#acaLAB: Nachhaltig Bauen und Wohnen
München, 28. April 2023
Bau meets Klimawandel
Städte sind der Lebensraum der Zukunft. Die Vereinten Nationen prognostizieren für 2050, dass fast 70 Prozent der Weltbevölkerung im urbanen Lebensraum leben werden. Zugleich stellen globale Herausforderungen wie der Klimawandel, die Ressourcenknappheit und das Bevölkerungswachstum die Menschheit vor enorme Herausforderungen. Dafür ist vor allem im Bauwesen eine grundlegende Transformation unabdingbar.
Nach der Pilotveranstaltung acaLAB – Young Talents @acatech im Jahr 2019 fand nun 2023 die Folgeveranstaltung unter dem Thema „Nachhaltig Bauen und Wohnen“ nach der pandemiebedingten Pause statt.
Expertinnen und Experten diskutierten mit Nachwuchstalenten unterschiedlicher Fachrichtungen, wie wir klimafreundlicher bauen können. Gemeinsam entwickelten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Zukunftsszenarien nachhaltiger und lebenswerter Städte im Einklang mit dem Klimaschutz.
Impressionen des acaLABs 2023
Besichtigung Prinz-Eugen-Park: Leben im Quartier, 09.30 Uhr
acatech Präsident Jan Wörner begrüßt die Teilnehmenden des Workshops in der Prinz-Eugen-Siedlung in München. Die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit im Bausektor liege Jan Wörner besonders am Herzen und „Wir wollen mit Ihrem Geist die Zukunft gestalten”, sagte dieser zum Auftakt des #acaLAB 2023.
Die Teilnehmenden besichtigten anschließend den Prinz-Eugen-Park unter der Führung von Klaus Illigmann (Abteilungsleiter im Referat der Landeshauptstadt München für Stadtplanung und Bauordnung). Der Prinz-Eugen-Park ist eine ökologische Mustersiedlung in Holzbauweise mit etwa 1.800 Wohnungen. Sie ist nicht nur auf Nachhaltigkeit, sondern auch auf eine Quartiersgemeinschaft mit verschiedenen sozialen und strukturellen Angeboten ausgelegt.
Mehr zur Planung des Prinz-Eugen-Parks hier und zum Leben im Quartier hier.
Begrüßung der Teilnehmenden und Vorstellungsrunde, 11.00 Uhr
Nach der Führung durch den Prinz-Eugen-Park kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops im Oskar-von-Miller-Forum zusammen. Mit dabei waren Nachwuchskräfte aus den Bereichen Architektur, Bauingenieurwesen, Geographie, Politikwissenschaft und einige mehr.
Impulsvorträge, 11.30 Uhr
Die Impulsvorträge der Referentinnen und Referenten bildeten den Auftakt des Workshop-Tages und lieferten einen Anreiz zum Austausch. Philipp Benz (TU München) und Andrea Bitter (Architects4Future) referierten zu Pilzen als nachhaltiges Baumaterial und zu “10 Forderungen für nachhaltiges UMBauen”.
Nachhaltiges Bauen mit Pilzen – geht das?
Pilzbasierte Werkstoffe haben in den letzten Jahren auch in der Baubranche und in der Forschung an Bedeutung gewonnen. Sie können als nachhaltige Alternative zu traditionellen Baustoffen wie Beton, Ziegel und Holz eingesetzt werden.
Pilzbasierte Werkstoffe eignen sich insbesondere für die Herstellung von Dämmmaterialien, die in Gebäuden zur Isolierung verwendet werden. Diese Materialien können aus Pilzmyzel und pflanzlichen Abfällen hergestellt werden und bieten eine hervorragende Wärmedämmung. Auch Schall halten sie gut ab.
Ein Vorteil von pilzbasierten Werkstoffen in der Baubranche ist, dass sie biologisch abbaubar sind und weniger Abfall produzieren als traditionelle Baustoffe. Sie sind auch leichter als Beton oder Ziegel und können einfacher transportiert und verarbeitet werden. Dass sie aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, verbessert ihre Umweltbilanz weiter.
Obwohl pilzbasierte Werkstoffe in der Baubranche noch nicht weit verbreitet sind, gibt es bereits einige Unternehmen, die diese Materialien nutzen, um nachhaltigere und umweltfreundlichere Gebäude zu bauen. Es wird erwartet, dass der Einsatz von pilzbasierten Werkstoffen in der Baubranche in Zukunft weiter zunimmt, da die Nachfrage nach umweltfreundlichen Materialien steigt.
Bauwende jetzt! – 10 Forderungen für nachhaltiges UMBauen
Andrea Bittner der Architects4Ffuture sendete bei ihrem Vortrag eine klare Botschaft an die Architekturbranche: Es ist Zeit für einen Wandel. Architects4Future stellen zehn Forderungen für eine Bauwende auf und rufen Architekten und Stadtplanerinnen auf, ihre Herangehensweise an Planung und Design zu überdenken.
