TechnikRadar-Vorstellung in München: Wie technikoffen sind die Deutschen?

München, 25. Juni 2024
Die Technikeinstellungen der Deutschen haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Das zeigt das TechnikRadar 2024 von acatech und Körber-Stiftung. Wie dieser Befund interpretiert werden kann und was er für eine Bedeutung für den Innovationsstandort Deutschland hat, darüber diskutierten Expertinnen und Experten bei der Vorstellung der Studie am 11. Juni im Amerikahaus in München.
Unter dem Eindruck der Europawahl-Ergebnisse präsentierten acatech und die Körber-Stiftung am 11. Juni im Amerikahaus in München das TechnikRadar 2024. Für die diesjährige Ausgabe der Studie waren die bisherigen Repräsentativumfragen von 2017, 2019, 2021 und 2022 vergleichend ausgewertet worden. Verantwortlich für die Durchführung zeichnete wie schon in den vergangenen Jahren acatech Mitglied Cordula Kropp vom ZIRIUS – Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart. Sie übernahm – nachdem Matthias Mayer von der Körber-Stiftung und acatech Präsident Jan Wörner die rund 70 anwesenden Gäste begrüßt hatten – auch den ersten Programmpunkt des Abends und stellte zentrale Befunde der Studie vor.
Die Ergebnisse im Überblick sowie eine interaktive Datenvisualisierung gibt es auf der Ergebnisseite zum TechnikRadar 2024.
Dabei hob Cordula Kropp unter anderem hervor, dass sich ältere und jüngere Deutsche – ähnlich wie es die Ergebnisse der Europawahl vermuten lassen – über die Jahre bei bestimmten Themen voneinander entfernt haben. Die Generation 65plus teilt beispielsweise laut der jüngsten Befragung eher die Befürchtung, dass Technik ihre Freiheit einschränken könnte. Bei der Aussage „Je weiter sich die Technik entwickelt, desto mehr Zwänge wirken auf den Menschen“ erreicht die Zustimmung der älteren Altersgruppe auf einer Skala von 0 (volle Ablehnung) bis 10 (volle Zustimmung) einen Wert von 7,0. Die 16 bis 34-Jährigen weisen mit 5,7 im Vergleich mit allen anderen untersuchten Gruppen den niedrigsten Wert auf. Zudem trifft die Aussage, dass der Erhalt einer intakten Umwelt erfordert, dass alle ihren Konsum reduzieren, bei den 16 bis 34-Jährigen zuletzt auf vergleichsweise wenig Einverständnis – mit einem Durchschnittswert von 6,8 auf einer Skala von 0 (volle Ablehnung) bis 10 (volle Zustimmung). Die Altersgruppe der über 65-Jährigen stimmt mit einem Wert von 7,9 deutlich stärker zu. Die sogenannte Fridays for Future-Generation nehme den Umweltschutz inzwischen scheinbar gar nicht mehr so wichtig, schloss Cordula Kropp ihren Vortrag.

