Immer stärker zeichnet sich ab: Die Biotechnologie kommt der Digitalisierung in den gesellschaftlichen Auswirkungen mindestens gleich. In einem acatech IMPULS analysiert acatech „Innovationspotenziale der Biotechnologie“. Das Fazit: Biotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Auch im von acatech vorbereiteten Innovationsdialog der Bundeskanzlerin war Biotechnologie ein Thema und wurde in der Folge in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Dieser sieht eine ressortübergreifende Agenda „von der Biologie zur Innovation“ vor.
Vor ein paar Jahren sahen viele Unternehmen digitale Technologien als Hilfsmittel, nicht als Innovationstreiber in allen Branchen. Ganz ähnlich ist es heute bei den Biotechnologien. Wir brauchen also einen Weckruf. Deutschland muss nicht nur in der Forschung gut sein, sondern auch in der Anwendung modernster Biotechnologien.
Herrmann Requardt, acatech Präsidiumsmitglied
CRISPR/CAS, schnelle Analyseverfahren und Big Data
Die Biotechnologien entwickeln sich rasant, weil neue Verfahren und die Verbindung mit digitalen Technologien zusammenkommen:
- Die Verfahren der Analyse von Genom, Proteom und Metabolom werden schneller – in einem Tempo, das das Mooresche Gesetz der Mikroelektronik deutlich übertrifft.
- Die sogenannte Genschere (CRISPR/CAS) ermöglicht chirurgisch genaue Änderungen im Genom. Eine offene politische Frage ist, in wie weit der gesetzliche Rahmen für klassische gentechnische Verfahren auch für diese neue Methode gilt.
- Die Genomanalyse produziert riesige Datenmengen. Nutzbar werden sie mit Big Data. Immer leistungsfähigere Rechner simulieren neue Verfahren digital und beschleunigen die Forschung noch weiter.
- Neue Verfahren der Synthetischen Biologie entwickeln passgenaue künstliche Genome, statt natürliche zu verändern. Dieses Forschungsfeld haben acatech, DFG und Leopoldina bereits 2009 vermessen.
CRISPR- Cas9 kann der Menschheit ungeheuer viel Gutes bringen, aber natürlich müssen wir verantwortungsbewusst damit umgehen. Eingriffe in die menschliche Keimbahn beispielsweise, die das Erbgut künftiger Generationen beeinflussen, lehnen die meisten meiner Kollegen und auch ich selbst ab.
Emmanuelle Charpentier, Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, acatech Mitglied
Biologisch inspirierte Material- und Werkstoffe
Die Biologisierung der Materialforschung – das heißt, sich von der Natur inspirieren zu lassen, wie biologische Ressourcen, Prinzipien und Verfahren genutzt werden können, birgt große Innovationspotenziale für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland.
Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte acatech DISKUSSION „Materialforschung: Impulsgeber Natur“ zeigt anhand von Beispielen die Vielfalt und große Bandbreite an möglichen Struktur-, Funktions- und Syntheseprinzipien auf, mit denen die Natur die Materialforschung bereits inspiriert und in Zukunft noch weiter voranbringen wird. In verschiedenen Anwendungsfeldern werden neue materialbasierte Innovationen an der Schnittstelle von Biologie und Technik exemplarisch dargestellt, die Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen zugutekommen.
Dass die Natur als Impulsgeber für technische Entwicklungen in Erscheinung tritt, ist nicht neu. Das Potenzial ist aber bei weitem nicht ausgeschöpft. In der Natur werden komplexe Strukturen auf effiziente Weise mit wenigen Bausteinen produziert, die über unterschiedliche Funktionen und Adaptionseigenschaften verfügen. Wenn wir diese natürlichen Mechanismen immer besser verstehen und technisch weiterentwickeln, können zum Beispiel Materialien entstehen, die bereits von Beginn an Informationen über die spätere Nutzung enthalten – wie zum Beispiel selbstheilender Beton.
Peter Fratzl, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG), acatech Mitglied
Aufholen bei der Anwendung von Biotechnologien
Die Biotechnologie gehört zu den dynamischsten Technikfeldern unserer Zeit. Deutschland ist in Wissenschaft und Forschung gut. In der Anwendung und Gründung neuer Unternehmen sind andere Länder stärker.
acatech IMPULS „Innovationspotenziale der Biotechnologie“, S. 6
Auf eine offene gesellschaftliche Debatte kommt es an
Biotechnologien sind immer wieder in der gesellschaftlichen Diskussion. Eine offene, dialogische Technikkommunikation ist deshalb gerade in diesem Bereich besonders wichtig. Am Beispiel der Biotechnologie hat acatech die zurückliegende gesellschaftliche Debatte untersucht. Mit Blick in die Zukunft zeigt die Akademie wie eine nachhaltige Biotechnologie-Kommunikation aussehen kann, die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Wissen, ihren Werten und ihren Interessen aktiv einbindet.