Urban Mining
Die Ressourcen der Erde sind endlich. Gehen wir mit ihnen verschwenderisch um, werden sie die Menschheit nicht dauerhaft tragen können. Dennoch landet heute all das, was ausgedient hat, nach kurzer Zeit oft im Müll. Wertvolle Rohstoffe, die wir eigentlich sinnvoll weiternutzen könnten, betrachten wir als „Abfall“. Genau hier setzt das neue Thema der acatech HORIZONTE an: Urban Mining. Wie beim bekannten “Mining”, also beim klassischen Bergbau, geht es um die Gewinnung von Rohstoffen. Aber anstatt immer mehr Primärstoffe abzubauen, konzentriert sich die Idee des Urban Mining darauf, die bestehenden Sekundärstoffe, die sich in den Städten und Siedlungen ansammeln, wieder zu verwenden. Diese reichen von Baumaterialien, edlen Metallen aus Elektronikteilen über Plastik bis hin zu den Daten, die man zum Auffinden, Wiederaufarbeiten und Recyceln benötigt.
Dabei sollten Produkte schon von Beginn an so gestaltet werden, dass die einzelnen verbauten Rohstoffe später lokalisiert und möglichst einfach und sauber voneinander getrennt werden können. Erst dann kann man sie effizient in den Kreislauf bringen, sodass sie Umwelt, Mensch und Innovation zugutekommen.
Doch welche Barrieren gibt es noch auf dem Weg zu erfolgreichem Urban Mining und wie können diese überwunden werden? Wo stehen wir heute und was können Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Einzelne tun? Diese und weitere spannenden Fragen beantwortet die acatech HORIZONTE Urban Mining.
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Der acatech HORIZONTE Podcast
„Late Night Tech“ ist ein Podcast für alle, die Lust haben auf gute Gespräche rund um Wissenschaft, Technik und Community Insider. Faktenbasiert und ganz entspannt sprechen Christina Müller-Markus und Dr. Sandra Fendl vom acatech HORIZONTE-Team mit renommierten Experten und Expertinnen über aktuelle Themen.
Übrigens…
Antworten auf Fragen, die die acatech HORIZONTE Urban Mining so nicht stellt, finden Sie im HORIZONTE logbuch.
Was ist Urban Mining?
Alles, was der Mensch je gemacht und genutzt hat, ist Teil eines riesigen Rohstofflagers: Städte, Siedlungen, Ballungsräume oder Produktionsstandorte. Somit stehen wir vor einem Paradigmenwechsel. Brücken, alte Gebäude, Fabriken, ausgediente (langlebige) Konsumgüter und schlichtweg alles, was der Mensch produziert und später weggeworfen hat oder nicht mehr nutzt, sind keine Abfälle mehr, sondern wertvolle (Boden)Schätze, die vor unserer Haustür schlummern und darauf warten, gehoben zu werden. Beim Urban Mining geht es darum, diese Bodenschätze systematisch aufzufinden und qualitativ hochwertig aufzubereiten, sodass sie erneut zum Einsatz kommen.
Das folgenden Schaubild zeigt die wichtigsten Rohstoffgruppen des sogenannten antrophogenen (also menschengemachten) Lagers:
Was ist heute schon und in Zukunft noch möglich?
Wertvolle Rohstoffe befinden sich in Smartphones, Wohngebäuden, Batterien, Autos, textilen Produkten und vielem mehr. Die Wiedergewinnung dieser Rohstoffe ist jedoch nicht immer einfach. Zwar lassen sich heute schon viele Materialien recyclen, in Zukunft werden sich aber viele neue Möglichkeiten der Wiederverwertung ergeben. Die Wissenschaft erforscht neue, vielversprechende Technologien bereits im Labor. Auch neue Geschäftsmodelle werden sich ergeben, die für mehr Nachhaltigkeit sorgen können.
Was steckt alles in einem Smartphone
Kaum jemand kann sich ein Leben ohne Smartphone vorstellen. Doch die wenigsten wissen, dass ein einziges Mobiltelefon aus 60 verschiedenen Baustoffen von rund 270 Zulieferfirmen besteht! Die Grafik gibt einen Überblick.
