Transformation der Mobilität
Wer an Mobilität denkt, denkt oft zuerst an das Auto, das Fahrrad, den Bus oder die Bahn. Dabei ist Mobilität viel mehr: Sie ermöglicht uns, in die Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt zu fahren, Freunde zu treffen und unsere Kinder in die Schule zu bringen. Sie ist also auch Teilhabe am Leben. Gleichzeitig erzeugen wir dadurch Verkehr, und das wiederum hat schwere Folgen für die Umwelt. Wie lässt sich eine Mobilität gestalten, die auf die Bedürfnisse aller Menschen eingeht und gleichzeitig dazu beiträgt, die Klimaziele zu erreichen? Welche Rolle spielen dabei Technologien und neue Mobilitätsmodelle, die mehr auf Nutzen statt Besitzen setzen? Was können wir von der Fahrradhauptstadt Kopenhagen über moderne Stadtplanung lernen? Diesen und weiteren spannenden Fragen widmet sich die acatech HORIZONTE Transformation der Mobilität.
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Der acatech HORIZONTE Podcast
„Late Night Tech“ ist ein Podcast für alle, die Lust haben auf gute Gespräche rund um Wissenschaft, Technik und Community Insider. Faktenbasiert und ganz entspannt sprechen Christina Müller-Markus und Dr. Sandra Fendl vom acatech HORIZONTE-Team mit renommierten Experten und Expertinnen über aktuelle Themen.
Übrigens…
Antworten auf Fragen, die die acatech HORIZONTE Transformation der Mobilität so nicht stellt, finden Sie im HORIZONTE logbuch.
acatech HORIZONTE Transformation der Mobilität – die Kernbotschaften auf einen Blick
Warum Mobilität ein wichtiges Zukunftsthema ist und damit auch ein acatech HORIZONTE Thema, zeigen diese 10 Kernbotschaften.
Was ist Mobilität?
Das Wort stammt vom lateinischen „mobilitas“ und bedeutet Beweglichkeit. Mobilität ist jedoch viel komplexer und umfassender als die Fähigkeit, sich räumlich fortzubewegen. Jede und jeder von uns ist täglich mobil, um sich zu ernähren, zur Arbeit zu fahren, Arzttermine wahrzunehmen, sich zu bilden oder zu reisen. Selbst wenn wir uns nicht bewegen, sind wir „mobil“, indem wir etwa online bestellen oder an Video-Calls teilnehmen. Wer mobil ist, kann also tägliche, überlebenswichtige Grundbedürfnisse erfüllen und mit anderen Menschen interagieren. Mobilität bedeutet Teilhabe am Leben und an der Gesellschaft.
Im Laufe der Geschichte hat die Mobilität den Menschen stets geprägt, sie ermöglicht jedoch nicht nur Teilhabe, Fortschritt und Freiheit. Eingeschränkte Mobilität kann auch zu sozialer Ungleichheit, Ausgeschlossenheit und Unfreiheit führen. Zudem haben Mobilität und Verkehr, wie wir sie heute nutzen, gravierende Folgen für Klima und Umwelt. Die folgende Grafik zeigt die Mobilität von gestern, heute, und morgen.
Die Transformation der Mobilität: Herausforderungen & Chancen
Klimawandel, Urbanisierung, Digitalisierung und zunehmender Warenverkehr treiben die Transformation der Mobilität voran. Sie sind zugleich Herausforderung und Chance, um einen Neustart zu wagen.
Der Klimawandel: auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen für die Zukunft
In den vergangenen Jahren haben wir ein massives Verkehrswachstum erlebt: Immer mehr Waren und Personen werden bewegt und bewegen sich. Der Verkehr ist für ein Viertel der europäischen Treibhausgasemissionen verantwortlich und einer der wesentlichen Verursacher für die Luftverschmutzung der Städte. Umweltschäden und Klimawandel stellen Europa und die Welt vor enorme Herausforderungen.
Damit der Verkehrssektor nachhaltiger wird, müssen wir den Verkehr reduzieren und mit sauberen Technologien treibhausgasneutral gestalten: Mit Strom aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und Power-2-X kann das gelingen. Im Schaubild zeigen wir nachhaltige Lösungen für die Zukunft der Mobilität.
Mit Digitalisierung zur Transformation der Mobilität
Die Digitalisierung verändert Mobilität. Schon heute erleichtert sie den Menschen das Leben, zum Beispiel durch Navigationssysteme, Parkhilfen, Sprachsteuerung, Fahrassistenten oder Apps zur Abrechnung von Parkgebühren. Außerdem sind viele neue Sharing-Angebote wie Car-, Bike- und E-Scooter-Verleihsysteme via Apps nur durch die Digitalisierung möglich.
