Technikkommunikation für die Zukunft: Die Lernwerkstatt von acatech und WiD als Informations- und Austauschbörse

München, 13. November 2024
Der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft über neue Technologien ist aktuell wichtiger denn je. Immer stärker wird von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erwartet, dass sie ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und ihre Forschung klar und verständlich kommunizieren – und auf der anderen Seiten sollen sie mehr zuhören, wo die Bedürfnisse und Interessen der Bürgerinnen und Bürger liegen. Die Lernwerkstatt Technikkommunikation von acatech und Wissenschaft im Dialog (WiD) ist seit zehn Jahren ein zentrales Forum, um über diese Herausforderungen zu sprechen. Auch in diesem Herbst sind wieder junge Talente aus den Technik-, Kommunikations- und Sozialwissenschaften an drei Tagen in München zusammengekommen, um Vorträge zu verfolgen, sich auszutauschen und Ideen zu entwickeln.
Wissenschaftskommunikation – die sozialwissenschaftliche Perspektive
Nach der Einführung durch Benedikt Fecher, Geschäftsführer von WiD, und Marc-Denis Weitze, Leiter Kommunikation | Gesellschaft & Dialog bei acatech, erläuterte acatech Mitglied Cordula Kropp am ersten Tag der Veranstaltung die sozialwissenschaftliche Perspektive auf Technik- und Wissenschaftskommunikation. Sie forderte eine Demokratisierung der Technikentwicklung und Techniknutzung. Anhand des Themas Robotik zeigte sie zwei Facetten der öffentlichen Berichterstattung und Kommunikation: Im öffentlichen Diskurs würden Roboter häufig vermenschlicht und verniedlicht oder als besonders riskant dargestellt, während fachliche Darstellungen technisch und detailliert erfolgten. Aufgabe der Technikkommunikation sei es jedoch nicht, Vertrauen und Akzeptanz um jeden Preis zu schaffen, sondern die Technikeinordnung und -bewertung zu unterstützen und sicherzustellen, dass Technik allen Menschen nützt.

Science Center als Orte der Wissenschaftskommunikation
Wie wirkt ein Besuch im Technikmuseum und Science Center? Was bringt dieses (Lern)Erlebnis? Eine Frage, die Christian Sichau, Bereichsleiter Ausstellungen der experimenta in Heilbronn, und sein Team immer von Neuem beschäftigt. Wie ein Museumsbesuch erlebt wird, welches Wissen hängenbleibt, hänge allerdings stark von individuellen, sozialen oder physischen Faktoren ab – Faktoren, die nicht direkt von den Ausstellungsmachern beeinflusst werden können. Klar sei jedoch: Je besser eine Ausstellung auf die adressierte Zielgruppe zugeschnitten ist, desto größer der Mehrwert für diese Gruppe.
Science of SciCom
Wissenschaftskommunikationsforschung aus der Sicht eines Wissenschaftsforschers – darauf fokussierte Benedikt Fecher, Geschäftsführer WiD, in seinem Beitrag. Anhand empirischer Analysen führte er aus, wie sich die Grenzen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit immer wieder verschieben und durchlässiger werden. Durch die Untersuchung dreier Bezugsebenen – der Sach-, der Sozial- und der Infrastrukturebene – lasse sich das Verschwimmen dieser Grenzen am besten beobachten. Wissenschaft beschäftige sich beispielsweise zunehmend auch mit nicht-wissenschaftlichen Fragestellungen – die Sachebene verschiebt sich. Auf der Sozialebene ist zu beobachten, dass Forschende ihren Wirkungsanspruch zunehmend außerhalb der Wissenschaft verorten – während sich die Verschiebung auf Infrastrukturebene auf den Umstand bezieht, dass Forschung zunehmend von nicht-wissenschaftlichen Infrastrukturen (bspw. durch die Nutzung von Plattformen) abhängig ist. In einer anschließenden Übung diskutierten die Teilnehmenden die These: „Medienauftritte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stärken die Wissenschaft als Ganzes“.
