Ist das Technik, oder kann das weg?

München, 11. März 2022
Wenn technische Entwicklungen erst einmal in der Welt sind, wird man sie schwer wieder los. Kernkraftwerke, Industrieanlagen, alte Autos verschwinden nicht von allein, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Und sie können zur Belastung werden. Bei acatech am Dienstag am 8. März stand die (Nicht-)Rücknehmbarkeit und (Ir-)Reversibilität verschiedener Technologien sowie die damit verknüpften Folgen im Mittelpunkt. Könnte Reversibilität ein allgemein anerkanntes Kriterium zur Technikbewertung werden?
„Ist das Technik, oder kann das weg?“ oder – etwas vornehmer ausgedrückt – „Reversibilität, Zirkularität und Technikbewertung“ war das Thema der Dialogveranstaltung acatech am Dienstag am 8. März. Ausgehend von einem Beitrag in „TATuP – Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis“ definierte acatech Mitglied Klaus Kornwachs einführend reversible Technologien als solche, die man zurücknehmen kann – sie können also abgeschaltet, abgebaut und ohne Schaden durch neue ersetzt werden. Seine Hypothese: Reversible Technologie können zu einer Verringerung der technologischen und gesellschaftlichen Komplexität sowie zu einer nachhaltigeren Zivilisation beitragen. Irreversible Technologien hingegen verursachen nachhaltig Kosten.
Wie lassen sich Technologien reversibel gestalten?
Lisa Herzog, Professor of Political Philosophy an der Universität Groningen (Niederlande), brachte epistemische (inwieweit lässt sich in die Zukunft blicken?), verteilungstheoretische (wer ist haftbar für Langzeitfolgen der Technologien?) und politische Aspekte (wer entscheidet über Rücknahme oder nicht-Rücknahme?) ins Spiel. Sie betonte die soziale Dimension des Themas: Wie können einzelne Technologien, die erst einmal in Gebrauch sind, von den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern wieder abgelegt werden? Viele Erfahrungen zeigen beispielsweise, dass Menschen, die an das eigene Auto gewöhnt sind, nur sehr schwer auf den ÖPNV umschwenken.
Christian Dworak von der BSH Hausgeräte GmbH wollte die Frage „Kann das weg?“ umformulieren in „Braucht es das wirklich?“. Mit Innovationen echten Nutzen und Mehrwert für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, sei ein zentrales Unternehmensziel von BSH. Es gehe darum, die Funktionsfähigkeit über die Lebenszeit zu erhalten – im Fall von Haushaltsgeräten betrage diese typischerweise 15 bis 20 Jahre.
In der anschließenden Diskussion wurden die Begriffe „Reversibilität“, „Recycling“ und „Kreislaufwirtschaft“ nochmal genauer voneinander abgegrenzt. Einig wurde man sich, dass das Denken in den letzten Jahrzehnten einen bemerkenswerten Wandel erlebt hat: Während die Auseinandersetzung mit Schrott oder Abfällen noch vor einiger Zeit buchstäblich in der Schmuddelecke gestanden habe, seien Fragen der entsorgungsgerechten Konstruktion und Herstellung sowie der Kreislaufwirtschaft heute in Technikwissenschaften wie in der Öffentlichkeit zentral.