Die Welt im Wandel: Die Perspektive aus dem All – Ein Gastbeitrag von Hansjörg Dittus
München, 10. Dezember 2019
Der Globale Wandel ist spürbar und verändert die Lebensbedingungen auf der Erde. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, ist es daher wichtig, seine Auswirkungen möglichst genau vorhersagen zu können. Wir müssen den Wandel daher bestmöglich erfassen und dokumentieren – und das geht am besten vom Weltall aus. Der Blick von oben ermöglich es zudem gleichzeitig die Wirksamkeit politischer Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu kontrollieren.
Die Erde befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel – und der Mensch löst diese Veränderungen häufig aus oder trägt in einem bedeutenden Maße dazu bei. Dazu gehören beispielsweise die zunehmende Urbanisierung, die Intensivierung der landwirtschaftlichen Flächennutzung ebenso wie der Plastikmüll oder auch der Verlust der Biodiversität und die Veränderungen der Luftqualität. Deutlich spürbar ist der Wandel auch durch das Abschmelzen von Gletschern und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels.
Das Monitoring des Globalen Wandels und die Suche nach Maßnahmen, die die Auswirkungen verringern, erhalten daher eine immer größere Relevanz: 2015 wurde auf der UN-Klimakonferenz COP 21 in Paris ein Abkommen beschlossen, das die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, im Vergleich zum vorindustriellen Niveau vorsieht.
Erfassen, auswerten, modellieren
Die notwendigen Maßnahmen können jedoch nur effektiv durchgeführt werden, wenn Ist-Zustände und Veränderungsprozesse wissenschaftlich erfasst und ausgewertet werden. Auch die Effektivität der Maßnahmen kann nur so objektiv beurteilt werden. Wichtig ist der Blick in die Zukunft, für den aus Messdaten Modellierungen entstehen, um Prognosen auf der Basis von wissenschaftlichen Fakten zu erstellen. Die objektive Erfassung der Veränderungsprozesse hilft auch dabei, einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu ermöglichen. Nicht zuletzt erfordern Katastrophenfälle wie beispielsweise Waldbrände, Tsunamis oder Hochwasser eine exakte Beobachtung des Globalen Wandels, um rechtzeitig warnen oder angemessen reagieren zu können. Die Erdbeobachtung und somit die Perspektive aus dem All ist dabei die einzige Möglichkeit, die dieses Monitoring global, flächendeckend und in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung und Genauigkeit leisten kann – unabhängig von politischen Zwängen.
Methoden für die Zukunft
Mit der Konzeption von Erdbeobachtungsmissionen wie der Radarmission TanDEM-L treibt die deutsche Wissenschaftsgemeinschaft die Forschung für den Globalen Wandel weiter voran und reagiert auf eine große Bandbreite wissenschaftlicher, kommerzieller, behördlicher, gesellschaftlicher und politischer Anforderungen und Bedarfe. Mit der vorgeschlagenen TanDEM-L Mission könnte unsere Erde wöchentlich erfasst und detaillierte Informationen zum Globalen Wandel und den damit verbundenen dynamischen Prozessen geliefert werden. Die Möglichkeiten der Mission sind vielfältig: Die Veränderungen der Waldbiomasse werden global und regelmäßig registriert. Die Erdbebenforschung profitiert von der systematischen Erfassung der Deformationen der Erdoberfläche im Millimeterbereich. Der Wasserkreislauf kann durch die feinskalige Messung der oberflächennahen Bodenfeuchte besser verstanden werden. Auch Prognosen zum Anstieg des Meeresspiegels sollen sich durch die präzise Quantifizierung von Gletscherbewegungen und Schmelzprozessen in den Polarregionen verbessern. TanDEM-L stellt somit die notwendigen Basisinformationen für das objektive, globale und zeitlich hochaufgelöste Monitoring unserer Erde bereit. Wie eine solche Mission realisiert werden könnte, ist derzeit in der politischen Diskussion – aber haben wir eine Wahl vor dem Hintergrund des Globalen Wandels/Klimawandels?
Eine weitere Herausforderung in der Erdbeobachtung sind zudem die riesigen Datenmengen, die die Satelliten in hoher Auflösung täglich über den Zustand unseres Planeten erfassen. Konventionelle Verfahren sind kaum noch in der Lage, die vorhandenen Daten effektiv auszuwerten. Zudem werden nicht nur Daten der Satelliten ausgewertet, sondern auch beispielsweise Daten aus sozialen Netzwerken, oder von Messsystemen auf unserer Erde. Nicht nur die stetig ansteigende Menge an Daten wird damit zum Problem, sondern auch ihre Heterogenität. Methoden der Künstlichen Intelligenz gekoppelt mit performanten Recheninfrastrukturen sind daher essentiell.
