Circular Futures Festival: Deutschlands nächste Schritte in Richtung Circular Economy
München/Berlin, 8. Oktober 2021
„Willkommen in der Zukunft“, unter diesem Titel diskutieren am 7. und 8. Oktober Gäste des von acatech mitorganisierten Circular Futures Festivals über die zirkuläre Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. In einem Panel am ersten Tag sprachen die Teilnehmenden über Schritte, die Deutschland hin zu einer Circular Economy unternehmen muss. Zentral erschien den Panellistinnen und Panellisten ein Umdenken: Zirkuläres Wirtschaften müsse von Beginn an in alle Bereiche des Wirtschaftens integriert werden. Damit dies gelinge müsse es auch Einzug in Schulen und Ausbildungspläne halten.
Wertschöpfungsketten müssen zirkulär und ressourcenschonend werden. Nur so lässt sich das Ziel eines treibhausgasneutralen Europas verwirklichen. Das Konzept der Circular Economy ist bereits weithin bekannt, doch die Umsetzung sowohl in Unternehmen als auch in der Politik steckt noch in den Kinderschuhen. Auch hierzulande gibt es noch keine von der Regierung beschlossene Circular Economy Strategie. Gemeinsam diskutierten die Gäste auf einem Panel im Rahmen des Circular Futures Festivals, welche Schritte jetzt zu gehen sind, um die Circular Economy stärker in der Praxis zu verankern.
Den Beginn machte Susanne Kadner, Leiterin der Circular Economy Initiative Deutschland und des Themenschwerpunkts Energie, Ressourcen, Nachhaltigkeit bei acatech. Den aktuellen Stand der Bestrebungen hin zu einer zirkulären Wirtschaft in Deutschland sieht sie zwiegespalten: Einerseits gäbe es noch einige Stellschrauben an denen gedreht werden müsse, dies zeige zum Beispiel ein Blick auf Indikatoren wie die Circular material use rate. Dennoch sei in den letzten Jahren ein Prozess des Umdenkens gestartet, der ganze Wertschöpfungsketten beginnend mit dem Produktdesign in den Blick nehme und sich nicht lediglich auf Abfallmanagement oder Recyclingmöglichkeiten am Ende eines Produktlebenszyklus beschränke. „Es ist Aufbruch spürbar“, sagt Susanne Kadner mit Blick auf die Unternehmen, die sich in der Circular Economy Initiative Deutschland engagieren.
Claas Oehlmann, Executive Director bei BDI Initiative Circular Economy, sagt, dass die Industrie als Treiber einer Circular Economy fungieren muss – gemeinsam mit einer künftigen Bundesregierung. Auch er erklärt, dass Kreislaufwirtschaft in Deutschland lange als eine Perfektionierung der Abfallwirtschaft verstanden wurde. Nach dem neuen Verständnis müsse eine Circular Economy als wirtschaftspolitisches Modell ganzheitlich verstanden werden. Dann könne Deutschland zum Treiber dieser Entwicklung werden.
Für Justus Kammüller, Senior Manager Sustainable Business & Markets WWF Deutschland, bedeutet Circular Economy eine Art neuer industrieller Revolution. Eine Hürde, die es aktuell noch zu nehmen gelte, sei der finanzielle Aspekt. Solange politisch nicht umgesteuert werde, sei Circular Economy für Unternehmen gerade am Anfang noch ein Investitionsthema. Hier müsse die Politik Anreize schaffen, damit Unternehmen stärker einsteigen.
Den Blick über die Deutschen Grenzen hinaus in die EU wirft Michael Kuhndt, Direktor CSCP und Mitglied der Coordination Group der European Circular Economy Stakeholder Platform. Aktivitäten in Holland oder Skandinavien zeigten, dass Deutschland auch von anderen Ländern lernen könne. Gleichzeitig sei Circular Economy ein Thema, dass stets über nationale Grenzen hinweg gedacht werden müsse, da Produktketten häufig global funktionierten.
