Besseres Verhalten dank Nudging?
München, 24. Januar 2020
„Nudging“ – ein Begriff, der seit einigen Jahren häufiger in der öffentlichen Debatte auftaucht. Doch was verbirgt sich dahinter? Beim ersten acatech am Dienstag des Jahres am 21. Januar in München gingen Lucia A. Reisch von der Copenhagen Business School und Rosi Steinberger, Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz im Bayerischen Landtag, auf diese Frage ein. Mit dem Publikum diskutierten sie anschließend anhand von Beispielen die Möglichkeiten und Herausforderungen des Nudgings.
Untersuchungen zeigen, dass weiche Instrumente wie Information und Beratung in der Regel nicht ausreichen, um eingeschliffene menschliche Verhaltensmuster zu ändern. Als ähnlich wirkungslos haben sich in diesem Zusammenhang auch regulatorische Instrumente wie Ge- und Verbote erwiesen. Immer häufiger setzt man daher auf „Nudging“, eine verhaltenspolitische Maßnahme, die in den USA während der Präsidentschaft von Barack Obama in Mode kam. Unter „Nudges“ sind kleine „Anstupser“ zu verstehen, die das Entscheidungsumfeld gestalten und menschliches Verhalten somit in eine bestimmte Richtung „stubsen“. So greift ein Kunde in einer Cafeteria beispielsweise eher zum Obst, wenn sich dieses direkt in seinem Sichtfeld befindet – ein Nudge, um Menschen zu gesünderer Ernährung zu bewegen.
Aber was ist beim Nudging richtig, was falsch – und wer legt das fest? Wie die Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger bei acatech am Dienstag erklärte, gehe es hier immer darum, was für die Gesellschaft gut und für das Individuum richtig ist. Gerade weil nicht alle individuellen Entscheidungen vernünftig seien, brauche es einen sorgsamen Staat, der das Gemeinwohl im Auge behalte. Wichtig sei dabei, dass eine gewisse Transparenz sichergestellt sei: Den Betroffenen müsse bekannt sein, dass sie in eine bestimmte Richtung geschoben werden.
Lebensmittelampel, Organspende – wo Nudging schon zum Einsatz kommt
Ein gutes Nudging-Beispiel aus Deutschland sei die „Lebensmittelampel“, so die Politikerin. Mit Hilfe der Ampel könnten die Verbraucherinnen und Verbraucher schnell und leicht erkennen, welche Lebensmittel beispielsweise viel Fett oder Zucker enthalten. acatech Mitglied Lucia A. Reisch von der Copenhagen Business School erklärte Nudging am Beispiel Organspende. Bei diesem Thema seien die je nach Land unterschiedlichen gesetzlichen Standardvorgaben als Nudges zu verstehen: Während deutsche Bürgerinnen und Bürger sich aktiv dafür entscheiden und zustimmen müssen, ihre Organe nach dem Tod zu spenden, ist die Standardvorgabe in Österreich, Belgien, Frankreich und vielen weiteren europäischen Ländern so, dass jeder grundsätzlich Organspenderin und Organspender ist – außer sie oder er entscheidet sich aktiv dagegen und widerspricht. In Österreich und den anderen genannten Ländern hat diese Form des Nudgings dazu geführt, dass vergleichsweise deutlich mehr Menschen Organe spenden.
Kriterien für gutes Nudging
Wenn man beabsichtige, Nudging in anderen Zusammenhängen anzuwenden, müsse man zunächst klären, welches Verhalten man verändern wolle und warum, so Lucia A. Reisch. Anschließend solle man über Pilotprojekte die Möglichkeiten ausloten und beobachten, welche gewollten Effekte erzielt werden können und welche ungewollten Nebeneffekte entstehen. Derartige Projekte könnten beispielsweise in Zusammenarbeit mit kleinen Firmen oder Gemeinden durchgeführt werden. Auch Lucia A. Reisch betonte an dieser Stelle nochmal, wie wichtig es ist, Transparenz herzustellen und die wohlfahrtssteigernde Absicht im Blick zu behalten. Freiheit sei schließlich mehr als nur Konsumfreiheit; über Gemeinwohl habe die Gesellschaft zu entscheiden.