Digitalisierte Düfte – eine inspirierende Vision
Nürnberg, 14. Oktober 2019
Mit Hilfe digitaler Technologien können wir Bilder oder Musikstücke kreieren – können wir bald auch Düfte erzeugen? Wie weit der Stand der Forschung zu dieser Frage ist und wozu eine Duft-Digitalisierung überhaupt nützlich sein könnte, darüber sprachen Expertinnen und Experten bei acatech am Dienstag am 8. Oktober in Nürnberg.
Ob im Büro, in der Natur, beim Einkaufen, im Auto oder im Urlaub: Wo immer wir auch sind, umgeben uns Düfte. Genauso wie wir nicht aktiv weghören können, ist es uns nicht möglich, die uns umgebenden olfaktorische Reize – das Wahrnehmen von Duftstoffen in der Luft – zu ignorieren. Unabhängig von Form und Größe der Nase bewertet jeder Mensch Düfte jedoch individuell. Erfahrung und Erziehung des Einzelnen sowie seine genetische Ausstattung seien dafür verantwortlich, erklärte Riechforscher Hanns Hatt von der Ruhr-Universität Bochum zum Auftakt von acatech am Dienstag zum Thema „Digitalisierte Düfte“ am 8. Oktober in Nürnberg.
Der Geruchssinn, so der Experte, sei direkt mit dem Gedächtnis und den Emotionszentren im Gehirn verknüpft, weshalb Dufterinnerungen stabiler als Töne und Bilder seien. Düfte beeinflussten daher Wohlbefinden und Entscheidungen. Der Duft eines Gegenstandes, erklärte Hanns Hatt, sei zum Beispiel für eine Kaufentscheidung relevant. Diesen Umstand machen sich beispielsweise moderne Marketingstrategien zunutze: Wo es gut riecht, sind Menschen zufriedener, verweilen länger – und geben mehr Geld aus.
Einsatz in der Medizin
Die Forschungsergebnisse von Hanns Hatt zeigen, dass Duftrezeptoren nicht nur in der Nase, sondern auch in Organen wie Leber, Niere und Haut vorhanden sind – was wiederum neue Perspektiven in der Diagnose und Therapie, etwa bei von Krebserkrankungen, eröffnet. Möglicherweise werde Duft schon bald als therapeutisches Mittel zur Diagnose und Therapie in der Krebsforschung entdeckt, so der Experte. Auch die Wundheilung und das Haarwachstum könnten positiv von Duft beeinflusst werden. In der Sinnestherapie würden jetzt schon Düfte eingesetzt, um bei Demenzkranken positive Erinnerungen zu wecken.
Andrea Büttner vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung und Mitglied der Leitung des Campus der Sinne erforscht die maschinelle Erfassung und Interpretation menschlicher Sinneswahrnehmungen und deren Transformation ins Digitale seit langem. Sie wies in ihrem Vortrag auf die extrem heterogene Zusammensetzung von Gerüchen hin, die ihre Digitalisierung bislang noch schwierig macht. Sollte die Duft-Digitalisierung aber in der Zukunft realisiert werden können, könnte die Diagnose von Krankheiten dadurch verbessert werden – Gerüche spielen nämlich immer schon eine große Bedeutung bei der medizinischen Diagnostik.
Berufsbild Flavoristin
Der Beruf von Valérie Rota, Flavoristin bei Takasago Europe GmbH, ist es, neue Aromen zu kreieren und den Geruch realer Lebensmittel nachzubilden. Eine gute Flavoristin zeichne sich durch ein gutes Erinnerungsvermögen, Kreativität, Experimentierfreudigkeit und die besondere Fähigkeit aus, Geruch oder Geschmack mit Bildern und Emotionen verbinden zu können. Die Anfragen ihrer Kunden aus der Industrie seien vielfältig. Derzeit lägen Aromen im Trend, die kühlen, wärmen oder prickeln, erzählte die Expertin. Ab und an sieht sich Valérie Rota auch mit sehr ungewöhnlichen Wünschen konfrontiert: Einmal habe man bei ihr ein Wurstaroma für Getränke angefragt, ein anderes Mal ein Spargelaroma für Zahnpasta.
Nach so viel akustischem Input kamen die Gäste von acatech am Dienstag abschließend auch noch in den Genuss olfaktorischer Reize: Duftvorführungen, bei denen die Besucher unter anderem Geruchsblocker in der eigenen Nase erleben konnten sowie ein synthetisches Nürnberger-Bratwurst-Aroma, rundeten die Veranstaltung ab.