In der folgenden Podiumsdiskussion, an der neben Cordula Kropp auch Martin Bauer (acatech Mitglied, London School of Economics and Political Science), Manuel Frondel (RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung), Bita Fesidis (VDI – Verein Deutscher Ingenieure e.V.) und Moderatorin Eva-Maria Jakobs (acatech Mitglied, RWTH Aachen University) teilnahmen, wurde auf die Ergebnisse eingegangen und nach den Ursachen für den Wandel der Technikeinstellungen gesucht. Dass die Krisen der zurückliegenden Jahre ihren Anteil daran hatten, wie sich diese Einstellungen über die Zeit verändert haben, darin herrschte Einigkeit. Nach einer Phase, in der eine große Sorge um die Klimaerwärmung die Priorisierung der Zukunftsaufgaben beeinflusst habe, ist nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Anfang 2022 das Interesse an diesem Thema wieder gesunken – zugunsten der Zukunftsaufgabe „Innere Sicherheit“, die laut der letzten Erhebung im Jahr 2022 nun wieder auf Platz 2 rangiert, hinter dem Dauerspitzenreiter „Sicherung der Arbeitsplätze“.
O-Töne aus der Podiumsdiskussion I
Mich besorgt das niedrige Niveau bei der Zustimmung zur Aussage ‘Die technische Entwicklung wird dazu führen, dass nachfolgende Generationen eine höhere Lebensqualität haben werden.‘ Technologie ist aus meiner Sicht der entscheidende Faktor für den Wohlstand, in dem wir aktuell leben. Das gerät anscheinend immer mehr in Vergessenheit.
Manuel Frondel (RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung)
Wir dürfen uns als Innovationsstandort nicht auf den Stärken, die wir in der Vergangenheit hatten, ausruhen. Daher ist es wichtig, Schlüsselbranchen und -technologien zu identifizieren, die perspektivisch Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Und in diesen Bereichen gezielt zu investieren.
Bita Fesidis (VDI – Verein Deutscher Ingenieure e.V.)
Um den Fortschritt zu garantieren, braucht man eine Debatte. Debatten haben einerseits den Effekt, dass sie Wissen verbreiten und Menschen mobilisieren, sich mit einem Thema zu beschäftigen. Andererseits wird durch sie deutlich, dass es Optionen gibt und sich nicht alles zwangsläufig in eine Richtung entwickelt. Die TechnikRadar-Daten zeigen aber, dass sich in Bezug auf Technik eine gewisse Partizipationsmüdigkeit in der Bevölkerung einstellt und die Lust an der Debatte schwindet. Das ist aus meiner Sicht nicht gut.
Martin Bauer (acatech Mitglied, London School of Economics and Political Science)
Ein Videobotschaft von Kai Gehring, Mitglied des Bundestags und dort Vorsitzender des Forschungsausschusses, leitete die zweite Podiumsdiskussion des Abends ein. Das Thema: Partizipation und Kommunikation. acatech Präsident Jan Wörner ging darin eingangs auf die Begrifflichkeiten ein, mit denen in Deutschland versucht werde, gute Technikkommunikation mit der Bevölkerung zu betreiben. „‘Akzeptanz‘, ‚Abholen‘, ‚Mitnehmen‘ – das sind die Begriffe, die wir in diesem Zusammenhang immer noch nutzen. Doch alle drei implizieren Passivität: ‚Mitnehmen‘, das klingt beispielsweise so, als würden die Menschen im Auto hinten auf der Rückbank sitzen und das Ziel der Fahrt nicht kennen. Wir müssen unsere Sprache, aber auch die damit verbundenen Konzepte dringend ändern“, so Jan Wörner.

Darüber hinaus, auch darin war man sich in der Runde weitestgehend einig, müsse man den Wissenschaftsjournalismus weiter stärken. Nach wie vor, so brachte es Volker Stollorz vom Science Media Center in die Diskussion ein, gebe es in den Redaktionen großer Medienhäuser zu wenige ausgebildete Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten, die Forschung und Forschungsdiskurse anschaulich und ausgewogen einordnen und erklären könnten. Ein Verstehen der Möglichkeiten und Grenzen technischer Innovationen sei ohne medial vermitteltes Wissen jedoch nicht möglich, das bestätigten auch die beiden Mitdiskutierenden Gaby Christ-Devlin (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst) und Karen Köhler (Bayer AG).
O-Töne aus der Podiumsdiskussion II
Durch die Digitalisierung hat sich die Topologie der Kommunikation komplett verändert. Die sogenannte ‚many-to-many-Kommunikation‘ macht es möglich: Alle können senden, teilweise mit riesiger Reichweite. Das sorgt aber auch dafür, dass sich ungeprüfte oder falsche Informationen schnell und weit verbreiten. Das ist gefährlich für die Debatten, die wir führen.
Volker Stollorz (Science Media Center)
Der von Herrn Staatsminister Blume angekündigte Science Communication Hub soll unter anderem innovative Formate der Wissenschaftskommunikation in Bayern weiterentwickeln. Neben der Vernetzung von Organisationen und Akteuren, die vor ähnlichen Herausforderungen bei der Wissenschaftskommunikation stehen, wollen wir so auch mit Menschen in Kontakt treten, die sich bislang nicht sonderlich für die Wissenschaft interessieren, und sie in die Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation einbeziehen.
Gaby Christ-Devlin (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst)
Unsere WissenschaftlerInnen nutzen ihre eigenen Kanäle und Formate für die Wissenschaftskommunikation. LinkedIn-Posts, Podcasts oder Video-Formate – damit erreichen wir zwar meist nur kleinere Zielgruppen. Aber wir haben festgestellt, dass diese Kommunikation nachhaltiger ist, als wenn wir über unsere globalen Kanäle gehen.
Karen Köhler (Bayer AG)
Aufzeichnung der Veranstaltung
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