Exkursion Fraunhofer Gesellschaft
Am Abend besuchten die Teilnehmerinnen die Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) in München. Nachdem Monika Landgraf, Direktorin Unternehmenskommunikation und Sprecherin des Präsidenten einen Überblick über die Kommunikationsstrategie ihrer Organisation gegeben hatte, übernahm Ann-Kathrin Lindemann und führte durch den Abend. Unter Anleitung von Josef Seitz, Chefredakteur des Fraunhofer-Magazins, und Thomas Röll, Projektleitung Mitarbeiterzeitung, ging es um Printformate als wichtiges Kommunikationsmittel bei Fraunhofer. Insbesondere ging es um ansprechende und in Erinnerung bleibende Titel – denn an Überschriften wie „Wir sind Papst“ erinnern sich noch heute viele. Dazu bekamen die Teilnehmenden die Aufgabe, eine möglichst ansprechende Überschrift für einen Magazinartikel zum Thema Wasser zu finden – und die Ideen sprudelten nur so heraus: „Innovationsquellen versiegen nicht“, „Mehrwasser: Quellen der Innovation“ oder „Ein Wasser-Fall: Sitzen wir bald auf dem Trockenen?“, um nur ein paar Vorschläge zu nennen. Bei Getränken und Imbiss tauschten sich die Teilnehmenden noch mit weiteren Mitgliedern der Fraunhofer Kommunikationsabteilung zu Erfahrungen und Arbeitsalltag aus.

Speakers‘ Corner
Der zweite Tag begann mit einem Erfahrungsaustausch im Format „Speakers‘ Corner“, in dem die Teilnehmenden Projekte und Erfahrungen aus der eigenen Arbeit vorstellten und über Ziele, Herausforderungen, Erfolge und Misserfolge sprachen. Diskutiert wurde, wie und ob eine Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern dabei hilft, abstrakte Technologien, etwa Quantentechnologien, anschaulicher zu kommunizieren. Außerdem wurde die Frage beleuchtet, wie Unternehmen neue Technologien so einführen können, dass Mitarbeitende neue Fähigkeiten bereitwillig erlernen und davon bestmöglichprofitieren. Zudem wurde die Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als strategische Botschafter ihrer eigenen Organisationen besprochen.
Institutionelle Wissenschaftskommunikation
Lioba Suchenwirth, Pressebeauftragte am Institut für Robotik und Mechatronik des DLR, berichtete aus der Öffentlichkeitsarbeit ihres Instituts. Ziel sei es, Impact durch die öffentlich finanzierte Arbeit zu erzielen, wobei unterschiedliche Werkzeuge je nach Zielgruppe zur Verfügung stehen: Für Wissenschaft und Wirtschaft werden Publikationen, Patente und Ausgründungen genutzt; um der Gesellschaft einen Mehrwert zu bieten wird setzt man auf Pressearbeit und Social Media und bei der Kommunikation in Richtung Politik kommen Netzwerkarbeit und Whitepaper zum Einsatz. Besonders die Kommunikation über Robotik an der Grenze zwischen Utopie und Dystopie, etwa in der Pflege, sei herausfordernd, so Lioba Suchenwirth. Dabei sei die Zusammenarbeit mit Zielgruppen und Organisationen (z.B. Caritas, oder auf Pflege spezialisierte Hochschulen) sowie die Einbeziehung von Ethikerinnen und Ethikern entscheidend.
Hochschulkommunikation
Im Anschluss teilte Julia Wandt, bisheriges Mitglied der Universitätsleitung der Universität Freiburg und ehemalige Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation, ihre Erfahrungen in der Hochschul- und Wissenschaftskommunikation. Dabei beschrieb sie die zunehmende Bedeutung und Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation, die sich heute auch zu einem obligatorischen Element vieler Forschungsanträge entwickelt hat. Anhand von Beispielen aus Medienarbeit, politischer Kommunikation und Krisenkommunikation gab Julia Wandt einen detaillierten Überblick, welche Aspekte in diesen Bereichen fokussiert werden und wie unübersichtliche Lagen beherrschbar bleiben können. Am Beispiel der Kommunikation zu einem Bluttest für Brustkrebsfrüherkennung (Universitätsklinikum Heidelberg) sowie am Beispiel einer Presseinformation zum „Ursprung des Coronavirus“ (Universität Hamburg) diskutierte sie mit den Teilnehmenden, wie in den Kommunikationsabteilungen jeweils mit den Themen umgegangen wurde.