Recyling-Beton: endlich ein Leben im Müll
Bau- und Abbruchabfälle machen über die Hälfte des deutschen Mülls aus. Der Großteil des Altbetons landet im Straßenbau. Dabei wäre Beton dank neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse recyclebar. Es gibt sogar Pilotprojekte, wie sich aus Recycling-Materialien ganze Häuser bauen lassen. Unser Schaubild zeigt, was heute und in Zukunft möglich ist.
Bio-Recycling: Bakterien zerlegen Plastik
Weltweit werden pro Jahr rund 360 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon landet etwa die Hälfte auf den Deponien oder in der Umwelt. Beim herkömmlichen mechanischen Recycling wird der Kunststoff gewaschen, zerkleinert und geschmolzen. Das Problem: Nach mehreren Recycling-Zyklen ist der Kunststoff nicht mehr gut genug und daher wegzuwerfen. Im Schaubild zeigen wir einen Lösungsansatz: Bio-Recycling.
Nutzen statt kaufen: Batterie im Elektroauto
Eine E-Batterie wiegt rund 700 Kilogramm und ist extrem teuer: In ihre Herstellung fließen 40 Prozent des weltweit abgebauten Kobalts; der Preis hat sich in zwei Jahren vervierfacht. Auch Lithium ist für die Batterie nötig und kommt meist aus Bolivien und Chile. Haben sie ausgedient, landen die bisher eingesetzten Bleibatterien von herkömmlichen Autos oft in Afrika. Dort werden sie unter dubiosen Bedingungen „recycelt“. Deshalb braucht es einen innovativen Ansatz, wie in der folgenden Grafik zu sehen ist.
Urban Mining ist auch Data Mining: der Materialpass
In einem Auto sind mehrere Tausend Einzelteile von Zulieferern aus unterschiedlichen Ländern verbaut. Von der Elektronik über die Karosserie bis hin zum Motor – überall stecken viele wertvolle Rohstoffe. Bislang wird bei der Herstellung wenig darüber nachgedacht, was in zehn oder zwanzig Jahren mit diesen Rohstoffen passiert. Autohersteller teilen ungerne ihre Materialdaten. Das führt dazu, dass Recycling-Unternehmen die Rohstoffdaten fehlen. Eine vielbeachtete Lösung: der Materialpass. Das Schaubild erklärt wie es funktioniert.
Von der Rhetorik zur Umsetzung: Kreislauf der Akteure
Wie gut Urban Mining gelingt, hängt vor allem von den Menschen ab, die das Thema vorantreiben. Denn die beste Studie und die neueste Recyclingtechnologie bringen nichts, wenn sie in der Schublade einer Forschungsinstitution landen. Die innovativste Start-up-Idee für ein nachhaltiges Geschäftsmodell verpufft, wenn kein Investor daran glaubt. Das umweltschonendste Produkt schafft es nicht auf den Markt, wenn der politische Rahmen fehlt. Urban Mining funktioniert nur, wenn alle Beteiligten gemeinsam denken, handeln und auf ihr Ziel zugehen.
Das nachfolgende Schaubild zeigt, was Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Konsumierende konkret tun können. Analog zur Metapher eines Kreislaufs, bei dem Rohstoffe immer wieder zum Einsatz kommen, befinden sich auch hier die einzelnen Akteure in einem Kreislauf.
Mitglieder der Projektgruppe
- Prof. Dr. Manfred Hennecke (Leiter Projektgruppe)
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung - Dr. rer. nat. Katrin Bokelmann
Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS - Prof. Dr. Magnus Fröhling
Lehrstuhl Circular Economy an der Technischen Universität München - Dr.-Ing. Andrea Gassmann
Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS - Prof. Dr. Erik G. Hansen
Institute for Integrated Quality Design (IQD) an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) - Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel
ehem. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe - Dr. Christine Lemaitre
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. - Dr. Guido Meurer
Brain Biotech AG - Stephanie Otto
Berliner Stadtreinigung - Dr. Bettina Rechenberg
Umweltbundesamt - Christian Schiller
Gründer und Geschäftsführer cirplus GmbH - Dr. Volker Thome
Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP
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Weiterführende Informationen
acatech HORIZONTE logbuch: Expertenmeinungen zu den HORIZONTE Themen