HORIZONTE nachgelesen!
HORIZONTE nachgelesen!
Auf Erkundungstour im Werkzeugkasten von Natur und Technologie
Brot backen, mit Gallseife Flecken entfernen und impfen. Was haben diese Vorgänge miteinander zu tun? Das Stichwort ist Biotechnologie. Biotechnologie begleitet unseren Alltag mehr, als uns allen bewusst ist. Und genau darum geht es in unserer neuesten Ausgabe der acatech HORIZONTE. Für alle Wissbegierigen, die weiterlesen wollen, haben wir im HORIZONTE nachgelesen! auch dieses Mal weiterführende Links zu Artikel, Videos und anderen spannenden Inhalten gesammelt. Los geht die Erkundungstour!
Biotechnologie ist die zukunftsweisende Querschnittswissenschaft, die den Werkzeugkasten der Natur mit Technologie verbindet. Was vor Jahrhunderten eher durch Zufall begann, führt heute dazu, dass innerhalb kurzer Zeit ein Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt werden konnte. So, wie die Diversität in der Natur riesig ist, so sind auch die Anwendungsfelder und Forschungsgebiete in der Biotechnologie scheinbar unendlich. Oft denken wir bei nur an hochkomplexe Verfahren im Bereich Medizin oder Gentechnik. Dabei fängt Biotechnologie bereits beim heimischen Backen mit dem Hefeteig an! Immer wenn wir uns die Fähigkeiten von Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilzen zunutze machen, ein Produkt herzustellen oder zu verändern, sprechen wir von Biotechnologie.
Biotechnologie macht müde Biertrinker munter
Wie die Biotechnologie den Alltag der Menschen schon seit Jahrtausenden begleitet und auch heute immer weiterentwickelt wird, illustriert das Beispiel vom Bier: bereits im antiken Mesopotamien wurde vor 4000 Jahren aus Malz und Hopfen mithilfe von Hefen Bier gebraut. Heutzutage tüfteln Forschende daran, Bier ohne Hopfen herzustellen, oder ein Bier, das nicht müde macht, und versuchen alkoholfreies Bier zu brauen, das genauso schmeckt wie alkoholhaltiges Bier. Obwohl die Biotechnologie also bereits seit Jahrtausenden von Menschen angewandt wird, bringt sie dank neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse immer wieder innovative Produktionsprozesse hervor, durch die Verfahren in der Medizin, der Nahrungsmittelproduktion, der Landwirtschaft, oder in der Industrie effizienter, umweltschonender oder günstiger gestaltet werden können.
Algen sind WIRKLICH gesund
Algen schmecken nicht nur gut in der vegetarischen Küche oder in asiatischen Gerichten. Sie können noch so viel mehr! Von Plastiktütenersatz bis hin zu Anwendung in der Medizin – Algen sind echte All-Rounder, weshalb die EU-Kommission jetzt die Stakeholder Plattform für Algenforschung EU4Algae gegründet hat. Algen werden künftig vor allem aus Ernährung und Medizin nicht mehr wegzudenken sein. Das schottische Meeresforschungsinstitut SAMS forscht aktuell mit Unterstützung des Münchner Unternehmens BRAIN Biotech AG daran, durch genetische Veränderungen an Algen kostengünstig Omega-3-Fettsäuren herzustellen. Auch im Kampf gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED; englisch: inflammatory bowel disease, IBD) haben Algen den Durchbruch gebracht und ermöglichen es Patienten heute, trotz der chronischen Krankheit schmerzfrei zu leben.
Gentechnik sinnvoll und sicher einsetzen
Zum Werkzeugkasten der Natur gehört auch das Erbgut von Lebewesen, die sogenannte DNA – und seine Veränderung. Die „zufällige“ Veränderung des Erbguts hat über Jahrmillionen Pflanzen und Organismen zu ihrem heutigen Aussehen verholfen. Wie genau diese „Evolution“ funktioniert, ist immer noch ein Forschungsgegenstand. Erbgut lässt sich aber auch gezielt verändern. Zu den traditionellen Methoden der sogenannten Mutagenese, die auf Mutation, Selektion und Fortpflanzung beruhen, kommen heute die modernen Verfahren der Gentechnik hinzu. So kann man beispielsweise mit der erst vor wenigen Jahren von den beiden Wissenschaftlerinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna entdeckten sogenannten Genschere (CRISPR) schnell und relativ einfach punktgenaue Veränderungen bei Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und Menschen vornehmen. Mit dieser Methode ist es zum Beispiel gelungen, eine Zelltherapie für die Auto-Immunerkrankung Systemischer Lupus erythematodes (SLE) zu entwickeln, die vor allem bei jungen Frauen auftritt. 2021 konnte damit erstmals einer jungen Frau das Leben gerettet werden.
