Plastik, Mikroplastik … unersetzbar, aber unzersetzbar?
München, 17. Februar 2020
Plastik und Mikroplastik in Ökosystemen – ein Problem mit vielen Ursachen, das stark mit unserem Produktions- und Konsumverhalten verknüpft ist. Das wurde auch bei acatech am Dienstag am 11. Februar deutlich, das diesmal zusammen mit dem Munich Center for Technology in Society (MCTS) der TUM ausgerichtet wurde. Jörg Drewes von der Technischen Universität München, die Jugend forscht-Gewinnerin Leonie Prillwitz, Korbinian Freier vom Bayerischen Landesamt für Umwelt und die Konzeptkünstlerin Swaantje Güntzel diskutierten mit dem Publikum über die Schwierigkeiten bei der Suche nach Mikroplastikteilchen und deren Umweltwirkung, die Wiederverwertung, aber vor allem über die Vermeidung von Plastikmüll.
Am sichersten ließen sich noch Aussagen über die Herkunft von Mikroplastik machen, erklärte Jörg Drewes vom Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der TU München in seiner Einführung: Plastikverpackungen, Reifenabrieb, Industrie und Haushalte seien dabei die Hauptquellen. Anschließend schilderte der Experte, wie das Plastik über verschiedene Zerkleinerungs- und Verschleißprozesse über Sickerwasser, Abflüsse, Verbrennung und Abregnen schließlich in die Wasserkreisläufe und dadurch in die Umwelt gelangen kann. Dabei sprach Jörg Drewes auch die Problematik bei der genauen Erfassung von Beschaffenheit und Art der Partikel an: „Die gesamte Aufbereitung von Wasserproben mit Plastikpartikeln ist extrem aufwendig und es ist dabei äußerst schwer, einzelne Kunststoffarten zu identifizieren.“
Ein Punkt, an dem auch die Schülerin und Jugend forscht-Gewinnerin Leonie Prillwitz ansetzt. Sie hat einen Mikroplastikfilter für Waschmaschinen entwickelt, der ausgewaschene Mikrofasern aus Polyesterkleidungsstücken aus dem Abwasser auffangen soll. Sie sei sich zwar durchaus des partiellen Beitrags ihrer Erfindung bewusst, sehe dies aber gleichsam als wichtigen Schritt zu einem bewussteren Umgang mit dem Thema Mikroplastik. Außerdem gebe es durchaus Anwendungsmöglichkeiten, beispielsweise in Großwäschereien, die einen nicht unmerklichen Effekt hätten.
„Weniger ist mehr“ – Optimierung der Recyclingquoten, aber insbesondere Reduktion von Verpackungsmüll ist Gebot der Stunde
Jörg Drewes und Leonie Prillwitz zeigten sich einig hinsichtlich der Vorgehensweise zur Bekämpfung des ansteigenden Mikroplastikeintrags in die Umwelt. „Weniger ist mehr“, so Jörg Drewes. Man müsse angesichts der sehr geringen Recyclingquoten beispielsweise bei Einwegkunststoffverpackungen – die in Deutschland gerade einmal bei 17 Prozent liegt – darauf setzen, die nachher schwer wieder voneinander zu trennenden Kunststoffzusammensetzungen zu standardisieren und zu vereinfachen. Aber am entscheidendsten sei die schlichte Reduktion des Plastikverbrauchs, der durch kleinteiligere Verpackungen und verkürzte Nutzungsdauer stetig zunimmt. Hier seien Industrie, Politik und Verbraucher gleichermaßen gefragt.
Wie omnipräsent und charakteristisch für den menschlichen Fußabdruck Mikroplastik in der Umwelt ist, wurde auch in den Erläuterungen von Korbinian Freier vom Bayerischen Landesamt für Umwelt deutlich. Der Schadstoffexperte zeigte, dass Mikroplastikpartikel zum Beispiel auch in der Arktis oder in den Alpen vorkommen. Wie toxisch zellgängige Mikroplastikteilchen (kleiner als 1 Mikrometer Durchmesser) für Mensch und Natur seien, darüber sei allerdings noch zu wenig bekannt. Zwar sei zu beobachten, dass Plastikpartikel den Margendarmtrakt verschiedenster Organismengruppen ohne weiteres passieren. Da die Messtechnik aber noch nicht so weit ist, könne man nicht genau analysieren, ob und wie die Partikel dort möglicherweise interagieren. Hier bestehe dringender Forschungsbedarf.
BR Podcast: „Allgegenwärtiges Mikroplastik – Was leisten Filter?“
Jörg Drewes (Technische Universität München) spricht in der Sendung „IQ – Wissenschaft und Forschung“ des Bayerischen Rundfunks über Mikroplastik in Ökosystemen.
Abgerundet wurde der Abend durch Einblicke in die interventionistischen Perfomances der Konzeptkünstlerin Swaantje Güntzel. In verschiedenen Aktionen beschäftigt sich die Künstlerin mit Plastikmüll im Alltag, reflektiert dabei den Umgang mit Müll, im Speziellen Makro- und Mikroplastik, und hinterfragt sowohl tagtägliche Routinen wie auch die enormen Auswirkungen der Verwendung von Plastik in unseren Lebenswelten. Die Botschaft: wir können die Verantwortung für das Nachleben unserer Konsumprodukte nicht an der Mülltonne abgeben.
Weiterführende Informationen
SAPEA-Publikation „A scientific perspective on microplastics in nature and society“
BMBF-Initiative „Plastik in der Umwelt“
SubµTrack – Innovative Analysemethoden für Submikroplastik
Jugend forscht: Mikrofasern – Gefahr aus der Waschmaschine?
Swaantje Güntzel
Kooperation
Prof. Dr. Ruth Müller und Dr. Sarah Schönbauer – MCTS Projekt: „Plastics – Publics – Politics“