien lassen sich beispielsweise vollständig durch KI erstellte Werke schützen. In den USA und der EU hingegen unterliegt diese Form nicht dem Urheberrecht. Knifflig werde es bei Grenzfällen, in denen eine Weiterbearbeitung KI-generierter Inhalte durch den Menschen erfolgt. Die Frage nach dem Grad der menschengemachten künstlerischen Veränderung sei noch nicht abschließend geklärt, so Anne Lauber-Rönsberg.
Die KI-Verordnung der EU (AI-Act) regelt auch den Umgang mit den Trainingsdaten und formuliert umfangreiche Transparenzpflichten. Allerdings greifen europäische Schutzrechte, die eine Datenverwertung für das Training neuronaler Netzwerke verhindern sollen, nicht global. Daraus folgerte Anne Lauber-Rönsberg, dass in der Praxis noch zahlreiche Prozesse und Entscheidungen nötig sind, bis der Umgang mit den Daten rechtssicher geklärt ist. Rechtsprechung und Regulierung, das offenbarte auch die anschließende Diskussion, könne selten mit der technischen Entwicklung Schritt halten.
Echte Gage für virtuelle Stars?
In der von Martin Bimmer (acatech Geschäftsstelle) moderierten Diskussion beleuchtete Sylvia Rothe, wie beispielsweise Schauspielerinnen und Schauspieler trotz Einsatz eines KI-generierten Doubles vergütet werden können. Die weltweit ersten, in Deutschland geschlossenen tarifvertraglichen Regelungen hierzu bestätigen die unveränderte Gagenhöhe. Dennoch sei es schwer vorstellbar, dass zukünftig alle Blockbuster vollständig am Bildschirm produziert werden. Der Austausch mit Schauspielerinnen und Schauspielern am Filmset sei von zentraler Bedeutung für die Produktion, das gewisse Etwas entstehe erst durch diese Interaktion.
Europa könne ein vertrauenswürdiger Vorreiter werden, wenn es um die Transparenz der für KI-Trainingszwecke eingesetzte Datenbanken geht, so Anne Lauber-Rönsberg. Beispiele, in denen Künstlerinnen und Künstler selbstständig Datenbanken auf Verwendung ihrer Werke prüfen können, seien positive Zeichen. Zum voraussichtlichen Zeithorizont dämpfte die Juristin allerdings die Erwartungen: Entscheidungen über Lizenzgebühren oder Vergütungen würden noch Jahre dauern.