Das Richtige tun: Schwarze Zahlen und Nordsterne der Sozialen Nachhaltigkeit
München, 11. Dezember 2024
Die drei Schlagworte ESG – Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) – haben es längst auf die Agenda der Unternehmen geschafft: Dafür sorgen nicht nur umfangreiche Berichtspflichten, sondern auch das erstarkte Interesse von Aufsichtsräten, Investoren und vor allem von Beschäftigten: Nach der Gehaltsstruktur sind soziale Haltung und Glaubwürdigkeit eines Unternehmens mittlerweile hauptausschlaggebend für Bewerberinnen und Bewerber. Schafft es Soziale Nachhaltigkeit also, zum Universalschlüssel für langfristigen Unternehmenserfolg, engagierte Mitarbeitende und eine neue Lust an Leistung zu werden?
Um Antworten auf diese Fragen und Best Practices zu finden, konnten Henning Kagermann (Vorsitzender des acatech Kuratoriums) und Co-Gastgeber Frank Riemensperger (acatech Präsidiumsmitglied) Herausgeber, Autorinnen und Autoren des kürzlich erschienen Buchs „Soziale Nachhaltigkeit – Pflicht oder Kür?“ für die Debatte gewinnen. Es widmet sich explizit der Bedeutung des „S“ in ESG für die Zukunft der HR-Strategie.
Schon ein Blick zurück in die Geschichte zeigt: Deutschland kann auf eine traditionell starke Bedeutung sozialer Aspekte bauen, das unterstreicht nicht nur die Soziale Marktwirtschaft. Lange Zeit war Soziale Nachhaltigkeit – insbesondere die Einhaltung von Arbeitsrecht, der Schutz der Mitarbeitendengesundheit und faire Entlohnung – die Domäne der Gewerkschaftsbewegung. Dabei gelte es, Nachhaltigkeit als klares unternehmerisches Konzept zu begreifen. Beispielsweise, um die Employability – die Beschäftigungsfähigkeit – der Menschen sicherzustellen, erklärte Thomas Ogilvie (Personalvorstand und Arbeitsdirektor Deutsche Post AG, CHRO DHL Group) zu Beginn der Debatte. Es gehe darum, Unternehmensstrategie und Nachhaltigkeit eng miteinander zu verbinden und die sozialen Faktoren entlang des gesamten Employee Lifecycles erlebbar zu machen.
Erfolgreiche Unternehmen müssen zum Top-Arbeitgeber für alle Beschäftigten werden und konkrete Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten schaffen. 27 Milliarden Euro betragen bei der Deutschen Post und DHL Group die jährlichen Ausgaben für Personal – das entspricht dem größten Posten in der Bilanz des Konzerns und zeigt den Stellenwert von HR für den Unternehmenserfolg. Denn am Ende seien es immer die Beschäftigten, die das Unternehmen erfolgreich machten, fasste Thomas Ogilvie zusammen.
Haltungsfrage in materiell Wesentliches überführen: Schwarze Zahlen mit „grünen“ Ideen
Michael H. Kramarsch gab zu bedenken, dass ESG in den USA derzeit zwar politische Kampfbegriffe seien, aber kein politisches Modethema. Das Thema, so der Aufsichtsrat und ehemalige Managing Partner der hkp///group, sei deutlich größer als das Akronym ESG es vermuten lasse. Denn es gehe mittlerweile darum, Anforderungen sozialer Nachhaltigkeit und guter Unternehmensführung in materiell Wesentliches zu überführen – und nicht darum, nur am schönen Anstrich zu arbeiten. Das beginne bei der Regulierung der Finanzmärkte und der Frage, in welche Unternehmungen eigentlich investiert werde.
Die immer entscheidendere Frage laute also: Was sind die nachhaltigen Nordsterne, die auf langfristigen Ertrag einzahlen? Dies rücke auch den Personalbereich zunehmend in den Kern der Geschäftstätigkeit. Die Herausforderung liege jetzt darin, Strategie, Analytics und vor allem Digitalisierung zu vereinen. Der Grund: In den vergangenen Jahren sei ein Großteil der Digitalisierungsbemühungen nicht primär auf die Operationalisierung und Erhebung von Aspekten sozialer Nachhaltigkeit durch HR ausgerichtet gewesen, sondern in andere Unternehmensbereiche geflossen. Die wenigsten Organisationen könnten also aktuell per Knopfdruck die entscheidenden Kennzahlen zu Sozialer Nachhaltigkeit aufrufen.
