Jan Wörner bei „acatech am Dienstag“ über den Nutzen der Raumfahrt für die Gesellschaft
München, 11. November 2022
In der Mitte des 20. Jahrhunderts war der Wettlauf ins All Teil des Kalten Kriegs. Heute treiben uns statt Ideologien wirtschaftliche Aspekte ins All. Beschränkte sich die Raumfahrt in der Vergangenheit größtenteils auf zwei Großmächte, so machen sich heute auch institutionelle und private Akteure auf den Weg. Raumfahrt fasziniert die Menschheit und Prestige spielt zwar noch eine Rolle in der Raumfahrt – aber der Nutzen für die Gesellschaft und das Individuum, die Wirtschaft und die Umwelt stehen heute im Vordergrund. Was die Raumfahrt der Gesellschaft konkret bringen kann, erläuterte acatech Präsident Jan Wörner am 8.11. den über 450 Gästen auf einer Online-Veranstaltung der Reihe „acatech am Dienstag“ in Kooperation mit vhs.wissen live.
Zum Vortrag (Audio) von Jan Wörner:
Podcast: Vom Nutzen der Raumfahrt – Innovationen für die Gesellschaft
Dauer: 1 Stunde 11 Minuten und 40 Sekunden
acatech Präsident Jan Wörner, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), begann seinen Vortrag mit einem Rückblick ins Jahr 1957 zum ersten künstlichen Erdsatelliten „Sputnik“. Das Signal des Satelliten wurde damals „getrackt“, das heißt an verschiedenen Orten aufgenommen und war damit der erste Schritt zur heutigen Satelliten Navigation. Damals ging es in der Raumfahrt um den Wettlauf ins All und den ersten Flug zum Mond, seitdem gab es einen Paradigmenwechsel, sagte Jan Wörner. Heute gebe es in der Raumfahrt andere Akteure, andere Rollen und eine andere Motivation. Geblieben sei die Erkenntnis, dass Wettbewerb ein Treiber ist und durch Kooperation mehr erreicht werden könne.
Beitrag der Raumfahrt für das Leben auf der Erde
Die Welt stehe vor vielen Herausforderungen, wie beispielweise dem Klimawandel, Sicherheitsthemen, Mobilität, Migration und Kommunikation, und bei allen leiste die Raumfahrt einen Beitrag zur Lösung. Immer müsse das Problem erst einmal entdeckt werden, dann müsse man es klarer umreißen, anschließend Aufmerksamkeit schaffen, das Problem bekämpfen und schließlich lernen sich den geänderten Gegebenheiten anzupassen, sagte Jan Wörner. Das Monitoring geschehe durch Satelliten im All, sie könnten beispielsweise den Ozongehalt oder den Anstieg des Meeresspiegels messen oder Sonnenstürme voraussagen. Auch die Wettervorhersage basiere auf Messungen, die von Satelliten gemacht werden. Meteoriten könnten zu einer Gefahr für die Erde werden. Deshalb gäbe es bereits Projekte, die sich damit befassen, wie Meteoriten umgelenkt werden können.
Wie vielfältig die Raumfahrt für unser tägliches Leben ist, zeigte Jan Wörner an folgenden Beispielen: Durch Plasmaexperimente auf einer Raumstation entdeckte man, dass Plasma Bakterien töten kann. Diese Erkenntnis machte sich eine deutsche Firma zu Nutze und entwickelte auf dieser Basis ein Gerät zur Wundheilung. Eine andere deutsche Firma entwickelte auf der gleichen Basis ein Gerät zur Geruchsentfernung. Als weiteres Beispiel nannte er Bremsscheiben, die aus Faserkeramikwerkstoffen gefertigt werden. Dieses Material wurde entwickelt, um Raumtransportsystemen den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu ermöglichen. Für ROSAT (ein als Röntgenobservatorium ausgelegter Satellit) wurde eine spezielle Schleifmethode der Gläser entwickelt, die heutzutage für Gläser von Gleitsichtbrillen verwendet wird. Aus der Mission ROSETTA entstammt eine Kamera, die auf der Erde zur Waldbrandfrüherkennung genutzt wird.
Abschließend warf Jan Wörner einen Blick in die Zukunft und sagte, dass sich die Raumfahrt durch den Entdeckergeist des Menschen und sein Bestreben, immer Neues zu erleben, stetig weiter entwickeln werde. Es werde sogar irgendwann möglich sein zum Mars zu fliegen, nur erleben werde er das leider nicht mehr, bedauerte Jan Wörner.