Driving the Human: 21 Visions for Eco-social Renewal Festival in Berlin
Vom 15. bis 17. Oktober fand das Driving the Human Festival in Berlin statt, wo wir die Chance hatten, ein Interview mit einer der geladenen Expertinnen Prof. Dr. Vera Meyer zu führen. Sie ist Mikrobiologie-Professorin an der TU Berlin mit Fokus auf Pilzbiotechnologie, freischaffende Künstlerin und auch acatech-Mitglied. Laut Meyer haben Pilze enormes Potenzial, um Herausforderungen wie Klimawandel und Ressourcenknappheit in der Zukunft intelligent zu lösen. Gleichzeitig arbeitet sie auch als Künstlerin mit Pilzen, um dadurch Wissenschaft zugänglicher zu gestalten. Wir hätten uns keine passendere Interviewpartnerin vorstellen können, um beim Driving the Human Festival über die transdisziplinäre Verschränkung von Kunst und Wissenschaft zu diskutieren.
Nach Meyers Meinung bietet uns die Kunst freie Diskussionsräume ohne fertige Antworten und somit einen proaktiven Umgang mit komplexen Themen. Die Wissenschaft dagegen verlässt sich auf eine strenge Überprüfung von Daten, Fakten und Aussagen. Ist eine Methode besser als die andere? Schließen sie sich gegenseitig aus? Ganz im Gegenteil! Vera Meyer betrachtet sie als gleichwertige Kreativitätsmotoren, die sich wunderbar ergänzen und gegenseitig inspirieren können. Dieser Austausch zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft sei ein effektiver Weg Antworten auf Zukunftsfragen zu finden, äußerte sich das multidisziplinäre acatech-Mitglied.
acatech: Würden Sie sagen Sie waren zuerst Wissenschaftlerin oder Künstlerin? Seit wann ist diese Verschmelzung beider Richtungen bei Ihnen erfolgt?
Vera Meyer: Beruflich war ich natürlich zuerst Wissenschaftlerin und später kam der Beruf der Künstlerin dazu. Trotzdem bin ich hauptberuflich Wissenschaftlerin. Dass ich die Liebe für beides hege und pflege, das ist schon seit der Jugend so. Ich war schon immer neugierig und habe schon immer versucht die Welten – Wissenschaft und Kunst – irgendwie zu verbinden; ich habe mich in beiden ausgetobt. Wie gesagt, über die Wissenschaft konnte ich mein Geld verdienen, und die Kunst war für eine lange Zeit ein Hobby. Aber in den letzten Jahren habe ich auch verstanden, dass ich über die Kunst tatsächlich viel besser auch die Wissenschaft, die uns interessiert, vermitteln kann; dadurch komme ich auch ins Gespräch und in Kontakt mit der Gesellschaft. Auf der anderen Seite kann ich über die Kunst und Künstler in Residenzen andere Persönlichkeiten zu uns ins Labor holen und dadurch auch die Verbindung Wissenschaft und Kunst stärken.
acatech: Was wollen Sie mit Ihrer Arbeit, in der Kunst sowie in der Wissenschaft, erreichen?
Vera Meyer: Die Herausforderungen, vor denen wir heutzutage stehen sind vielfältig. Wie schaffen wir es 10 Milliarden Menschen zu ernähren? Wie schaffen wir es Ideen zu entwickeln mit denen wir dem Klimawandel entgegentreten können? Wie schaffen wir es in Zukunft mit begrenzten Ressourcen trotzdem unbeschwert zu leben? Ich als Pilzbiotechnologin, sehe sehr viele Möglichkeiten darin das Stoffwechselpotenzial der Pilze so zu nutzen, dass wir zum Beispiel in Zukunft die 10 Milliarden Menschen ernähren und kleiden können, ihnen Wohnungen und Häuser bauen können. Der Beitrag aus der Pilzbiotechnologie, den ich sehe, ist ein essenzialer Beitrag für die Bioökonomie. Ich würde sogar auch sagen, die Pilzbiotechnologie oder Biotechnologie allgemein ist ein Innovationsmotor für die Bioökonomie. Ich bin der Meinung, dass die Biotechnologie und die Wissenschaft immer Hand in Hand mit der Kunst und der Gesellschaft gehen muss – d. h. ganz viel Open Science, Citizen Science und Open Source. In dieser Triade der Kreativitätsmotoren Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft können wir kluge Antworten für die Herausforderungen der Zukunft finden.
acatech: Welche Möglichkeiten bietet Ihnen die Kunst, die Ihnen die Wissenschaft nicht gibt und andersrum?
Vera Meyer: Das Schöne an der Kunst ist, dass sie Möglichkeitsräume schafft – das heißt, man kann dort Dinge durchdenken, thematisieren, die in der Zukunft vielleicht möglich sind. In der Wissenschaft läuft man andere Wege: da müssen wir alle Daten wirklich auf Reproduzierbarkeit und Signifikanz überprüfen und es dauert viele Jahre bis die wissenschaftliche Publikation tatsächlich in den Journalen erscheinen kann. In der Kunst können wir proaktiv diese Themen ansprechen – darin sehe ich die große Chance! Das andere Tolle: die Kunst bedient sich ja wissenschaftlicher Technologie und aus diesem Grund kann sie wiederum die Wissenschaft inspirieren. Für mich sind beides – Wissenschaft und Kunst – gleichwertige Kreativitätsmotoren, die sich gegenseitig befruchten.
acatech: Warum sind Sie beim Driving the Human Festival dabei? Warum interessiert Sie dieses Projekt?
Vera Meyer: Ich mache Kunst und mich interessiert und inspiriert auch die Kunst der Anderen. Gerade wenn es darum geht, wie können wir Antworten für die Zukunft finden? Wie ein Leben ermöglichen, das nachhaltig und in Kreisläufen, Communities und Zusammenarbeit denkt? […] Driving the Human ist ein Versuch künstlerisch in die Zukunft zu schauen – wie unsere Gesellschaft in der Zukunft leben, arbeiten und wohnen könnte. Als ich angefragt wurde, ob ich mich hier mitengagieren kann als Expertin, habe ich gesagt ja klar, gerne! Weil ich wie gesagt auch von der Kunst lernen und inspiriert werden kann, wenn ich die Arbeit anderer Künstler und Künstlerinnen sehe. Wiederum kann ich mit meiner wissenschaftlichen mikrobiellen Expertise reflektieren […] wie viel tragfähige Wissenschaft in diesen 21 künstlerischen Visionen enthalten und dargestellt ist.
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