In Zukunft wird Digitalisierung ein Schlüssel sein, um Mobilität noch deutlich flexibler, bequemer und für alle zugänglich zu machen. Damit hat sie auch das Potenzial, Mobilität umweltfreundlicher und flächensparender zu gestalten, indem sie Verkehrsangebote effizienter bündelt, Staus vermeidet und Verkehr reduziert. In dieser Grafik zeigen wir, wie das künftig aussehen könnte.
Land und Stadt: die Verbindung zweier Welten
Noch vor fünfzig Jahren war es eine gute Idee, die (damals laute) Fabrik vom (damals ruhigen) Wohnort zu trennen. Heute ist das nicht mehr zeitgemäß: Obwohl viele Menschen nicht mehr in Fabriken, sondern in Büros arbeiten, müssen viele von ihnen trotzdem weite Distanzen zurücklegen, um zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen zu fahren, und verursachen dadurch immer mehr Verkehr.
Eine strikte Trennung zwischen Wohn- und Gewerbegebieten ist heute nicht mehr notwendig. Das ist auch eine Win-win Situation für Stadt und Land: Die Städte, die momentan aufgrund veralteter Stadtplanung häufig unter Lärm, Staus und Luftbelastung leiden, würden verkehrstechnisch entlastet und könnten Industriegebiete in dringend benötigte Wohngebiete umwandeln. Und die ländlichen Regionen würden durch neue, gut bezahlte Arbeitsplätze an Attraktivität gewinnen. Inklusive Mobilität bedeutet, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern aus Land und Stadt in den Mittelpunkt zu stellen. Dieses Schaubild zeigt, wie inklusive Mobilität gelingen kann.
Warenverkehr und Logistik neu gedacht
Online bestellen ist einfacher und schneller denn je. In den vergangenen Jahren waren hier gewaltige Zuwächse zu verzeichnen: Wir bestellen Waren aus der ganzen Welt, die im Nu bis an unsere Haustür geliefert werden. Dadurch erzeugen wir allerdings immer mehr Verkehr und damit auch CO2-Emissionen, selbst wenn wir uns selbst dabei nicht bewegen.
Mehrere Städte forschen und erproben inzwischen neue, umweltfreundlichere Konzepte, um weiterhin Sendungen auszuliefern, ohne die Innenstädte mit Liefer-Lkw zu verstopfen. So sparen einer Studie zufolge neue Zustellverfahren mit der sogenannten Logistik-Tram im Vergleich zu üblichen Warenzustellungen fast sechzig Prozent CO2-Emissionen ein! Die Grafik zeigt, wie die Logistik der Zukunft aussehen könnte.
Von Kopenhagen bis Singapur: der globale Blick
Der Klimawandel betrifft uns alle. Zahlreiche internationale Ansätze und Pilotprojekte zeigen, wie sich Mobilität neugestalten lässt. Weltweit beweisen immer mehr Städte mit individuellen, innovativen Lösungen, dass Nachhaltigkeit mit den richtigen Anreizen möglich ist und sogar die Lebensqualität der Menschen verbessert.
Kopenhagen: Bike Capital
Die Bürgerinnen und Bürger von Kopenhagen leben in der ersten echten Radmetropole Europas, wenn nicht der Welt. Eine Reihe von Maßnahmen haben zu diesem Titel beigetragen: Auf breiten, mehrspurigen Radwegen, die baulich von den Autospuren getrennt sind, fühlen sich sowohl langsame als auch schnelle Radfahrer und Radfahrerinnen sicher. Überall gibt es Fahrradbrücken mit schönen Aussichtspunkten, Fahrradautobahnen für Berufspendelnde, Service-Stationen mit Luftpumpen und Wasserspendern, eigene Parkhäuser für Fahrräder, Fußstützen an Ampeln und Mülleimern sowie die grüne Welle in der Innenstadt. Im Winter werden sogar die Radwege immer zuerst geräumt – noch vor den Autospuren. Mit dem Fahrrad zu fahren, ist also komfortabler, gesünder, meist schneller und kostet weniger. Das hat so gut geklappt, dass der Begriff „to copenhagenize” in der Stadtplanung mittlerweile ein geflügeltes Wort ist. Es bedeutet, eine Stadt zentral um den Fahrradverkehr herum zu planen.
