Vom Spitzentalent zum Schlüsselspieler: Strategie für die erfolgreiche Nutzung und Entwicklung generativer KI in Deutschland
Berlin, 4. Juli 2024
Generative Künstliche Intelligenz (KI) verändert bereits heute Wertschöpfung und Wertesysteme weltweit – und ihr Potenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Während deutsche Forschungseinrichtungen ausgewiesene KI-Expertinnen und -Experten beheimaten und Unternehmen am Standort über ein hohes KI-relevantes Domänenwissen verfügen, wird das Angebot generativer KI-Anwendungen samt dazugehöriger Recheninfrastrukturen jedoch aktuell von wenigen, vor allem US-amerikanischen Großunternehmen bestimmt. Deutschland und Europa können sich im internationalen Wettrennen um die disruptive Technologie bisher nur zum Verfolgerfeld zählen. Was es jetzt braucht, damit Deutschland generative KI schnell, sicher und branchenübergreifend in die Anwendung bringen und die weitere Entwicklung der Technologie aktiv mitgestalten kann, zeigt der acatech IMPULS „Souveräne Antworten – Anwendung und Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz in Deutschland“.
Fast zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Sprachmodells ChatGPT durch OpenAI zeigt sich auch in Wirtschaft und Gesellschaft deutlich, was sich für Expertinnen und Experten bereits früh abzeichnete: Anwendungsmöglichkeiten und Verbreitung der Technologie wachsen rasant und branchenübergreifend – generative KI ist ein Durchbruch und damit weit mehr als ein Hype. Souverän genutzt, kann sie zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen: etwa beim Umgang mit dem Klimawandel unterstützen und dem Fachkräftemangel entgegenwirken, die Produktivität enorm steigern und damit die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend beeinflussen.
Mit der Verabschiedung der KI-Verordnung im Mai 2024 hat die Europäische Union regulatorisch eine internationale Vorreiterrolle eingenommen. In der konkreten Entwicklung und auch der Anwendung entsprechender Modelle fallen Deutschland und die Europäische Union jedoch hinter andere Standorte zurück und drohen in einseitige Abhängigkeiten zu geraten. Die Ambition Deutschlands und der EU muss es allerding sein, auch in diesem Feld eine Spitzenposition zu vertreten. Die Voraussetzungen dafür sind mit einer qualitativ herausragenden Forschungslandschaft, hochqualifizierten Talenten sowie starkem Domänenwissen und Datenschätzen in Großindustrie und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gegeben.
Der acatech IMPULS „Souveräne Antworten – Anwendung und Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz in Deutschland“ schlägt eine zweigleisige Strategie vor, um Deutschland mit dem vorhandenen Spitzentalent zum Schlüsselspieler zu machen. Er basiert auf einem Dossier, das für die Sitzung des Zukunftsrats des Bundeskanzlers im Januar 2024 erstellt wurde. Um die Risiken einer Abhängigkeit von ausländischen Technologien langfristig zu verringern, gilt es erstens die durch generative KI möglichen Produktivitätssteigerungen schnell zu realisieren. Als Grundlage sollte eine ausgewogene und schlanke KI-Regulatorik sowie der Zugang zu geeigneten Rechenkapazitäten sichergestellt werden, damit Wissenschaft und Wirtschaft Ideen für innovative KI-Anwendungen umsetzen können.
Als Anwender und Ankerkunde für heimische Start-ups kann der Staat zudem die breite Entwicklung und Anwendung generativer KI in Deutschland maßgeblich voranbringen und zu einem entscheidenden Hebel für ein wettbewerbsfähiges deutsches KI-Ökosystem werden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollten aktiv bis in die Anwendung begleitet und hierzu u.a. mit innovativen Start-ups zusammengebracht werden.
Zweitens sollte zugleich die gesamte Wertschöpfungskette der generativen KI – angefangen bei der Hardware – betrachtet und ausdauernd technologische Fertigkeiten in allen KI-relevanten Technologieschichten begründet und ausgebaut werden. Sowohl im europäischen Schulterschluss als auch national über Partnerschaften zwischen Politik und Wirtschaft sollten heimische Ansätze gefördert werden, indem eigene Kompetenzen und technologische Ökosysteme aufgebaut werden. Einseitige Abhängigkeiten gilt es nachhaltig abzubauen, um auch europäische Werte in KI-Modellen zu verankern. Auch eine weiterhin starke Förderung von Talenten ist entscheidend. Allerdings muss es langfristig besser gelingen, auch vermehrt internationale Talente anzuziehen und zu halten. Dafür sollten ein Start-up-Visum und Ausgründungsprogramme für die Zeit nach der akademischen Karriere entwickelt und eingeführt werden.
Grundsätzlich gilt es, die bestehenden Initiativen in einer kohärenten deutschen KI-Strategie zu bündeln, damit die vorhandenen Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden und die ergriffenen Maßnahmen die größtmögliche Durchschlagskraft entfalten können. Ziel ist der Aufbau eines international konkurrenzfähigen heimischen KI-Ökosystems, durch das einseitige Abhängigkeiten von außereuropäischen Anbietern langfristig verringert und KI-basierte Wertschöpfungspotenziale schneller als an anderen Standorten realisiert werden können.