Unsere „Grüne Lunge“
Mittels der nationalen SAR Mission TanDEM-X wurde ein digitales und hochpräzises Höhenmodell der gesamten Erde berechnet. Auch das Abbild der „Grünen Lunge“, der Waldflächen der Erde, deren Ausdehnung in einer globalen Karte mit einer Auflösung von 50 Metern dargestellt wird, ist ein Produkt der TanDEM-X-Mission. Über 400.000 Datensätze wurden hierfür am DLR verarbeitetet, um so eine Bestandsaufnahme zu erhalten. Erstmals entstand so ein einheitlicher Überblick über die Regenwälder in Südamerika, Südostasien und Afrika.
Die Waldkarte ist damit auch eine wichtige Grundlage für die Aufzeichnung des Globalen Wandels und die Empfehlung notwendiger Gegenmaßnahmen: Für Behörden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind die Erkenntnisse bedeutsam, da Waldgebiete vor illegaler Abholzung geschützt und als mächtige Kohlenstoff-Speicher erhalten werden müssen. Weitere potenzielle Nutzer und Nutzerinnen kommen aus der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Regionalentwicklung sowie der Raumplanung.
Dem Methan auf der Spur
Regenwälder, tropische Feuchtgebiete oder auch Permafrost-Regionen haben etwas gemeinsam: Sie sind natürliche Quellen für das Treibhausgas Methan (CH4) – und Messungen vor Ort sind so gut wie nicht möglich, da diese Gebiete oftmals kaum zugänglich sind. Um effektiven Klimaschutz betreiben zu können, ist es aber dringend notwendig, den Zyklus des Treibhausgases Methan besser zu verstehen. Schließlich ist Methan nach Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid das wichtigste Treibhausgas und verantwortlich für etwa 20 Prozent der seit vorindustrieller Zeit durch langlebige Treibhausgase verursachten Klimaerwärmung.
Der deutsch-französische Kleinsatellit MERLIN (Methane Remote Sensing LIDAR Mission) wird aus rund 500 Kilometern Höhe einen freien Blick auf die Erde haben: Drei Jahre soll MERLIN ab 2024 mit Hilfe eines LIDAR-Instruments (Light Detecting and Ranging) den Methangehalt in der Erdatmosphäre global und hochpräzise messen und so unter anderem die Daten für eine Weltkarte der natürlichen und anthropogenen Methankonzentration liefern. So kann auch identifiziert? werden, was die Freisetzung von Methan verursacht. Die wesentlichen vom Menschen verursachten Methan-Quellen sind Reisanbau, Viehhaltung, Erdöl- sowie Erdgas-Förderung, Bergbau und Mülldeponien.
Es ist Zeit zu Handeln
Anfang November diesen Jahres und knapp vier Wochen vor dem UN-Klimagipfel in Madrid hat ein Fachartikel in der Zeitschrift BioSciene für hohe mediale Aufmerksamkeit gesorgt. In dem von mehr als 11.000 Wissenschaftlern aus 153 Ländern unterschriebenen Bericht wird ausdrücklich davor gewarnt, dass «unsägliches menschliches Leid» nicht mehr zu verhindern sei, wenn sich das menschliche Verhalten auf unsere Umwelt in der Zukunft nicht grundlegend ändere. Darüber hinaus heißt es: „Aus den vorliegenden Daten wird klar, dass ein Klima-Notfall auf uns zukommt.“ Wie oft in ähnlichen Fällen, gibt es an dem Artikel und den zugrundeliegenden Daten und hergeleiteten Schlussfolgerungen Zweifel an der Glaubwürdigkeit – auch Mickey Mouse hat unterschrieben. Am 28.11.2019 wurde vom Europaparlament der Klimanotstand für Europa ausgerufen. Es ist zwar eher ein symbolischer Akt, der aber Druck für konkrete Gesetzgebung und Handlungsmaßnahmen aufbauen soll. Das EU Parlament unterstreicht damit auch im Vorfeld zur UN Klimakonferenz, dass wegen des Klimawandels dringend gehandelt werden muss. Der Blick von oben – also die Erdbeobachtung ermöglicht es uns die Wirksamkeit politischer Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu kontrollieren, die Auswirkungen zu dokumentieren und Prognosen für die Zukunft zu erstellen.
Hansjörg Dittus ist seit dem 2011 im Vorstand des DLR zuständig für den Bereich Raumfahrtforschung und -technologie. Dittus studierte von 1977 bis 1982 Physik und Geophysik an der Universität München. Er ist ausgewiesener und anerkannter Fachmann im Bereich Gravitations- und Fundamentalphysik und den damit verbundenen Technologieentwicklungen. Darüberhinaus ist Herr Dittus Mitglied der Arbeitsgruppe Nachhaltige Landwirtschaft der acatech HORIZONTE.
Die Beiträge im HORIZONTE logbuch geben die Meinungen und Experteneinschätzungen der Autorinnen und Autoren wieder und nicht Positionen von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften.