Warum Medizintechnik individualisierte Medizin erst möglich macht
Gesundheitstechnologien
Warum Medizintechnik individualisierte Medizin erst möglich macht
Mit der Lebenserwartung steigt in Deutschland und anderen Ländern auch das Risiko von Mehrfacherkrankungen und chronischen Leiden. Schonende, präzise, individuell zugeschnittene Behandlungsmethoden werden deshalb immer wichtiger. Die Medizin der Zukunft wird passgenau auf den einzelnen Menschen abgestimmt sein: auf seine genetische Prägung, seine Lebensweise und sein individuelles Krankheitsbild. Daran wird die Biotechnologie, deren Potenziale in diesem Zusammenhang acatech bereits 2016 im Rahmen des Innovationsdialogs mit der Bundesregierung diskutiert hat, entscheidend Anteil haben.
Jeder Mensch wird auch einmal Patient – und jeder Patient ist anders. Patienten wollen deshalb als Individuum im Mittelpunkt jeder medizinischen Behandlung stehen. Zugleich sollte jede medizinische Behandlung evidenzbasiert, also in ausreichenden Fallzahlen erprobt sein. Die individualisierte Medizin verbindet beide Prinzipien. Ihr Erfolg ist untrennbar mit neuer Medizintechnik verbunden.
Dieter Spath
Medizintechnik in Diagnostik und Therapie
In ihrer Position „Individualisierte Medizin durch Medizintechnik“ beleuchtet acatech das breite Anwendungsspektrum technischer Innovationen für die individualisierte Patientenversorgung und formuliert Handlungsempfehlungen an Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Die Akademie spricht sich dafür aus, medizintechnische Expertisen aus Forschung, Klinik und Industrie im Sinne der Translation zu bündeln.
Maßgeschneiderte Prothesen und Implantate
Durch ein Höchstmaß an Individualisierung sollen künftig zum Beispiel Prothesen und Implantate besser sitzen, besser vertragen werden und länger halten. Bisher wurden sie ähnlich wie Kleidungsstücke in zuvor definierten Größen angeboten und passten folglich nicht für jede Patientin und jeden Patienten gleich gut. Das Ziel innovativer Forschungsansätze ist es, auf Basis präziser dreidimensionaler Bilddatensätze und mithilfe der 3D-Druck-Technologie individuelle Prothesen und Implantate anzufertigen, die für jeden Menschen maßgeschneidert sind. Intelligente Prothesen sollen zudem in der Lage sein, gezielt Wirkstoffe zur Entzündungshemmung oder Wundheilung freizusetzen und sich immer enger an die Bedürfnisse des jeweiligen Menschen anzupassen – beispielsweise an das Bewegungsprofil oder die Stoffwechselfunktion. Die bessere Verträglichkeit könnte durch den Einsatz körpereigener Zellen erreicht werden, da diese seltener vom Immunsystem abgestoßen werden.
Digitalisierung in der Medizin
Die Medizin wird durch eine immer stärkere Digitalisierung vorangebracht. Alle Mess- und Labordaten, Bilder, Anamnesen, Diagnosen und Therapieversuche werden als digitale Datensätze verfügbar sein.
Patientenmodelle bilden Patienten immer genauer ab. Anhand solcher Patientenmodelle entwickeln wir maßgeschneiderte medizinische Verfahren. Dazu benötigen wir einen Zugang zu Patientendaten aus verschiedenen Arztbesuchen. Zweitens benötigen wir digitale Informations- und Ratgebersysteme, in denen wir anhand der Patientenmodelle gezielt Symptome oder Behandlungsmöglichkeiten analysieren. Eine durch Big-Data unterstützte Medizin nutzt dem einzelnen Patienten. Zugleich wächst mit jeder Therapie der digital aufbereitete Erfahrungsschatz für die Zukunft.
Thomas Lenarz, Klinikdirektor Hals-Nasen-Ohrenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover, acatech Mitglied
Ethische, rechtliche und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen
Da medizinische Daten hochsensible, persönliche und vertrauliche Daten sind, müssen datenschutzrechtliche und ethische Fragen sorgfältig geklärt werden. Es geht nicht nur darum, wie die Daten geschützt werden, sondern auch wozu sie herangezogen werden und wozu nicht. Diese Diskussion möchte auch die Plattform Lernende Systeme fördern, deren Co-Vorsitz acatech Präsident Jan Wörner inne hat.
Kontakt
Dr. Anna Frey
acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
Leiterin Themenschwerpunkt Technologische Souveränität und industrielle Wertschöpfung
Tel.: +49 89 520309-58 frey@acatech.de