Smart Farming: mit Digitaltechnik Landwirtschaft nachhaltig gestalten
München, 30. April 2021
Wie sieht nachhaltige Landwirtschaft aus? Neben ökologischer Ausgewogenheit bedeutet Nachhaltigkeit auch ökonomische Tragfähigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz, die mit sozialer Verträglichkeit einhergeht. Die Zielkonflikte, die sich aus den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ergeben und in der acatech HORIZONTE „Nachhaltige Landwirtschaft“ ausführlich erklärt werden, lassen sich mit Hilfe der Digitalisierung zumindest teilweise lösen. Wie intelligent Land heute schon bewirtschaftet wird, woran Forscher gerade arbeiten und wo die größten digitalen Hebel für eine nachhaltige Zukunft der Landwirtschaft liegen, diskutierte Agrarwissenschaftler Hans-Georg Frede am 20. April im Rahmen eines acatech am Dienstag in Kooperation mit der VHS München.
Überdüngung, Pestizideinsatz, Monokulturen, Bodenverdichtung, Rückgang der Artenvielfalt – das ist nur eine Auswahl der Konsequenzen des intensiven, ertragsorientierten konventionellen Ackerbaus. Die Digitalisierung kann hier Abhilfe leisten. Wie? Digitaltechnik ermöglicht es Landwirtinnen und Landwirten, ökologisch ausgewogen und dennoch ökonomisch tragfähig zu wirtschaften. Nicht der Ertrag steht im Mittelpunkt, sondern der effiziente Ressourceneinsatz. Wer weniger Betriebsmittel einsetzen muss, kann die Betriebskosten senken und so zum Beispiel trotz der niedrigeren Erträge der ökologischen Landwirtschaft einen wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb führen.
Bereits heute leisten Automatisierung, Robotik und intelligente Algorithmen wertvolle Beiträge, zum Beispiel im Bereich Precision Agriculture, also Präzisionslandwirtschaft, berichtete Hans-Georg Frede bei acatech am Dienstag am 20. April. Dank GPS-Steuerung bleiben Fahrzeuge „in der Spur“ und können beispielsweise Düngemittel präzise ausbringen. Das belastet die Böden weniger und vermeidet die Verschwendung von Düngemitteln. GPS schafft auch die Voraussetzung für eine genaue Landvermessung – und zwar entsprechend der Bodenqualität. Messtechnik in Mähdreschern ermittelt den Ernteertrag für Teilflächen eines Feldes, der Landwirtinnen und Landwirten wiederum bei der Entscheidung unterstützt, wo sich Düngung lohnt und welche Flächen vielleicht anders besser genutzt werden können. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich durch eine differenzierte Betrachtung der Teilflächen in Kombination mit intelligenter Spritztechnik erhebliche Mengen an Düngemittel einsparen und damit letztlich nicht nur der Eintrag in die Umwelt, sondern auch die Betriebsausgaben verringern lassen.
Renaissance der Unkrautharke
Mithilfe von Robotern ist sogar der „Fortschritt durch Rückschritt“ möglich. Nicht mehr große, von einem Menschen gesteuerte Spritzen bringen Pflanzenschutzmittel aus, sondern viele kleine präzise navigierte Feldroboter jäten physisch Unkraut, das sie zielsicher dank Ultraschallsensoren von Nutzpflanzen unterscheiden können. Noch relativ neu ist der Einsatz von Drohnen bei der Schädlingsbekämpfung. Sie können beispielsweise gezielt Nützlinge auf Feldern ausbringen. Mit dem Einsatz von Robotern wird nicht nur die konventionelle Landwirtschaft ökologischer und durch geringeren Personaleinsatz effizienter. Damit lässt sich auch der Bioanbau zumindest teilweise automatisieren und folglich wirtschaftlicher gestalten.
Forderungen für den Erfolg
Grundlage sind digitale Plattformen, die Daten und Auswertungsdienste bereitstellen und die Kommunikation zwischen einzelnen Robotern oder Maschinen im Sinne einer Schwarmintelligenz ermöglichen. Den Zugang zu diesen Plattformen sichert eine flächendeckende digitale Infrastruktur, die aktuell aber noch fehle, wie Hans-Georg Frede erklärte. Der Agrarexperte forderte darüber hinaus eine engere Abstimmung zwischen Herstellern. Sie müssten technologische Hürden abbauen und Schnittstellen schaffen, um der Digitalisierung in der Landwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Die Forschung müsse an neuen Technologien arbeiten und deren Zuverlässigkeit steigern, während die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffen müsse, zum Beispiel bei Datenschutz und -sicherheit oder dem Luftverkehr für den Drohneneinsatz. Neue Technologien erforderten aber auch Anpassungen in der Ausbildung und entsprechende Beratungsangebote, um den Einstieg für Landwirtinnen und Landwirte so einfach und erfolgreich wie möglich zu gestalten.
Digitalisierung ist nur ein Baustein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft
Digitalisierung leistet einen erheblichen Beitrag zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, aber sie ist nicht die alleinige Lösung, wie auch in der abschließenden Diskussion mit dem Publikum deutlich wurde. Auf die Frage nach dem konkreten Beitrag der Landwirtschaft zum Umweltschutz könne laut Hans-Georg Frede die Verringerung des Stickstoffeinsatz beispielsweise ein entscheidender Hebel sein. Allerdings komme hier auch Verbraucherinnen und Verbrauchern eine entscheidende Rolle zu. Sie hätten mit ihrem Konsumverhalten zum Beispiel Einfluss auf die Art der Tierhaltung und den Tierbestand – mit Auswirkungen auf Futtermittelanbau oder -importe, Gülleproduktion und Gasemissionen.
Auch ist Digitalisierung mit finanziellem Aufwand verbunden und die entsprechenden Investitionen rechnen sich oft für einzelne Betriebe nicht. Kooperationen rücken damit ins Zentrum der Überlegungen, was bei einigen Diskussionsteilnehmenden aber auch Bedenken schürte, zum Beispiel mit Blick auf Zentralisierungstendenzen und Datenschutzprobleme. Wie hoch die jeweiligen Einsparungen bei den Betriebskosten tatsächlich sind, lasse sich laut Hans-Georg Frede an einzelnen Beispielen nachvollziehen. Hier fehlten allerdings noch entsprechende groß angelegte Studien als solide Entscheidungsbasis für Landwirtinnen und Landwirte.