Singapur: Garden City
Singapur hat ein besonderes Rezept für nachhaltigen, effizienten Verkehr: Der südostasiatische Stadtstaat hat bereits in den 80ern eine Obergrenze für Fahrzeuglizenzen eingeführt. Diese Grenze wurde 2018 erreicht; seitdem werden neue Autos nur zugelassen, wenn dafür ein altes abgemeldet wird. Wer eine Lizenz hat, zahlt außerdem zusätzlich eine City-Maut. Seit seiner Unabhängigkeit 1965 kämpft der Inselstaat mit wenig Fläche, einer wachsenden Bevölkerung, dichtem Verkehr und einer hohen Umweltverschmutzung. Da das Auto die flächenintensivste Form des Verkehrs ist, entschied die Stadt, dass sie ihre Fläche für Parks und grüne Wohnflächen nutzen möchte, die teilweise sogar auf rückgebauten Straßen entstehen. Nicht umsonst bezeichnet sich Singapur selbst als „Garden City“ und hat es in den letzten Jahren an die Spitze der „grünsten“ Städte der Welt geschafft.
Peking: Vom Fahrrad zum Auto – und wieder zurück?
Die Volksrepublik ist das Land mit dem größten Ausstoß von Treibhausgasen weltweit, zehn Prozent entfallen dabei auf den Verkehrssektor. Galt Peking bis Ende der Neunziger Jahre noch als Fahrradmetropole, gehören Auto und Eigentumswohnung, getrieben durch Wirtschaftswachstum und Wohlstand, mittlerweile zu den Must-Haves auf dem Heiratsmarkt. Entsprechend hoch ist die Zahl der Autos und die Länge der Staus, Lärm und Luftverschmutzung verringern die Lebensqualität der Pekinger Bevölkerung. Es gibt Tage, an denen die Behörden „Smog-Alarm“ ausrufen müssen: von Geschäften und Schulen über Autobahnen bis hin zur Industrie – die ganze Stadt macht dicht. Diese reale Bedrohung betrifft alle, das hat die Regierung längst erkannt. So zählt die Pekinger Metro zu den längsten der Welt, auf den Straßen findet man immer mehr emissionsfreie Fahrzeuge, das Bike-Sharing Angebot boomt. Übrigens: Fahrrad, Auto und öffentliche Verkehrsmittel kann man in Peking per App unter dem Motto „Mobility-as-a-Service“ kombinieren! Die App soll auch Einzelne dazu ermutigen, möglichst CO2-neutral unterwegs zu sein. Fährt man mit dem Fahrrad, mit dem Bus oder geht zu Fuß, wird man mit Coupons belohnt, etwa für den öffentlichen Nahverkehr.
Wie geht es weiter?
Welche aktive Rolle können Einzelne, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik spielen? Fest steht: Mobilität ist Teilhabe am Leben, sie betrifft jede und jeden. Die Transformation der Mobilität ist somit eine gesamtgesellschaftliche Transformation, die ein grundlegendes Umdenken aller erfordert. Die Richtung ist klar, der Weg in Ansätzen beschrieben, bis zum Ziel ist es aber noch weit.
Frauen in Bewegung
Fundierte Beratung zu technikwissenschaftlichen Zukunftsfragen funktioniert nicht ohne Perspektivenvielfalt – und setzt die Berücksichtigung der Geschlechterdimension in Forschung und Wissenschaft voraus. Im breiten Innovationsfeld „Mobilität“ wirkt es sich besonders empfindlich aus, wenn die Perspektiven von Frauen unzureichend einbezogen werden. Angefangen bei fehlenden Daten zum Mobilitätsverhalten bis zur mangelnden Berücksichtigung bei der Unfallforschung – der Einbezug von Frauen ist zentral für eine gelingende Wende hin zu einer menschen- und umweltfreundlicheren Mobilität. Davon sind Projektgruppenmitglieder Christine Weis-Hiller von der Stadt München und Michael Bültmann von der HERE GmbH überzeugt – nachzulesen in einem Beitrag zum Weltfrauentag.
Mitglieder der Projektgruppe
- Michael Bültmann
HERE Deutschland GmbH - Stefan Gerwens
ADAC e.V. - Prof. Dr.-Ing. Dietmar Göhlich
Technische Universität Berlin/ acatech - Prof. Dr. Helmut Holzapfel
Zentrum für Mobilitätskultur - Prof. Dr. Stephan Rammler
IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung Berlin - Dr. Corinna Salander
Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung beim Eisenbahn-Bundesamt DZSF - Dr.-Ing. Jörg Salomon
Deutsche Post - Prof. Dr.-Ing. Thomas Weber
acatech - Dipl.-Ing. Christine Weis-Hiller
Landeshauptstadt München
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Weiterführende Informationen
acatech HORIZONTE logbuch: Expertenmeinungen zu den HORIZONTE Themen