Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie bringt Lebensqualität und ermöglicht wirtschaftlichen Wohlstand. Unser Mobilitätssystem muss sich heute jedoch mehr denn je an die Lebenswirklichkeit und an umwelt- und klimapolitische Ziele anpassen. acatech möchte mit Leuchtturm-Projekten wie “Neue autoMobilität” oder der “Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität”, einem Expertenkreis und dem Themennetzwerk Mobilität, Logistik- und Raumfahrttechnik dazu beitragen, den Verkehr der Zukunft zu gestalten – innovativ und technologieoffen. Zur Bündelung der Aktivitäten hat acatech im Juli 2018 einen Themenschwerpunkt Mobilität eingerichtet. Das Ziel: eine intelligentere, ökologischere und vor allem nutzerfreundliche Mobilität.
Wird die Elektromobilität mit den Vorteilen der Automatisierung und Vernetzung zusammengedacht, entsteht ein völlig neues Stadtbild. Es geht die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit ebenso an wie die Reduzierung von Lärm und Staus oder den Wunsch nach weniger Stress beim Fahren. Das Fahrzeug nimmt dem Fahrer in Zukunft immer mehr Aufgaben ab. Mit der Vernetzung unseres Mobilitätssystems haben wir die Chance auf stetigere Verkehrsflüsse und völlig neue Mobilitätsangebote. In Verbindung mit elektrischen Antrieben tragen wir zur Energiewende auf die effizienteste Weise bei.
Henning Kagermann, Vorsitzender des acatech Kuratoriums und der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität
Die technologischen Treiber für die Mobilität der Zukunft
Unser Mobilitätssystem wandelt sich grundlegend. Dekarbonisierung und Digitalisierung prägen diesen Transformationsprozess. acatech sieht vor allem drei große technologische Treiber dieser Entwicklung: Den Antriebswechsel, insbesondere in Richtung der Elektrifizierung, die Automatisierung und die Vernetzung.
Elektromobilität ist eine Schlüsseltechnologie zu einer integrierten Klima-, Energie- und Mobilitätsstrategie, weil sie sich am besten mit einem regenerativen Stromsystem verbinden lässt. Sie kann fossile Kraftstoffe für mobile Anwendungen langfristig ersetzen und in Verbindung mit erneuerbaren Energien den dringend nötigen Beitrag des Verkehrssektors zur Erreichung der Klimaziele und des Umweltschutzes leisten. Gerade in Großstädten und Megacities erhöhen Elektrofahrzeuge durch ihre lokale Emissions- und Lärmfreiheit die Lebensqualität in urbanen Ballungsräumen. Schon heute emittieren batterieelektrische Fahrzeuge (BEV), unter Berücksichtigung des aktuellen deutschen Strommix, weniger CO2 über den gesamten Lebenszyklus als vergleichbare konventionelle Fahrzeuge. Mit regenerativ erzeugtem Strom z. B. aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse werden BEVs sogar nahezu zu Null-Emissionsfahrzeugen. Elektromobilität bildet damit die Basis für eine nachhaltige Mobilität der Zukunft. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) deshalb das Ziel ausgegeben, bis 2020 Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität zu werden – und die Entwicklung mit Fördermaßnahmen zu begleiten.

Spätestens seit der industriellen Revolution erledigen Maschinen massenweise bestimmte Arbeiten. Automatisierung in diesem Sinne kommt nun in voller Bedeutung des Wortes bei unseren Autos an. Durch das elektronische Stabilitätsprogramm, Notbrems-, Einpark- und Spurhalteassistenten haben wir schon einen Vorgeschmack auf die mögliche Erleichterung durch Automatisierung bekommen. Der Fahrer – immer noch der Hauptverantwortliche für Verkehrsunfälle – wird bei immer mehr Aufgaben entlastet. Vollautomatisierte Fahrzeuge und letztlich das gänzlich autonome Fahren werden immer realistischer. Mit der Vollautomatisierung bis zum autonomen Fahren rückt der letzte Schritt zur Vision Zero in Reichweite – also dem Ziel, Verkehrstote zu vermeiden. Automatisiertes Fahren bietet eine große Chance für die Verkehrssicherheit. acatech zeigt in seiner Studie “Neue autoMobilität” aber auch, dass dieser Prozess schrittweise gegangen werden muss, damit nicht neue Risiken entstehen, um bisherige zu vermeiden. Dass Rahmenbedingungen entsprechend der Erfahrungen in Testfeldern weiterentwickelt werden müssen und Politik, Wirtschaft und Gesellschaft diese Entscheidungen gemeinsam diskutieren und voranbringen. Denn automatisiertes Fahren kann nur als Vorteil für unsere Gesellschaft und den Automobilstandort Deutschland genutzt werden, wenn ein entsprechender Konsens besteht.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung von Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur rückt die Mobilität der Zukunft in greifbare Nähe. Autos, Verkehrszeichen, Ampeln, Parkplätze und weitere Infrastrukturelemente unseres Verkehrs werden durch Sensorik und Prozessoren zukünftig selbst Daten erheben, weiterleiten oder selbst auswerten und verarbeiten. Auch durch die enormen Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz können hieraus in nahezu Echtzeit wertvolle Informationen (Smart Data) gewonnen werden, die in dieser Form bisher nicht zur Verfügung standen. Das Fahrzeug avanciert dabei zum Knotenpunkt im Internet (Smart Car). Es ermöglicht eine intelligente Steuerung der Verkehrsflüsse (Smart Traffic).

