Nachhaltige Landwirtschaft
Warum Nachhaltige Landwirtschaft?
Bei dem Thema „Nachhaltige Landwirtschaft“ denken viele zunächst an den kleinen Gutshof, der Lebensmittel in Bio-Qualität produziert. Doch Nachhaltigkeit ist vielschichtig und mehr als „nur“ Bio. Die acatech HORIZONTE Publikation „Nachhaltige Landwirtschaft“ will Bewusstsein für alle Aspekte der „Nachhaltigkeit“ schaffen und Begrifflichkeiten klären.
Die hohe Relevanz des Themas für acatech rührt vor allem aus dem hohen Digitalisierungsgrad der heutigen Landwirtschaft, der unter dem Begriff „Smart Farming“ diskutiert wird. Denn mit Hilfe der Technik können Abläufe am Hof und der Einsatz von Ressourcen effizienter gestaltet werden. In der Folge kann der Pestizideinsatz verringert und insgesamt mehr Nachhaltigkeit erreicht werden.
Von Natur aus ist die Landwirtschaft ein komplexes Thema, bei dem biologische, chemische, technische und, nicht zuletzt, soziale Prozesse zusammenspielen. Durch das acatech Format HORIZONTE soll die Landwirtschaft im Kontext ihres transformativen Potentials und, im Zuge einer wachsenden Weltbevölkerung und der globalen Erwärmung, ihrer steigenden Bedeutung beleuchtet werden. Es handelt sich um ein Thema, das aufgrund seiner gesellschaftlichen und politischen Relevanz in einem informativen Diskurs behandelt werden sollte, welcher Fakten für alle Beteiligten – vom Landwirt bis zur Politik und dem Verbraucher – verständlich aufbereitet.
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Der acatech HORIZONTE Podcast
„Late Night Tech“ ist ein Podcast für alle, die Lust haben auf gute Gespräche rund um Wissenschaft, Technik und Community Insider. Faktenbasiert und ganz entspannt sprechen Christina Müller-Markus und Dr. Sandra Fendl vom acatech HORIZONTE-Team mit renommierten Experten und Expertinnen über aktuelle Themen.
Von einer nachhaltigen Landwirtschaft, die allen gesellschaftlichen Gruppen annähernd gerecht wird, sind wir noch weit entfernt. Ein Weg dorthin ist möglich, er gelingt allerdings nur, wenn alle Akteure – Verbraucher, Landwirte und Politiker – sich zu einem konstruktiven Dialog zusammenfinden.
Hans-Georg Frede, Leiter der Projektgruppe
acatech HORIZONTE: Nachhaltige Landwirtschaft
Hier können Sie die Publikation sowie den Flyer im PDF Format herunterladen.
Die Printversion erhalten Sie auf Anfrage unter horizonte@acatech.de.
Der Nachhaltigkeitsfinder
Fleisch zu Discounterpreisen, vielerorts um das wirtschaftliche Überleben kämpfende Landwirte, Rückgang der Artenvielfalt, … In der heutigen Landwirtschaft gibt es an vielen Stellen ungelöste Probleme und Zielkonflikte. Wie können diese Konflikte zwischen Gesellschaft, Politik und Landwirtschaft veranschaulicht und bestenfalls gelöst werden?
Um einen Weg zu finden, den Balanceakt in der Entscheidungsfindung zwischen den Akteuren für jede und jeden haptisch erfahrbar zu machen, tat sich acatech mit dem Designer-Kollektiv Gosia Lehmann und Valerian Blos zusammen. Herausgekommen ist dabei das Diskussionsobjekt „Der Nachhaltigkeitsfinder“. Mehr dazu finden Sie hier.
Unsere Experten im Gespräch
Lesen Sie im HORIZONTE logbuch persönliche Einschätzungen der Mitglieder unserer Projektgruppen in Interviews, Fachgesprächen und Autorenbeiträgen zu den HORIZONTE Themen.
Ziele und Konflikte in der Landwirtschaft
Der Begriff Nachhaltigkeit geht auf die Forstwirtschaft zurück. Dort meint der Begriff, dass nur so viele Ressourcen verbraucht werden dürfen, wie auch nachwachsen können. Heutzutage beinhaltet Nachhaltigkeit das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Dies bedeutet, dass es die Aufgabe der gegenwärtigen Menschheit ist, die Erde, für nachfolgende Generationen, lebenswert zu erhalten. Somit ist Nachhaltigkeit eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft.
Die Landwirtschaft trägt eine besondere Verantwortung, sie gestaltet und verwaltet große Teile unserer Kulturlandschaft und hat die Aufgabe gesunde, hochqualitative Lebensmittel bereitzustellen sowie nachwachsende Rohstoffe im Zuge der Bioökonomie zu produzieren. Dabei muss sie nachhaltig agieren und die Ressourcen durch eine ökologisch ausgewogene Wirtschaftsweise erhalten.
Nachhaltigkeit gliedert sich in drei Dimensionen, dabei ist die Hauptaufgabe alle Dimensionen in ein Gleichgewicht zu bringen, sodass sich nirgendwo Nachteile oder Mängel ergeben. Diese Dimensionen (gesellschaftlich akzeptiert und sozial verträglich, ökologisch ausgewogen, ökonomisch tragfähig) lassen sich als die Ecken eines „magischen“ Nachhaltigkeitsdreiecks betrachten. „Magisch“ deshalb, weil es schwer ist, alle drei Dimensionen gleichzeitig und gleichermaßen zu berücksichtigen und das Dreieck so in ein Gleichgewicht zu bringen. Die folgende Grafik veranschaulicht diese Herausforderung.
Ökologische Ausgewogenheit
Ökologisch ausgewogen handeln heißt, mit natürlichen Ressourcen weitsichtig und schonend umzugehen und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Inzwischen sind für viele Menschen eine intakte Umwelt, inklusive gesunder Böden (qualitativ und quantitativ), gute Luft und Biodiversität langfristig unverzichtbar und kein Luxus mehr. Vielmehr gilt eine intakte Umwelt als Grundlage, um auch in mittelfristiger und ferner Zukunft die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen.
Ökonomische Tragfähigkeit
Landwirtschaft ist ein Produktionszweig, der Landwirtinnen und Landwirten eine wirtschaftliche Lebensgrundlage ermöglichen muss. Mit ihrer Tätigkeit verantworten sie eine sichere Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln und die Produktion von Rohstoffen im Rahmen der Bioökonomie. Landwirtschaft-Betreibende und auch andere Akteure entlang der Wertschöpfungskette verdienen teilweise nur noch wenig an den Produkten. Hier sind innovative Wege gefragt, zum Beispiel in der Vermarktung, die zudem eine bessere Herstellungstransparenz schaffen können. Eine ökonomisch tragfähige Landwirtschaft erfordert überdies einen verantwortungsvollen Konsum.
Gesellschaftliche Akzeptanz und soziale Verträglichkeit
Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit ist am schwersten zu fassen und wird hier auch sehr breit verstanden. Die soziale Dimension einer nachhaltigen Landwirtschaft schließt das gesellschaftliche Empfinden für Gerechtigkeit und das Empfinden für ethische Aspekte ein (= Akzeptanz). Beispiel hierfür ist ein ethisch korrekter Umgang mit Tieren unter Berücksichtigung des Tierwohls. Die Dimension umfasst aber auch die soziale Verträglichkeit, also zum Beispiel Lebensmittel zu Preisen, die sich die Konsumierenden leisten können. Zur sozialen Dimension gehören nicht zuletzt globale Aspekte wie die Sicherung der Welternährung oder der Wunsch, westliche Probleme der Landnutzung nicht in Entwicklungsländer zu verlagern.
Welche Rolle hat die Politik auf dem Weg zur nachhaltigen Landwirtschaft?
Politiker sind getrieben vom täglichen Geschäft. Es müssen aber langfristige Strategien erarbeitet werden, um zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zu gelangen.*
Die Aufgabe der Politik ist eine Minimierung, wenn möglich eine vollständige Exklusion, externer ökonomischer Effekte. Sie stellt dabei Anreize und Rahmenbedingungen für Landwirtschaftsbetriebe und Verbraucher/innen auf, um diese zu nachhaltigem Handeln zu animieren. Betriebe, welche besonders umweltfreundlich produzieren oder am Tierwohl orientierte Tierhaltung betreiben, erhalten Prämien. Wenn es nicht anders durchführbar ist, greift die Politik ein und reguliert durch Gesetzeserlässe oder Verordnungen und kontrolliert deren Einhaltung. Ein Beispiel stellt das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2004 dar, welches im folgenden Schaubild, inkl. seiner Folgen, erläutert wird.
Welche Rolle hat der Konsument/die Kosumentin auf dem Weg zur nachhaltigen Landwirtschaft?
Der Landwirt ist so weit weg vom Endkonsumenten, dass er als Produzent nicht wahrgenommen wird, also im Endeffekt anonym bleibt. Es braucht einen Dialog auf Augenhöhe entlang der Wertschöpfungskette.*
Konsumentinnen und Konsumenten haben häufig ein verklärtes Bild von der heutigen Landwirtschaft. Die Werbung propagiert idyllische Landschaften und kleine Familienbetriebe, wobei die Realität meistens leider eine andere ist, was sich auch in den sinkenden Preisen für Fleisch widerspiegelt. Verbraucherinnen und Verbraucher können jedoch durch ihr Kaufverhalten diesen Trend und somit auch die Qualität und Nachhaltigkeit des Fleisches entscheidend beeinflussen. Im Folgenden werden die Einflüsse des Konsums von Billigfleisch aufgezeigt und wie man als Endverbraucher diesem Vorgang entgegenwirken kann.
Grundsätze für nachhaltigen Konsum
Drei Hauptstrategien können Konsumenten anwenden um das Nachhaltigkeitsdreieck in der Landwirtschaft mehr ins Gleichgewicht zu bringen: ein geringerer Fleischkonsum, die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung sowie die Bereitschaft mehr für höhere Fleischqualität zu bezahlen.
Weniger Fleischkonsum
Die Produktion von Fleisch geht oft einher mit dem Verbrauch wichtiger Ressourcen (z.B. Wasser) und führt zu klimarelevanten Emissionen. Zudem stellt sich, vor allem bei Billigfleisch, die Frage nach der Tierwohl gerechten Haltung. Ziel muss es sein die Menge an Fleisch, die nach Nährstoffbedarf vorgegeben ist, nicht zu überschreiten.
Höhere Preise für höhere Qualität
Zusätzlich zum verringerten Fleischkonsum wäre es wichtig, dass in der Bevölkerung ein weiteres Umdenken stattfindet und die Menschen bereit wären für Fleisch von besserer Qualität auch mehr zu bezahlen. Damit stehen den Landwirten und Landwirtinnen mehr Ressource zur Verfügung die sie für bessere Tierhaltung einsetzen können und wichtige Voraussetzungen zur Nachhaltigkeit wären erfüllt.
Weniger Verschwendung von Lebensmitteln
55 bis 80 Kilogramm. So viele Lebensmittel wirft der Deutsche im Jahr weg und mehr als die Hälfte davon sind vermeidbar. Diese Zahl konterkariert mit dem angestrebten Prinzip der Nachhaltigkeit. Somit muss auch hier ein Umdenken stattfinden und nur so viele Lebensmittel gekauft werden, wie auch verzehrt werden.
Als Verbraucher/in ist es sehr schwer an die wichtigen Informationen des Fleisches wie z.B. Herkunft zu gelangen. Ein großes Problem ist die Größe und die damit einhergehende Unübersichtlichkeit der Lieferketten. Das Fleisch legt einen sehr langen Weg zurück bis es beim Endverbraucher in der Küche landet. Somit ist keine Transparenz gewährleistet und die wichtigen Fragen bleiben unbeantwortet. Um diese Wertschöpfungsketten sichtbar zu machen könnte die Blockchain-Technologie eine Lösung sein. Dieses Register funktioniert ohne eine zentrale Leitstelle und Inhalte sind für alle innerhalb der Kette einsehbar. Der Konsument/Die Konsumentin kann nachverfolgen, woher genau das Fleisch kommt und alle weiteren relevanten Informationen abrufen. Vollständige Transparenz wäre somit gegeben.
Die Landwirtschaft und Ernährung der Zukunft
Wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen wird, lässt sich nicht sicher sagen. Bereits heute leistet die Digitalisierung im Bereich Düngung und Pflanzenschutz wertvolle Beiträge zu einer nachhaltigeren modernen Landwirtschaft. Mithilfe des sogenannten können Landwirte und Landwirtinnen Technologien nutzen, mit denen sich Ressourcen wie Pflanzenschutzmittel und Dünger passgenau auf Acker, Grünland oder im Stall einsetzen lassen. Grundlage hirfür sind Daten, die zum Beispiel von pflanzenüberwachenden Sensoren auf Traktoren, Drohnen oder Satelliten gesammelt werden.
Auch die Änderung der Ernährungsgewohnheiten ist ein zentrales Thema auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft. Es wird bereits viel Forschung zu Lebensmitteln betrieben, die eine Alternative zu Fleisch als Hauptproteinlieferant bieten sollen, wie zum Beispiel Insekten. Auch kommen immer mehr Alternativen zu Joghurts aus tierischer Milch auf den Markt. Neben den bekannten Produkten aus Soja wird an proteinreichen Joghurts aus Hülsenfrüchten geforscht.
Nahrungsmittelsicherheit als Ziel nachhaltiger Landwirtschaft
Sicherung der Nahrungsmittelversorgung ist ein Thema, das in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Es werden Innovationen notwendig, um den wachsenden Herausforderungen der Zukunft adäquat begegnen zu können. Damit beschäftigt sich auch der diesjährige Global Food Summit, bei dem die Akademie mit Prof. Dr. Martina Schraudner, Leiterin des acatech Innovationsforums, als jüngstes Mitglied des Kuratoriums vertreten ist.
Die Überwindung von Armut und Hunger, die Gewährleistung nachhaltiger Energieproduktion und andere Nachhaltigkeitsziele werden viel stärker den Ausgangspunkt für Innovationen bilden.
Martina Schraudner
Mitglied des Vorstands von acatech &
Mitglied des Kuratoriums des Global Food Summit
Kooperationspartner
* Für die Publikation wurden insgesamt 27 Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft geführt. Einige ausgewählte Kerngedanken der Befragten sind im Text und auf der Website als anonymisierte Zitate aufgeführt.
Mitglieder der Projektgruppe
Am 14. März 2019 nahm die Projektgruppe der dritten Ausgabe, acatech HORIZONTE – Nachhaltige Landwirtschaft, ihre Arbeit auf und diskutierte die ersten Inhalte der neuen Publikation. Die Veröffentlichung fand am 3. Dezember 2019 in München stattfinden.
- Prof. Dr. i.R. Hans-Georg Frede (Leitung)
Justus-Liebig-Universität Gießen - Prof. Dr. Thomas Bley
TU Dresden - Prof. Dr. habil. Reiner Brunsch
Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökomie - Prof. Dr. Hansjörg Dittus
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt - Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Martin Gerzabek
Universität für Bodenkultur in Wien - Julia Harnal
BASF - Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Herlitzius
TU Dresden - Dr. Lothar Hövelmann
Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft - Prof. Dr.-Ing. Peter Liggesmeyer
Fraunhofer IESE - Dr. Eberhard Nacke
CLAAS KGaA mbH - Dr. Christine Rösch
Karlsruher Institut für Technologie, ITAS - Prof. Dr. Katrin Scheibner
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
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Weiterführende Informationen
Kurzinformation acatech Horizonte – Nachhaltige Landwirtschaft
Grafiken der Publikation im Poster-Format