Nun brauchen wir mutige Entscheidungen

7. März 2025
Der Wahlkampf war im wesentlichen geprägt von zwei Themen: Migration und Wirtschaft. Es ist offensichtlich, dass tatsächlich eine Reihe weiterer Herausforderungen vor uns liegen, die von der Gesellschaft angegangen werden müssen, wie beispielsweise (ohne Rangordnung):
- Klimawandel
- Energieversorgung
- Ressourcenverknappung
- Resiliente Wertschöpfungs- und Lieferketten
- Demographische Entwicklung
- Gesundheit und Ernährung
- Katastrophen und Konflikte
Eine Verengung auf wenige Themen ist allenfalls im Wahlkampf nachvollziehbar, die politische Wirklichkeit muss hier umfassend agieren. Bei der Migration ging es über weite Strecken nur darum, wer striktere Vorschläge formuliert, Migration einzudämmen.
Ich war jüngst im Krankenhaus und war sehr dankbar für die Behandlung und die Pflege, die ich dort erfahren durfte. Wenn ich alle medizinischen Fach- und Pflegekräfte, die aus dem Ausland kamen, wegdenke, dann wäre ich nicht nur allein, sondern auch sehr arm dran gewesen.
Ich sehe diese hektische Sorge um den Zustand Deutschlands nicht. Wir sind alle Ausländer, fast überall. Egal was selbsternannte Statistiker mir jetzt vorhalten wollen bezüglich der Verteilung von Aggressivität und Nationalität…meiner Erfahrung entspricht es nicht, dass Menschen, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, aggressivere Menschen sind. Ich wurde bisher zweimal unvermittelt niedergeschlagen …in beiden Fällen von deutschen Staatsbürgern. Statt einer Hetzkampagne sollten wir uns alle bemühen, Zusammenarbeit im Kleinen wie im Großen zu realisieren.
Bei der Frage der wirtschaftlichen Situation prägen ähnliche Verkürzungen die politische Auseinandersetzung: Auch hier werden einfache Rezepte wie „Steuersenkung“ und „Bürokratieabbau“ lauthals vorgeschlagen, ohne dass deren Wirkung wirklich nachgewiesenermaßen zu nachhaltigen Verbesserungen führt.
Viel zu kurz kommt eine nachhaltige Lösung: Mehr Innovation. Innovationen stehen am Ende einer Kette von Forschung, Erfindungen und Invention und sind erst dann wertvoll, wenn sie von den Menschen angenommen werden und am Markt erfolgreich sind. Es sollte uns sehr bedenklich machen, wenn wir erfahren, dass Firmen ihre Produktion ins Ausland, zumeist sogar ins außereuropäische Ausland verlagern, während die Verwaltung in Deutschland bleibt.
Für die Absicherung von Wohlstand brauchen wir als Industriestandort Produktion. Im globalen Wettbewerb kann angesichts der vergleichsweisen hohen Lohnkosten ein Wettbewerbsvorteil nur durch bessere Produkte und eine effiziente und flexible Produktion erreicht werden. Abschottung mit Zöllen, wie Präsident Trump es umsetzen will, ist keine langfristige Strategie. Kurzfristig zwingen sie vielleicht einige Unternehmen, Produktion ins Land zu verlagern. Langfristig jedoch führen Zölle zu höheren Preisen, zu Gegenzöllen oder gar Handelskriegen und insgesamt zu Wettbewerbsnachteilen – auf die schlimmstenfalls mit noch höheren Zöllen reagiert würde.
Die verschiedenen Institutionen von Grundlagenforschungseinrichtungen, Hochschulen, Entwicklungsinstitutionen und Wirtschaft sind aufgefordert eine nahtlose Innovationkette oder noch besser ein nahtloses Innovationsnetz zu etablieren: Kritische Abhängigkeiten, die wir etwa in der Chipkrise zu spüren bekommen haben, lassen sich am besten durch eigene Kompetenzen und durch alternative Verknüpfungen reduzieren. Vertrauen untereinander spielt dafür eine zentrale Rolle.
Trump lehrt uns derzeit wider Willen, was zu tun ist: Strategische Souveränität, d.h. die Fähigkeit zu entscheiden, was wir mit wem machen, national, europäisch und international.
Dazu gehört natürlich auch der Aufbau von Kompetenzen in zentralen Punkten, etwa in der Verteidigungsfähigkeit. Auch in der Raumfahrt wachen plötzlich einige auf und stellen fest, dass wir keine europäische Möglichkeit des unabhängigen Transports von Astronauten haben, sondern fast vollständig von USA und Elon Musk abhängig sind.
Vor fast 20 Jahren hatte ich gemeinsam mit Staatssekretär Peter Hintze vorgeschlagen, die Ariane 5 schrittweise weiterzuentwickeln. Anders als die Ariane 6 war die Ariane 5 ursprünglich für astronautischen Transport vorgesehen. Es ging uns darum, eine Redundanz zu sichern, also um eine zusätzliche Möglichkeit, Astronauten zu transportieren. Wir wurden heftig angegriffen, teils mit sehr unlauteren Mitteln.
Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, und dann wird es manchmal sehr schwer. Die letzten 20 Jahre hätten wir nutzen können, mit sehr begrenzten Mitteln ein entsprechendes europäisches Programm aufzulegen. Jetzt wird sehr teuer und sehr langwierig.
Um ähnliche Fehler zu vermeiden, bedarf es jetzt mutiger Entscheidungen in vielen Bereichen, beispielsweise in der Quantentechnologie und der Kernfusion. Die Positionierung Deutschlands und Europas in strategisch wichtigen Zukunftstechnologien darf sich nicht an Legislaturperioden orientieren. Die meisten bahnbrechenden Entwicklungen haben sehr viel länger gebraucht von der Invention zur Innovation. Dabei muss auch die künstliche Unterscheidung zwischen ziviler und militärischer Nutzung überwunden werden: Solange wir gemeinsam für Frieden und Freiheit agieren wollen, können und sollen sich zivile und militärische Innovation wechselseitig stärken.