Gentechnik als Helfer im Kampf gegen die Auswirkungen der Klimakrise
Aber Gentechnik spielt nicht nur in der Medizin eine wichtige Rolle. Seit der Mensch mit der Landwirtschaft sesshaft geworden ist, hat er stets versucht, mithilfe von Züchtung seinen Ernteerfolg zu steigern. Die moderne Gentechnik bietet mit dem genome-editing dabei ganz neue Möglichkeit. Präzise gentechnische Verfahren ermöglichen es, Pflanzen resistenter und ertragreicher zu machen oder sogar neue Arten zu domestizieren und dadurch die globale Lebensmittelversorgung nachhaltig zu stärken. Wie ein Gen den Unterschied zwischen Ernte und Missernte machen kann, erklärt die Wissenschaftlerin Pamela Ronald in ihrem TED Talk. Entsprechend veränderte Pflanzen erfordern außerdem auch einen geringeren Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln und können damit einen großen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten. Gentechnisch veränderte Nahrungsmittel können viele Herausforderungen adressieren, ihre Entwicklung und Nutzung ist dennoch umstritten – sich umfassend über den aktuellen Forschungsstand zu informieren deshalb umso wichtiger! Einen Überblick, ob und wie sicher gentechnisch modifizierte Pflanzen sind, gibt dieses Video der beliebten Kurzgesagt-Serie.
Fleisch aus dem Drucker
Gentechnik ist aber nicht die einzige Form bei der Veränderung von Lebensmitteln durch Biotechnologie! Neben klassischen biotechnologischen Verfahren zur Herstellung von Produkten wie Brot, Joghurt oder Sauerkraut werden mit der modernen Lebensmitteltechnologie häufig auch umwelt- und ressourcenschonendere Verfahren zur Lebensmittelproduktion entwickelt. Fleisch aus dem Biodrucker und Schokolade ohne Kakao klingen beim ersten Lesen erstmal absurd, sind aber bereits heute Realität und können beispielsweise Transportemissionen in globalen Lieferketten reduzieren und für mehr Tierwohl in der Tierhaltung sorgen. Damit solche Bemühungen und Innovationen in Zukunft auch von der Regierung unterstützt werden, setzt sich Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland und acatech HORIZONTE Expertin, für eine Biotechnologie-Agenda ein. In ihrem Podcast zu dem Thema erklärt sie genau, wie die Bundesregierung in Zukunft biotechnologische Methoden fördern soll und wo die Forschung gerade steht. Nicht nur das, sie macht sich auch für Frauen in MINT-Berufen stark.
Frauen in der Biotechnologie
“Was wäre, wenn Einstein, Schrödinger oder Fleming als Frau geboren wären?” Das ist die Frage, die eine Kampagne von AMIT (Association of Women Researchers and Technologists) stellt, mit dem Ziel über den sogenannten Matilda Effekt aufzuklären. Das Phänomen, benannt nach der Frauenrechtlerin und frühen Wissenssoziologin Matilda Joslyn Gage beschreibt die systematische Verdrängung und Unterbewertung weiblicher Beiträge zur Wissenschaft. 1993 untersucht die Wissenschaftshistorikerin Margret W. Rossiter die unterschiedlichen Mechanismen, die dazu führen, dass Frauen in Wissenschaft und Forschung unterrepräsentiert sind.
Oft im Verborgenen haben Frauen in der Geschichte der Biotechnologie eine wichtige Rolle gespielt. Über die vergessenen Pionierinnen der Biotechnologie sprechen wir auch in unserer neusten HORIZONTE Ausgabe. Rosalind Franklin, die eine grundlegende Rolle bei der Entschlüsselung der DNA spielte oder Margaret Dayhoff, die den Bereich der Bioinformatik entwickelte, sind nur zwei Beispiele.
Biotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Die Verbindung von Technologie und biologischem Wissen ermöglicht rasante Fortschritte in der Gesundheit, in der Ernährung und in der industriellen Produktion. Sie leistet einen Beitrag in Umwelt- und Klimaschutz und befördert die Transformation unseres Wirtschaftssystems hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Jetzt liegt es an uns, die entsprechenden Weichen zu stellen.