Potenziale für den Klimaschutz
Die Ressourcen und Klimadebatten sind ganz eng miteinander verknüpft – darin herrscht unter den Teilnehmenden Einigkeit, stellt Moderator Reinhard von Wittken, wissenschaftlicher Referent Circular Economy bei acatech, fest. Nicht außer Acht lassen dürfe man in diesem Kontext auch die Themen Biodiversität und die sozialen Aspekte (lokal und global), die eine Umstellung des Wirtschaftens mit sich bringe. Wenig förderlich sei in diesem Kontext etwa, wenn sich in Unternehmen eine Abteilung um das Thema „Nachhaltigkeit“ und eine andere um das Thema „Circular Economy“ kümmere. Es müsse integriert gedacht werden und Geschäftsmodelle müssten von Anfang an entsprechend aufgesetzt werden.
Ein Beispiel ist in diesem Zusammenhang das Thema Energiewende. Susanne Kadner betont, dass auch hier von Anfang an zirkulär gedacht werden müsse. Bei Windanlagen sei dies nicht passiert – das werde nun im Rückbau deutlich. Hier müsse von Anfang an das große Ganze gesehen werden. Etwa bei Batterien für Elektrofahrzeuge könne und müsse die Zirkularität von Anfang an mitgedacht und umgesetzt werden. Justus Kammüller bringt an dieser Stelle das Thema „Materialpass“ in die Diskussion.
Wie kann Zusammenarbeit in einer Circular Economy gelingen?
Ein zentrales Thema in einer Circular Economy ist Kooperation, so Claas Oehlmann. Aber wie kann diese funktionieren? Zunächst einmal brauche es dafür ein gemeinsames Verständnis für Geschäftsmodelle der unterschiedlichen Partner im Wertschöpfungskreislauf. Ein zweites Thema sei Daten zu erheben und diese für die Partner zugänglich zu machen. Dazu müsse zunächst einmal geklärt werden, welche Daten benötigt werden, damit ein Kreislauf funktioniert. Ein Gestaltungselement könne in diesem Kontext der digitale Produktpass sein. Zusätzlich brauche es dann einen verlässlichen Rahmen, in dem das entsprechende Datenset geteilt werden könne.
Justus Kammüller sieht wettbewerbsübergreifende Plattformen und Partnerschaften als Teil der Lösung an. Sharing- und Leasing-Modelle kämen immer mehr in verschiedenen Geschäftsbereichen an und änderten auch die Beziehung zwischen Nutzerinnen und Nutzern eines Produkts und den Unternehmen durch stärkere Einbindung in die Geschäftsmodelle.
Michael Kuhndt sieht auch in Städten einen wichtigen Partner der zirkulären Infrastruktur. Abfall lande zumeist im Stadtraum. Aus der Interaktion zwischen Abfallwirtschaft, Stadt und Unternehmen könnten neue Initiativen und Geschäftsmodelle entstehen. Dies zeige zum Beispiel Kopenhagen. Hier würden alte Textilien, Elektrogeräte und diverse Materialien nicht aus der Stadt wegtransportiert, sondern neu in Geschäftsmodelle integriert. Bürgerinnen und Bürger seien im Sinne einer circular society ebenfalls gefragt, sich zu informieren und zu engagieren. Als Social Event könne zum Beispiel das Reparieren von Produkten in das Stadtkulturleben Einzug halten. Übergreifend sei eine Skill Agenda wichtig – das Thema Circular Economy müsse also Einzug in Schule, Ausbildungspläne und den Beruf halten. So könnten schlussendlich Denkmuster geändert werden: Werde über Wirtschaft gesprochen, so würden die Menschen dann künftig nicht mehr an eine lineare Ökonomie denken. Stattdessen würden sie den Begriff gleichsetzen mit einer zirkulären Ökonomie.