Wasserstoff: Deutschland sollte internationaler denken
München, 15. Mai 2023
Rettet Wasserstoff unser Klima und unsere Wirtschaft? Darüber diskutierten die Wasserstoff-Expertinnen und Experten Robert Schlögl, Nikolas Iwan und Ulrike Hinz am 4. Mai in einer digitalen Podiumsdiskussion. Wie sich zeigte, gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort. Nur eins ist klar: Für eine globale Wasserstoffwirtschaft muss die Weltengemeinschaft jetzt gemeinsam Kriterien festlegen. Die Veranstaltung wurde vom Projekt acatech HORIZONTE organisiert und fand auf dem Fachkongress Berliner ENERGIETAGE statt.
„Worüber wir heute reden, ist letztlich der Urknall.“ Mit diesen Worten eröffnete acatech Präsident Jan Wörner die Online-Veranstaltung. Durch den Urknall sei das Universum entstanden, sagte Jan Wörner, und das bestehe zu 90 Prozent aus Wasserstoff. Dadurch ist Wasserstoff ein zentrales Element im Universum und auf der Erde. Es kann für uns sehr nützlich sein, beispielsweise um Energie zu gewinnen.
Aber welche Rolle spielt Wasserstoff in unserer zukünftigen Energieversorgung? Eine sehr große, sagte Robert Schlögl, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung. Für eine nachhaltige Energieversorgung brauchen wir Strom aus regenerativen Quellen wie Sonne und Wind. „Diese erneuerbaren Energien sind aber häufig zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagte Robert Schlögl. An manchen Stellen auf der Erde scheint die Sonne im Überfluss, während sie an anderen Orten nur selten zum Vorschein kommt. Laut Robert Schlögl sei Wasserstoff eine Lösung, um erneuerbare Energien zu speichern und über längere Strecken zu transportieren.
Wasserstoff und grüner Strom im Tandem
Auch für Ulrike Hinz, Policy Advisor Climate and Energy vom WWF Deutschland, ist Wasserstoff ein wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Zukunft: „Strom sollte die bevorzugte Lösung sein, manchmal geht es aber noch nicht rein elektrisch. Schiffe oder Flugzeuge können oft nicht mit Strom betrieben werden. Wasserstoff bietet hier eine Alternative.“ Auch manche Industriezweige brauchen Wasserstoff, zum Beispiel die Stahlindustrie. Dort wird aktuell Kohle verbrannt, um Eisenerz zu erhitzen; zukünftig könnte Wasserstoff die Kohle ersetzen. Laut Ulrike Hinz lassen sich dadurch CO2-Emissionen vermeiden. Die anderen Podiumsgäste teilten die Einschätzung, dass Strom nicht immer die beste Lösung ist. „Wir werden beides für eine nachhaltige Zukunft brauchen: Strom und Wasserstoff“, ergänzte Nikolas Iwan von H2 MOBILITY.
Aber woher können Deutschland und die EU grünen Wasserstoff beziehen, fragte Moderatorin Julia Nestlen. Ulrike Hinz nannte Länder des globalen Südens wie Chile oder Südafrika als Beispiel. In der Zusammenarbeit mit diesen Ländern sieht sie viele Chancen: „Wir in Deutschland und Europa können unsere internationalen Energiebeziehungen stärken.“ Gleichzeitig müsse man die lokale Bevölkerung miteinbeziehen, damit der Wasserstoff nicht nur für den Export produziert wird, sondern auch für die lokale Industrie. Dadurch könne die Wirtschaft der Länder gestärkt und emissionsärmer gestaltet werden. Alle Podiumsgäste waren sich einig, dass dafür auf internationaler politischer Ebene soziale und ökologische Kriterien festgelegt werden müssen.
Voraussetzungen für eine globale Wasserstoffwirtschaft
Allerdings sei aktuell nur wenig Wasserstoff aus regenerativen Energien vorhanden, brachte Julia Nestlen eine Frage aus dem Publikum ein. Wie kann die Welt auf grünen Wasserstoff umsteigen? Nikolas Iwan zeigte zwei Optionen auf: „Entweder können wir noch fünf Jahre warten oder wir erzeugen bereits jetzt eine Nachfrage im Markt und beeinflussen dadurch, dass schneller mehr grüner Wasserstoff produziert wird.“ Robert Schlögls Überlegungen gingen in eine ähnliche Richtung: „Dem Aussteigen muss das Einsteigen vorausgehen.“ Wir müssen erst Wasserstoff nutzen – auch wenn dieser aus Erdgas produziert wird, und dann können wir uns von den fossilen Brennstoffen verabschieden.
Für diesen Einstieg brauchen wir eine technologieoffene Infrastruktur, zahlreiche Abnehmer und politische Rahmenbedingungen, waren sich Robert Schlögl und Nikolas Iwan einig. „Wir werden nicht die Lösung für den Transport haben“, erklärte Robert Schlögl weiter. Vielmehr müssten wir eine vielfältige Infrastruktur aufbauen, weil Wasserstoff je nach Entfernung des Herstellerlandes entweder gasförmig per Pipeline oder flüssig, zum Beispiel in Form von Ammoniak, auf einem Containerschiff transportiert werden muss. Zusätzlich könnte es Deutschland helfen, ergänzte Nikolas Iwan, pragmatischer und technologieoffener zu sein – vielleicht sogar offener für andere Möglichkeiten. Denn: „Wasserstoff ist nur eine Lösung für eine klimaneutrale Zukunft“, sagte Ulrike Hinz. Andere Optionen seien, Energie einzusparen und möglichst viele Bereiche direkt zu elektrifizieren; aber das sind Themen für eine andere Podiumsdiskussion.
Weiterführende Informationen
Die digitale Podiumsdiskussion fand im Rahmen der Berliner ENERGIETAGE statt, einem Fachkongress für Energiewirtschaft und Energiepolitik. Das Projekt acatech HORIZONTE hat die Veranstaltung konzipiert, basierend auf der Publikation acatech HORIZONTE Wasserstoff, die einen verständlichen, anschaulichen und wissenschaftsbasierten Überblick zum Thema gibt.
Sie sind herzlich eingeladen, alle Infografiken der Publikation in der digitalen Pressemappe herunterzuladen und unter Angabe des Copyrights © acatech HORIZONTE frei zu verwenden.