HR muss sich in neuem Ökosystem orientieren
Investoren fragen ganz gezielt bestimmte Key Performance Indikatoren (KPI) ab. Das Thema ESG beginne bereits im Aufsichtsrat, so Harriet Sebald (Geschäftsführerin der Merlin Investment- und Beteiligungsgesellschaft). Keine HR-Strategie komme mehr ohne Nachhaltigkeit aus – der Personalbereich werde im Bereich Soziales zum strategischen Gestalter. Denn junge Menschen suchen sich gezielt nachhaltige Unternehmen, so Harriet Sebald. Wichtig sei, dass die nachhaltigen Bemühungen für die Menschen im Unternehmen auch konkret zu spüren und zu erleben seien. Unternehmen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sich das vermitteln lässt. Dies verändere den Bereich Human Resources deutlich.
Eine Messgröße dabei: Verstehen Mitarbeitende die Strategie, handeln sie danach – und übernehmen sie diese Haltung in die Arbeitsabläufe? Soziale Nachhaltigkeit sei kein Gut-Wetter-Thema mehr. Vielmehr müssten HR-Verantwortliche verinnerlichen, dass sie in einem neuen Ökosystem aus Investoren und regulatorischen Anforderungen agieren müssen, so Harriet Sebald.
Purpose als entscheidender Faktor
Die Unternehmensattraktivität für Bewerbende werde künftig über einen – wenn nicht DEN – zentralen Erfolgsfaktor definiert: Unternehmenszweck und Nachhaltigkeit, führte Jörg Rocholl (Präsident der ESMT Berlin und acatech Mitglied) ins Feld. Treiber dieser Entwicklung sei die Beschäftigtenseite. Die soziale Verantwortung von Unternehmen sei am Standort, insbesondere in Familienunternehmen, im internationalen Vergleich sehr stark ausgeprägt. Historisch betrachtet geht dies zurück bis in die Industrialisierung mit Errungenschaften wie Mindestlohn oder Arbeitsschutz.
Heute treten an diese Stelle Themen wie Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten. Was für Unternehmen im Kontext Sozialer Nachhaltigkeit letztlich wirklich relevant sei, sollte jedoch nicht von übertriebenen Reportingvorschriften überlagert werden, gab Jörg Rocholl zu bedenken.
Integriert, relevant und glaubwürdig erfolgreich
Wie gelingt nun Unternehmen der Sprung von der Pflichterfüllung zu mehr Relevanz für alle Stakeholder? Henning Kagermann und Frank Riemensperger zogen ein Resümee zu den Kernpunkten der Diskussion. Soziale Nachhaltigkeit, das zeigte die Debatte deutlich, muss integriert und authentisch gedacht werden: Angefangen bei der Verzahnung von Unternehmens- und HR-Strategie über die Implementierung sozialer Faktoren an allen Punkten des Employee Lifecycles bis hin zur gemeinsamen Verantwortung von Arbeitgebern und Beschäftigten. Dazu zählt, Leistungsbereitschaft und Wertschätzung der Arbeit als Basis für Soziale Nachhaltigkeit miteinander zu verbinden. Welche Best Practices dabei orientieren und als Blaupause dienen können – das wird der HR-Kreis kontinuierlich nachfassen.
Mitschnitt der Debatte
Über die Debattenreihe Fit for Future Work
Wie gute Zusammenarbeit funktionieren kann und wie die Digitalisierung vom Schreckgespenst und mutmaßlichen Jobkiller zur Chance für gute Arbeit werden kann, bringen aktuelle Impulse des HR-Kreises auf den Punkt. In seiner Debattenreihe „Fit for Future Work“ stellt der HR-Kreis seine Thesen öffentlich zur Diskussion. Aktuelles und Positionen rund um die Debattenreihe in den sozialen Medien:
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