Mobilität bedeutet nicht mehr nur den Transport von einer Person oder einer Sache, zum Beispiel einem Paket, von A nach B. Mobilität kann viel stärker vom Nutzer aus gedacht und angeboten werden: Mobilität als Dienstleistung (Mobility as a Service). Der treibende Faktor ist die Vernetzung zu einem Internet der Dinge, Daten und Dienste. Dabei entstehen digitale Ökosysteme. Nicht mehr ein bestimmter Anbieter eines Produkts ist für den Kunden interessant, sondern das Zusammenwirken der verschiedenen Beteiligten, die im Verkehr Daten sammeln, anbieten, auswerten, mit weiteren Daten verknüpfen und daraus nutzerorientierte Angebote spinnen, zum Beispiel Infos über die aktuelle Verkehrslage auf meiner Route. Durch Vernetzung im Verkehrssektor entstehen so digitale Mobililtäts-Ökosysteme.
Im acatech Projekt Neue autoMobilität II hat eine interdisziplinäre Projektgruppe ein Zielbild für die automatisierte vernetzte Mobilität 2030+ erarbeitet. Dieses zeigt vielversprechende technologische Mobilitätsinnovationen und beleuchtet darüber hinaus, wie Automatisierung und Vernetzung aus Sicht unserer Städte und Kommunen sinnvoll in unsere Verkehrssysteme eingebunden werden sollten, um unsere Städte lebenswerter zu machen, ländlichere Regionen besser zu versorgen und verkehrsinduzierende Effekte zu vermeiden. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte der Studie “Neue autoMobilität II” findet sich hier.
Der Mensch im Mittelpunkt
Ziel einer nachhaltigen Transformation unseres Verkehrssystems ist ein Weniger an Verkehr und Umweltbelastungen bei einem Mehr an Mobilität. Mit Hilfe der technologischen Treiber können passende Lösungen entwickelt werden – ebenso entscheidend sind schließlich die Menschen und deren Mobilitätsbedürfnisse.
Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Mobilitätssystem der
Zukunft ist es entscheidend, alle Beteiligten mitzunehmen. Denn nicht allein technologische Entwicklungen oder gesetzliche Rahmenbedingungen bestimmen die Zukunft unserer Mobilität, sondern vor allem die Akzeptanz der Bürger, die das Mobilitätsystem heute und in Zukunft nutzen.
Thomas Weber, Vizepräsident und Pate des Themenschwerpunkts Mobilität bei acatech
Im Auftrag von acatech hat das Institut für Demoskopie (IfD) Allensbach im Frühjahr 2019 die Mobilitätsbedürfnisse und -muster der Bevölkerung untersucht.
Die repräsentative Umfrage „Mobilität und Klimaschutz“ fragt nach Wünschen und Sorgen der Bürger und erhebt Einstellungen gegenüber möglichen zukünftigen Mobilitätsformen und Technologien wie Elektromobilität, automatisiertes Fahren und Carsharing. Die Ergebnisse werden in laufende und zukünftige Projekte von acatech eingehen.
Wenn wir alle Dimensionen der Mobilität aktiv, strategisch und verkehrsträgerübergreifend gestalten, können wir die Mobilität für Menschen und Umwelt verbessern – um auch in Zukunft eine bezahlbare, nachhaltige und klimaschonende Mobilität sicherzustellen und wettbewerbsfähige Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten.