Drei Fragen an Manfred Broy zur Expertise „Blinde Flecken in der Umsetzung von Industrie 4.0“
München, 26. April 2022
1. Welche Gründe und Transferhemmnisse konnten Sie für die (teilweise) langsam voranschreitende digitale Transformation in der Industrie identifizieren?
Die wohl wichtigsten unternehmensinternen Hemmnisse in der digitalen Transformation liegen immer in den Köpfen der Verantwortlichen. Wenn in einem Unternehmen die Führungspersönlichkeiten verstanden und begriffen haben, was Digitalisierung heißt, welche Potentiale und Vorteile sich damit verbinden und wie stark das die Strategie des Unternehmens und den Erfolg in der Zukunft prägen wird, ist die wichtigste, gar die entscheidende Voraussetzung dafür gegeben, dass das Unternehmen entschlossen einen entsprechenden Weg einschlägt. Was wir heute beobachten, dass viele Unternehmen nur sehr zögerlich in die Digitalisierung gehen, hat stark damit zu tun. Hinzu kommt die Fähigkeit, entsprechende Kompetenzen zu entwickeln und aufzubauen. Der erste Schritt ist also das Bewusstsein für die Digitalisierung zu finden und der zweite Schritt ist das Unternehmen kompetent dafür aufzustellen. Die darauf folgenden operativen Schritte sind dann im Wesentlichen Fragen der Umsetzung.
2. Welche Rolle spielt die Größe eines Unternehmens hinsichtlich des Adaptionsstands und identifizierter Hemmnisse bei der digitalen Transformation?
Die Größe eines Unternehmens spielt eine entscheidende Rolle bei der digitalen Transformation. Große Unternehmen haben Vorteile, da sie sich mehr leisten können, insbesondere Expertise zu schaffen und in die strategische Umsetzung zu gehen. Andererseits sind große Unternehmen sehr oft schwerfällig, haben Kulturen und Führungsschichten, die nicht so leicht auszuwechseln sind und tun sich deshalb schwer sich auf die digitale Transformation einzulassen. Dabei darf man nicht vergessen, dass die digitale Transformation immer auch Gewinner und Verlierer schafft. Das führt dazu, dass Teile des Managements, die sich eher auf der Seite der Verlierer der digitalen Transformation sehen, hier Widerstand leisten. Kleinere Unternehmen sind da flexibler, kommen schneller voran. Dabei muss man allerdings unterscheiden zwischen etablierten Unternehmen, auch Familienbetrieben, wo es sehr darauf ankommt, ob einzelne Führungspersönlichkeiten sich des Themas annehmen, und jungen Unternehmen bis hin zu Start-Ups, die sich naturgemäß in diesen Themen leichter tun.
3. Welche Handlungsoptionen wurden identifiziert, die Unternehmen gezielt bei der Umsetzung von Industrie 4.0 unterstützen und Anreize schaffen?
Die bisher identifizierten Handlungsoptionen setzen im Wesentlichen auf Aufklärung und in einem bestimmten Umfang auf Forschung. Daraus haben sich bereits wichtige Impulse entwickelt und sie werden sich weiter entwickeln. Noch wichtiger ist es entsprechende Governance-Prozesse für Digitalisierung in Unternehmen zu schaffen und anzustoßen und die Kompetenz im Unternehmen dafür aufzubauen. Das ist aber schwierig, da sich – wie schon gesagt – in vielen Unternehmen inhärente Widerstände gegen die Digitalisierung entwickeln, die klassische Ursachen in der Besitzstandswahrung haben. Ich denke, hier müssten die Aufsichtsräte auch entschlossener handeln und dafür sorgen, dass sichergestellt ist, dass in den Vorständen entsprechende Kompetenz vorhanden ist. Von fundamentaler Bedeutung ist auch das Ändern der Unternehmenskultur in Richtung Digitalisierung.
Die Expertise „Blinde Flecken in der Umsetzung von Industrie 4.0 – identifizieren und verstehen“ finden Sie hier.