Transformation in der Ökonomie – Welche Rolle spielen Technologien?
München, 14. Oktober 2021
Nicht zuletzt der Beschluss des Bundesgerichtshofs zu konkreteren Emissionseinsparungen hat noch einmal deutlich gemacht: Der Klimaschutz drängt. Auch in den aktuellen Koalitionsverhandlungen spielt das Thema eine wichtige Rolle. Doch wie genau der Weg zu den gesetzlich festgeschriebenen und politisch anvisierten Emissionszielen aussehen soll, ist noch unklar. Die Frage, wie der Weg dorthin aussehen könnte und welche Rolle Technologien dabei spielen, stand im Zentrum der Diskussion bei acatech am Dienstag am 5. Oktober. acatech Präsident Jan Wörner führte in das Thema des Abends ein und Stefan Böschen, RWTH Aachen, moderierte die Podiums- und Publikumsdiskussion.
Technologien, mit denen beispielsweise die Emission von Treibhausgasen verringert oder CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden können, sollen bei der Erreichung der Klimaziele eine Schlüsselrolle einnehmen. Das Problem dabei: teilweise müssen diese Technologien erst noch erfunden bzw. zur Reife gebracht werden. Die Podiumsgäste des Abends waren sich darin einig, dass bis es soweit ist, es in jedem Fall effektive umweltpolitische Vorgaben und eine Wirtschaft brauche, die den technologischen Beitrag zur notwendigen Transformation realistisch einschätzt.
In diesem Zusammenhang plädierte Nils aus dem Moore vom RWI Essen bei acatech am Dienstag dafür, dass hochentwickelte Industrieländer wie Deutschland bei der Entwicklung dieser Technologien mehr Verantwortung übernehmen. Die Gretchenfrage sei jedoch, ob es durch neue Technologien möglich werde, Ressourcen- und Umweltverbrauch und Wirtschaftswachstum voneinander zu entkoppeln. Sollte diese Entkopplung nicht möglich sein, fuhr aus dem Moore fort, so seien Paradigmenwechsel und systemische Veränderungen unvermeidbar.
Karen Pittel, Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, machte deutlich, dass selbst die Möglichkeit, dass entsprechende Technologien in Zukunft noch entwickelt werden könnten, keinesfalls von der Notwendigkeit ablenken dürfe, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Aus dem Moore merkte dazu an, dass in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit ein falscher Diskurs geführt werde: Statt um Verzichtsdebatten sollte es darum gehen, wie eine Transformation im Sinne von „besser statt mehr“ aussehen könnte. Alternativen und Veränderung müssten nicht automatisch mit einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse einhergehen, allerdings durchaus mit veränderten Denkmustern.
Politik verliere sich aber meist im „Klein-Klein“ der Ordnungspolitik und lasse dabei wirksame ökonomische Instrumente eher außen vor, so der Nachhaltigkeitsforscher. Dies habe einerseits mit der Verständlichkeit und andererseits mit der Akzeptanz solcher Instrumente unter Politikerinnen und Politikern und der Öffentlichkeit zu tun. Es fehle häufig an einem grundlegenden ökonomischen Verständnis, die Potenziale von indirekten Maßnahmen, wie z.B. einer CO2-Bepreisung, richtig einzuschätzen. Insbesondere hier sei selten auf die vielen Möglichkeiten eingegangen worden, um soziale Härten abzufedern und die finanziellen Belastungen fair in der Gesellschaft zu verteilen. Die Kommunikation der möglichen Auswirkungen von ökonomischen Interventionen sei daher eine wichtige Baustelle, um eine gesellschaftlich akzeptierte und breit unterstützten Klimapolitik voranzutreiben.
Die Abschätzbarkeit der Folgen unterschiedlicher Instrumente wurde auch aus dem Publikum kontrovers debattiert. Karen Pittel verwies in diesem Zusammenhang auf das Spannungsfeld zwischen der notwendigen Komplexitätsreduktion für die Modellierung und der daraus resultierenden begrenzten Vorhersagekraft von Modellen. Ein Zuschauer plädierte für weniger Modellierungen und mehr experimentelle Ansätze in der Klimapolitik, wobei der begrenzte Zeitrahmen ein Problem darstelle. Aus dem Moore fügte hinzu, dass ein solches realweltliches Experiment bereits auf internationaler Ebene stattfinde und die verschiedenen Nationen unterschiedliche Ansätze zu Bekämpfung des Klimawandels ausprobierten – man könne hier viel von- und miteinander lernen.