Unser neues Mitglied Martin Krzywdzinski im 3-Fragen-Interview zur Arbeitswelt in der Industrie 4.0
Bild: ©David Ausserhofer
München, 25. Mai 2023
Prof. Dr. Martin Krzywdzinski hat an der Freien Universität Berlin und an der Université Paris 8 Politikwissenschaft studiert und seine Promotion an der Freien Universität Berlin abgeschlossen. Er ist Professor für Internationale Arbeitsbeziehungen an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, Leiter der Forschungsgruppe „Globalisierung, Arbeit und Produktion“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Direktor am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft. Seine Forschung befasst sich mit dem technologischen Wandel sowie der Globalisierung in der Arbeitswelt. Er war und ist Mitglied in einer Reihe von Beiräten und Gremien, so etwa im Programmausschuss des Schwerpunktprogramms „Digitalisierung der Arbeitswelten“ der DFG, dem Forschungsbeirat des „Work of the Future“-Programms des MIT oder dem Beirat „Zukunft der Arbeit“ beim Vorstand der IG Metall. Er ist Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Fachartikel und wissenschaftlicher Publikationen.
Welche Impulse möchten Sie als Arbeits- und Industriesoziologe im Forschungsbeirat Industrie 4.0 setzen?
Wichtig sind für mich Fragen der Partizipation und der Arbeitsorganisation. Durch gut funktionierende Formen der Partizipation von Beschäftigten an der Gestaltung neuer Technologien können wir sicherstellen, dass neue Technologien an die menschlichen Bedarfe angepasst werden. Wir können aber auch Ängste abbauen. Die Diskussion in Deutschland ist – etwa im Bereich KI – stark von Sorgen und vielleicht zu wenig von der Suche nach innovativen Formen einer partizipativen Technologieentwicklung geprägt. Eine solche Entwicklung braucht auch neue Ansätze der Arbeitsorganisation: agil, mit weniger Hierarchien, auch mit mehr cross-funktionaler Zusammenarbeit.
Wie verändern sich die Arbeit und Arbeitsbeziehungen in der international vernetzten Industrie 4.0?
Trotz der internationalen Vernetzung sind gerade die Arbeit und Arbeitsbeziehungen stark durch die nationalen Institutionensysteme geprägt. Die Elemente des deutschen Modells wie Mitbestimmung, Berufsausbildung und langfristige, sichere Beschäftigungsverhältnisse stehen im Wettbewerb mit ganz anderen Modellen etwa in den USA oder in China. Gerade im industriellen Bereich hat das deutsche Modell stärken, die auch für das Thema Industrie 4.0, für Prozesse der Digitalisierung genutzt werden können. Das bedarf aber eine Modernisierung der Institutionen, etwa durch eine stärkere Verbindung klassischer Ausbildungsinhalte in Industrieberufen mit den neuen Themen wie Data Science, KI, industrielles Internet der Dinge, oder auch durch eine Weiterentwicklung der Mitbestimmung.
Mit Blick auf die kommenden 5 Jahre: Welche Chancen aber auch Herausforderungen sehen Sie für gute Arbeit in der Industrie 4.0?
Chancen sehe ich in der riesigen Expertise der Beschäftigten und Unternehmen sowie auch in der zumeist gut funktionierenden Zusammenarbeit von Akteuren in der Industrie, der Arbeitswelt, auch auf staatlicher Ebene. Massive Herausforderungen sehe ich durch die Überlagerung mehrerer großer Veränderungen: neben der Industrie 4.0 steht die deutsche Wirtschaft vor der sozioökologischen Transformation und zugleich vor zunehmenden geopolitischen Spannungen, die das bisherige exportbasierte Wachstumsmodell in Frage stellen könnten. Diese Veränderungen wirken sich auch auf Arbeit und Beschäftigung aus und werden alle Akteure herausfordern.