Wissenschaftskommunikation – Perspektive eines Ministeriums
In einem Gespräch mit Vertreterinnen des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (StMWK) wurden anschließend Ziele, Herausforderungen und Zielgruppen der Wissenschaftskommunikation thematisiert. Die StMWK-Referentinnen Gabriele Christ-Devlin und Andrea Lettner berichteten zum Spannungsfeld von Wissenschaftskommunikation und Forschungsmarketing und darüber, wie das Ministerium auf diesem Gebiet aktiv ist. Derzeit gehe es insbesondere darum, in Bayern vorhandene Aktivitäten zu bündeln, zu vernetzen und sichtbar zu machen.
Am Abend des zweiten Tages fand das öffentliche Dialogformat „acatech am Dienstag“ statt, bei dem ein hochkarätig besetztes Podium über wissenschaftsbasierte Politikberatung diskutierte.
Politik- und Gesellschaftsberatung
Zu Beginn des letzten Tages stellte acatech Präsident Jan Wörner anhand von Projekten wie ESYS, H2-Kompass, Kernfusion und der Innovationsplattform Bayern die Arbeit der Akademie zur Politikberatung vor. Zentral in den Projekten sei dabei die Arbeit in interdisziplinären Arbeitsgruppen aus Wissenschaft und Wirtschaft, welche u.a. auf Basis von Recherchen und Expertinnen- und Experten-Interviews Handlungsoptionen ableiten und mitunter auch konkrete Empfehlungen aussprechen. Im anschließenden Gespräch diskutierten die Teilnehmerinnen mit Jan Wörner zur Unabhängigkeit wissenschaftsbasierter Politikberatung sowie zu strategischen Themenfindungsprozessen.

Workshop Wissenschaftskommunikation
Den Abschluss bildete ein Workshop zu Wissenschaftskommunikation und Impact, moderiert von Michael Wingens, WiD. Als effektiver Weg für die Wissenschaftskommunikation gilt der direkte Austausch zwischen Forschenden und Zielgruppen. Besonders gestärkt wird die Wirkung, wenn beide Gruppen produktiv zusammenarbeiten und ein echter Austausch stattfindet. Michael Wingens beschrieb dabei das schrittweise Vorgehen, um gezielt einen erwünschten Impact entsprechend einer formulierten Gesellschaftsvision vorzubereiten: Ressourcen zur Projektumsetzung, konkretes Kommunikationsvorhaben, gewünschte Wirkungen bei der Zielgruppe und auf gesellschaftlicher Ebene. In Übungen entwickelten die Teilnehmerinnen ihre gesellschaftlichen Visionen und darauf abgestimmte Impact-Ziele.
Ausblick: Lernwerkstatt Technikkommunikation 2025
Die Lernwerkstatt Technikkommunikation bot den Teilnehmerinnen auch in diesem Jahr eine Plattform zum Austausch über aktuelle Herausforderungen und Chancen der Wissenschaftskommunikation. Im Herbst 2025 soll die nächste Lernwerkstatt Technikkommunikation stattfinden und erneut Young Talents aus verschiedenen Disziplinen zusammenbringen, um gemeinsam an praxisnahen Konzepten und Methoden zur effektiven Vermittlung von Technik- und Wissenschaftsthemen zu arbeiten. Im Fokus stehen die fortschreitende Digitalisierung und die gesellschaftliche Relevanz neuer Technologien – Themen, die auch in Zukunft eine zielgerichtete und transparente Kommunikation erfordern.