Die Forderungen umfassen unter anderem ein kritisches Hinterfragen von Abrissen, eine beschleunigte Energiewende und eine konsequente Umsetzung von Kreislaufwirtschaft und Klimapositivität. Ziel ist eine gesunde gebaute Umwelt, mehr Wertschätzung für Bestandbauten und mehr Biodiverstität.
Architects4Future fordert die Branche auf, soziale Verantwortung zu übernehmen und ganzheitlich und integral zu planen. Es sei an der Zeit, die Zukunft der Architektur nachhaltig und verantwortungsvoll zu gestalten und beim Bauen in Netzwerken zu denken und in den Austausch zu gehen.
Workshops, 12.45 Uhr
Die Erarbeitung von Zukunftsszenarien für Nachhaltiges Bauen und Wohnen stand im Fokus der Workshops unter Begleitung von Christian Koldewey und Patrick Ködding (beide Heinz Nixdorf Institut). Mithilfe der sogenannten ScenarioThinking-Methode reisten die Teilnehmenden gedanklich in das Jahr 2050. Sie kreierten verschiedene Szenarien, um verschiedene Zukünfte zu nachhaltigem Bauen und Wohnen in Metropolregionen wie München zu entwickeln. Die vier Szenarien unterschieden sich je nach Annahmen, zum Beispiel wie strikt politische Vorgaben umgesetzt werden und wie fortschrittlich die Innovationskultur im Bausektor ausgestaltet wird.
Der Mensch im Mittelpunkt
Um Handlungsoptionen für eine lebenswerte und urbane Zukunft in Metropolregionen abzuleiten, tauschten sich die Teilnehmenden über die künftigen Bedarfe fiktiver, aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammenden Personas aus. Je nach persönlicher Situation der Personas unterschieden sich ihre Bedarfe und Werte hinsichtlich nachhaltiger Bau- und Wohnqualität, Bezahlbarkeit, sozialem Umfeld sowie Mobilitätsinfrastruktur. Die abgeleiteten Handlungsoptionen reichten von der Einführung einer CO2-Bepreisung und einkommensabhängiger Mietpreismodelle über Regularien bzw. Verboten für die Verwendung schädlicher Baustoffe bis hin zur Anwendung flexibler Nutzungskonzepte beim Wohnen. Gerade letztere könnten beispielsweise durch digitale Plattformen wie Wohnungsbörsen und eine flexible Grundrissplanung erreicht werden.
Einig waren sich die Teilnehmenden, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt auch durch die Planung von Gemeinschaftsflächen sowie Förderung von Nachbarschaftshilfen in Form von Sharing Communities und Labs unterstützt werden könnten. Sie ergänzten im Kontext der Sustainable Development Goals der UN auch die bauplanerische Orientierung an Modellen blau-grün gebauter Umwelt, wie beispielsweise zunehmende Begrünung von Fassaden und Dächern oder die Schwammstadt. Auch die Debatte um den Ausbau eines bezahlbaren und CO2-neutralen öffentlichen Personennahverkehrs sowie die sogenannte Bodenfrage beherrschte die Diskussion der Teilnehmenden. Einig waren sie sich in der Frage nach der Bedeutung von finanzieller Förderung und de-/regulatorischer Maßnahmen seitens der Politik: Um die Weichen für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft zu stellen, sei ein abgestimmtes Zusammenspiel auf kommunaler, Landes- und Bundesebene wesentlich.
Kamingespräch, 19.30 Uhr
In der acaLOUNGE diskutierten die Teilnehmenden die erarbeiteten Ergebnisse des Workshops mit unseren Fachleuten vor Ort: Vizepräsident für Sustainable Transformation und Inhaber des Lehrstuhls für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen Werner Lang (TUM), Stadtbaurätin Elisabeth Merk (Landeshauptstadt München) und acatech Präsident Jan Wörner.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand unter anderem die für die Transformation zur Einhaltung des European Green Deals notwendige Frage, wie mehr Offenheit und Flexibilität in der Gesellschaft erreicht werden könnten. Elisabeth Merk wünschte sich für die Zukunft ein stärker interdisziplinär ausgerichtetes Bauwesen, das beispielsweise auch Denkweisen aus den Bereichen Design und Kunst berücksichtigt. Für einen Wertewandel in der Gesellschaft sah Werner Lang auch eine Aufgabe bei der Wissenschaft – Expertinnen und Experten müssten die Bürgerinnen und Bürger in die Diskussion aktueller Fragestellungen und Maßnahmen zur Einhaltung des European Green Deals aktiv einbinden.
Jan Wörner ergänzte die Bedeutung von Offenheit aller Beteiligten und deren aktive Trägerschaft bei gesellschaftlichen Teilhabe- und Beteiligungsprozessen. Er verwies auch auf das Motto von Antoine de Saint-Exupéry: Man solle die Zukunft nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen. Dafür stehen die Technikwissenschaften und dafür stehe acatech. Immer mehr ginge es darum, Möglichkeiten nicht nur zu schaffen, sondern sie auch zu ergreifen. Dafür brauche es förderliche politische Rahmenbedingungen. Hinsichtlich rechtlicher Vorgaben für nachhaltiges Bauen und Wohnen sollten primär Ziele statt Maßnahmen diskutiert werden.