acatech am Dienstag zu Blockchain: Was steckt hinter dem Hype?
München, 10. April 2018
Blockchain wird meist in einem Atemzug mit Bitcoin erwähnt. Doch steckt weitaus mehr hinter der Blockchain-Technologie als die Spekulation mit digitalen Münzen. Bei acatech am Dienstag stellten Julia Bacher (WFP Innovation Accelerator) und Eugen Luft (IBM Blockchain Garage) die Technologie im Supply Chain Management und in der Entwicklungszusammenarbeit vor. Gemeinsam mit acatech Präsidiumsmitglied Claudia Eckert (Fraunhofer AISEC) diskutierten sie die Frage: Was steckt hinter dem Hype? Philip Frank (Cook and Code) führte in die Grundlagen der Blockchain ein.
Woher stammen unsere Lebensmittel? Wie kann Geld in der Entwicklungszusammenarbeit sicher dort ankommen, wo es benötigt wird? Die Blockchain kann auf diese Fragen eine Antwort sein. Bislang fokussiert die Diskussion über Blockchain Bitcoin und Anwendungsmöglichkeiten in der Finanzwelt. Dabei wird auch in anderen Bereichen bereits erfolgreich mit ihr experimentiert.
Julia Bacher (WFP Innovation Accelerator) und Eugen Luft (IBM Blockchain Garage) präsentierten bei acatech am Dienstag aktuelle Anwendungsfelder der Blockchain in der Ernährungssicherung, dem Herkunftsnachweisen von Lebensmitteln sowie in der Entwicklungszusammenarbeit. Claudia Eckert (Fraunhofer AISEC und acatech Präsidium) machte den Realitäts-Check und diskutierte den Nutzen und potenzielle Herausforderungen der Blockchain. Eine kurze Einführung zum Mechanismus der Blockchain gab Software-Consultant Philip Frank (Cook and Code). Er zeigte, dass die Blockchain nur dann sinnvoll eingesetzt werden kann, wenn Daten von mehreren Parteien abgespeichert werden, die sich nicht gegenseitig vertrauen und es auch sonst keine vertrauenswürdige Partei gibt.
From Farmer to Fork – mit der Blockchain die Herkunft von Lebensmitteln überprüfbar machen
Im ersten Use Case des Abends stellte Eugen Luft, Senior Blockchain Architect bei IBM, neue auf Blockchain basierende Konzepte zur Nachverfolgbarkeit der Herkunft und der Lieferkette von Lebensmitteln („From Farmer to Fork“) vor. Mit Hilfe einer Blockchain-basierten Supply-Chain-Lösung sei es nun möglich, Nahrungsmittelverunreinigungen früher zu erkennen. Somit kommen potenziell verdorbene Lebensmittel gar nicht erst auf den Markt. Durch Crypto Anchors sollen zudem Verwechslungen und Fälschungen von Waren ausgeschlossen werden. In einem Pilotprojekt mit der Handelsgruppe Walmart wurde die Nachverfolgungsdauer bei Lebensmitteln mit Hilfe der Blockchain von sieben Tagen auf 2,2 Sekunden verkürzt.
Blockchain in der Entwicklungszusammenarbeit
Julia Bacher, stellvertretende Leiterin des Innovation Accelerators des United Nations World Food Programmes, veranschaulichte, inwieweit die Blockchain einen Beitrag für die Entwicklungszusammenarbeit und den Kampf gegen Hunger leistet. Der Innovation Accelerator betreibt unter anderen das „Building Blocks“-Projekt. Dies ist ein vom WFP geleitetes Blockchain-Zahlungssystem in Auffangcamps für Flüchtlinge. Gerade in der Entwicklungszusammenarbeit in Ländern, ohne etablierte Infrastrukturen oder zentrale, transparente Instanzen gebe, sei die Blockchain sehr hilfreich. Die Vereinten Nationen selbst beschäftigen sich bereits seit längerer Zeit mit dem Thema Blockchain, u.a. im Bereich Flüchtlingshilfe.
Über die Blockchain kursieren viele Halbwahrheiten
Claudia Eckert, Mitglied des acatech Präsidiums und Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC), klärte in ihrem Vortrag über Missverständnisse und Halbwahrheiten über die Blockchain auf. Unter anderem übte die Informatikprofessorin Kritik an der faktischen Monopolisierungstendenz von bekannten Blockchains wie Bitcoin und Ethereum. Denn deren Anreizmechanismen führen zu sogenannten Mining-Pools. Auch werden viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch hohe Hardwareanforderungen von der Beteiligung am Betrieb einer offenen Blockchain ausgeschlossen. Außerdem hinterfragte Claudia Eckert die Unveränderbarkeit von Daten auf Blockchains in zweierlei Hinsicht. Einerseits steht diese in einem Spannungsverhältnis zu dem nun europaweit verankerten Recht auf Vergessenwerden. Andererseits können durch sogenannte Hard-Forks Transaktionen nachträglich verändert werden.
In der Politik gibt es noch großen Aufklärungsbedarf
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum stand der Aspekt im Zentrum, auf welche Fragen rund um Blockchain die Gesellschaft und insbesondere die Politik Antworten finden muss. Zwar bestünde bereits ein Bewusstsein für die Bedeutung der Technologie – der Begriff „Blockchain“ wird sieben Mal im Koalitionsvertrag erwähnt – es gebe aber noch Aufklärungs-, Entscheidungs- und Handlungsbedarf, so Claudia Eckert. Die größten Potenziale der Blockchain für den Staat sehen die Expertinnen und Experten im E-Governement, vor allem zum Bürokratieabbau. Eine potenzielle Blockchain-Strategie müsse dem Podium zufolge einem ganzheitlichen und ressortübergreifenden Blick gerecht werden.
acatech HORIZONTE zu Blockchain
Blockchain zeichnet sich klar als bedeutendes Technikfeld der Zukunft ab. Die gesellschaftlichen Auswirkungen sind aber noch unklar. Die Themenreihe „acatech HORIZONTE“ beschäftigt sich mit Technikfeldern, die unseren Alltag grundlegend verändern, aber noch nicht breit diskutiert werden. Wichtige, für viele Menschen aber noch unklare Technologien möchte acatech differenziert, anschaulich und verständlich aufbereiten und bewerten. Die Themenreihe „acatech HORIZONTE“ ist ein neues Publikationsformat, aber auch ein breit angelegter Diskussionsprozess. Ein Begleitkreis mit Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Technikkommunikation und der Gründerszene unterstützt acatech bei der Identifikation interessanter Technikfelder. Blockchain und Cybersecurity sind die ersten beiden Themen, die im Jahr 2018 in dieser Reihe aufbereitet werden. Die erste Ausgabe der „acatech HORIZONTE“ zum Thema Blockchain wird im Herbst 2018 veröffentlicht. Bis dahin plant acatech eine Reihe verschiedener Veranstaltungen zum Thema.