Sichere Nahrungsversorgung mit weniger Pestiziden
München, 15. Mai 2023
Pflanzenschädlinge und -krankheiten zerstören bis zu 40 Prozent der jährlichen Ernte. Für die Verbreitung von Schadorganismen ist der Mensch durch Reise- und Handelsaktivitäten mitverantwortlich. Was ist also zu tun, um die Pflanzengesundheit zu bewahren und Nahrungsmittelversorgung zu sichern? Diese Frage stand im Zentrum bei acatech am Dienstag am 9. Mai, das in Kooperation mit der Katholischen Akademie in Bayern und dem Deutschen Museum stattfand.
Vor der Podiumsdiskussion, die diesmal in Präsenz im Auditorium des Deutschen Museums in München stattfand und live auf YouTube gestreamt wurde, führte Sabine Gerber-Hirt (Deutsches Museum) durch die von ihr kuratierte Ausstellung „Landwirtschaft und Ernährung“.
In der Einführung in die Abendveranstaltung ging sie auf das Konzept und die Herangehensweise der Ausstellung ein: Welche Anforderungen werden heute an die Landwirtschaft gestellt, wie kann Landwirtschaft nachhaltig betrieben werden und dabei ein angemessenes Einkommen für die Landwirtinnen und Landwirte bereitstellen? Entlang dieser Fragen habe man die Ausstellung entwickelt – nun habe alle Besucher die Möglichkeit, diese Fragen für sich selbst zu beantworten, so Sabine Gerber-Hirth.
Bernhard Bleyer, Lehrstuhl für Theologische Ethik an der Universität Passau, moderierte die Veranstaltung. Pflanzengesundheit, betonte er in der Begrüßung, sei ein wichtiger Schlüssel für die Landwirtschaft, um die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung zu sichern. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) habe eigens den „Tag der Pflanzengesundheit“ (12. Mai) ins Leben gerufen, um auf die Bedeutung gesunder Pflanzen für Umweltschutz und Biodiversität aufmerksam zu machen.
Zur Videoaufzeichnung der Veranstaltung:
Dauer: 1 Stunde 33 Minuten und 5 Sekunden
Im nachfolgenden Impuls zeigte Bernhard C. Schäfer, Leiter des Fachinstituts für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit am Julius-Kühn-Institut in Braunschweig, die Folgen eingeschleppter Schadorganismen am Beispiel der Kraut- und Knollenfäule auf. Im 19. Jahrhundert wurde diese aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt und führte insbesondere in Irland zu großen Ernteausfällen, Hungersnöten und einem bis heute nachwirkenden Rückgang der Bevölkerung. Daher sei es von großer Bedeutung die Pflanzengesundheit sicherzustellen, was im bedeute, Pflanzenbestände durch Quarantäne- und Qualitätsmaßnahmen frei von Schadorganismen zu halten. Es gehe also in erster Linie um Maßnahmen, die – in Abgrenzung zum Pflanzenschutz – präventiv greifen. Auch heute gelte es, schnell und wirksam sowie europäisch abgestimmt zu handeln, um neue Einschleppungen, wie die Feuerbakterien oder den Asiatischen Laubholzbockkäfer zurückzudrängen. Bei letzterem waren die ergriffenen Maßnahmen bereits sehr erfolgreich, so dass dessen Verbreitung deutlich reduziert werden konnte, berichtete Bernhard C. Schäfer. Abschließend appellierte er, dass alle einen Beitrag leisten können: Durch den Verzicht auf pflanzliche Reisesouvenirs aus dem Nicht-EU-Ausland, durch das Entfernen invasiver Pflanzen oder durch das Melden von Beobachtungen von Quarantäneschadorganismen.
Auch Pflanzen verfügen über ein Immunsystem, welches dem angeborenen Immunsystem des Menschen grundsätzlich sehr ähnelt. Mit dieser Information sorgte Ralph Hückelhoven, Leitung Lehrstuhl für Phytopathologie an der Technischen Universität München, zunächst für Erstaunen bei den Anwesenden. In seinem Statement führte er weiter aus, welche vorbeugenden züchterischen Maßnahmen getroffen werden können, um den sich sehr schnell anpassenden Pathogenen – also Mikroorganismen oder Viren, die Erkrankungen auslösen können – entgegenzutreten. Synthetisch-chemische Pestizide sollten dabei erst als letzte Maßnahme zum Einsatz kommen. Vielmehrsolle man zunächst die Möglichkeiten der biologischen Pflanzenabwehr ausschöpfen.
Anja Klatt, Senior Manager Public & Government Affairs, Agricultural Solutions bei der BASF SE, verwies auf den wichtigen Beitrag der Forschung für die Lösung der mit den eingeschleppten Schadorganismen einhergehenden Probleme. Die BASF SE setzt hier nicht mehr überwiegend auf den Einsatz chemischer Mittel, sondern erforscht verstärkt den biologischen Pflanzenschutz, die Sortenentwicklung mit Resistenzen sowie einen verstärkten Einsatz digitalisierter Prozesse. Denn politisch und gesellschaftlich besteht der Konsens, den Einsatz von Pestiziden deutlich zu reduzieren, wie es auch der European Green Deal formuliert. Dabei sei es aber entscheidend, auch wirksame Alternativen bereitzustellen, um eine nachhaltige Versorgung sicherzustellen und mögliche Risiken abzuschätzen, so Anja Klatt.
In der abschließenden Diskussionsrunde beschäftigte die rund 100 Zuschauer (im Museum bzw. online) insbesondere Fragen zu den europäischen Bestrebungen, den Pflanzenschutz zu reformieren sowie die Vielfalt an möglichen Lösungswegen, welche nicht grundsätzlich im Voraus eingeengt werden sollten.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des Flower Power Festival München statt.