Was ist Technik – und was ist der Mensch? Der Mensch im Spiegel der Technik
München, 26. November 2021
Technik war in der Kulturgeschichte der Menschheit stets ein entscheidendes Medium für Erfolg und Wohlstand. Dabei ist die Technik nicht bloß Objekt, sondern kann Menschen verändern, individuell wie kollektiv: Handlungsweisen, Lebensstile und Gewohnheiten, Freizeitverhalten und Arbeitswelt, aber auch Werte und Wertschätzungen. Wie Technik auf ihre Erzeuger und Nutzer zurückwirkt und wie diese Rückwirkungen zu den Vorstellungen beitragen, die Menschen von sich haben, erklärte acatech Präsidiumsmitglied Armin Grunwald am 16. November bei acatech am Dienstag, das zusammen mit vhs.wissen live stattfand.
Zum Vortrag (Audio) von Armin Grunwald:
Veröffentlicht am 26. November 2021
Dauer: 1 Stunde 11 Minuten und 37 Sekunden
Zu Beginn seines Vortrags, in dem er der Verbindung des Menschen mit Technik nachging, stellte Armin Grunwald, Professor für Technikphilosophie und Technikethik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), fest, dass die Frage nach der Technik und die Frage nach dem Menschen untrennbar miteinander verbunden seien.
Die Geschichte des Menschen
„Was ist der Mensch?“ – diese Frage sei im Laufe der Zeit schon von vielen Personen beantwortet worden, jedoch niemals endgültig und umfassend, sagte Armin Grunwald. Aus der Jahrtausende alten Hochkulturgeschichte der Menschheit könne man lernen, dass man den Menschen niemals bis zu Ende ergründen könne. Wortschöpfungen wie der homo creator (der schöpferische Mensch), der nachhaltige Mensch, der sich gegen äußere Einflüsse abschottende homo immunis, der homo deus (Harari) als der gottähnlich werdende Mensch, aber auch der auf sein biologisches Wesen reduzierte homo naturalis beschrieben einen Teil des Menschen, fokussierten auf eine bestimmte Eigenschaft – aber keine einzige erfasse den Menschen vollständig, denn „Vielfalt“ sei ein besonderes Wesensmerkmal des Menschen.
Wie es in diesem Zusammenhang um die Technik bestellt sei, darauf ging Armin Grundwald anschließend ein. Technik gehöre untrennbar zum Menschen und sei Teil der Kultur. Menschsein sei ohne Technik nicht vorstellbar. „Technik“ sei eine Summe von Objekten, denen der Mensch als Subjekt gegenüberstehe. Jedoch sei die Technik nicht nur ein Objekt, das wir nutzen würden, sondern sie verändere uns, während wir sie nutzen. Das Selbstverständnis der Menschen werde von Technik beeinflusst und verändert.
Moderne Erzählungen zum Menschen in der technischen Welt
Die verschiedenen Sichtweisen auf das Verhältnis von Menschen und Technik machte Armin Grunwald mit sechs Erzählungen deutlich. Darunter beispielweise die Vorstellung vom Menschen als heroischen Weltretter, der Gott spielen will, um die Welt unter seine Kontrolle zu bekommen. Eine andere Erzählung beschreibt den Menschen als roboterähnliches Wesen, als Cyborg, als eine datenverarbeitende Maschine. Weitere Erzählungen stellten den Menschen als Handlanger der Technik dar oder als ein der Technik unterlegenes Wesen. An diesen letzten Gedanken, dass der Mensch der Technik in gewissen Bereichen unterlegen sei, hätten wir uns inzwischen gewöhnt, so Armin Grunwald. Jedoch schüre der Gedanke an Automatisierung oft bei den Menschen die Angst, wir würden eine technische Zivilisation entwickeln, die alles besser könne und den Menschen dadurch überflüssig werden ließe. Er resümierte, dass anhand dieser sechs Erzählungen deutlich werde, dass wir uns selbst aktuell in einem breiten Spektrum vom „Handlanger der Technik“ bis zur „biologischen Maschine“ sähen.
Das Verhältnis des Menschen zum Roboter
Sobald man sich die Frage stelle: „Wer ist besser? Mensch oder Computer, bzw. Mensch oder Algorithmus?“ ließe man sich auf eine Vergleichsebene ein, sagte Armin Grunwald. Man vergleiche technische Parameter auf der einen und auf der anderen Seite und käme dabei oft zu dem Ergebnis, dass die technisch messbaren Leistungsparameter der technischen Systeme besser seien als die des Menschen. So komme es unweigerlich zu einer Technisierung des Menschen. Umgekehrt neigten wir dazu, KI zu vermenschlichen, beispielsweise durch Ausdrücke wie „Der Roboter handelt“, „Der Roboter denkt“, „Der Roboter entscheidet“. Armin Grunwald vertrat die Meinung, dass wir unsere Verben zu schnell auf die Technik übertrügen und sie dadurch vermenschlichten. Am Beispiel selbstfahrender Autos zeigte er, dass der Bordcomputer nicht „entscheidet“, sondern über Algorithmen Daten auswertet und damit zu einer festgelegten Aktion kommt (bremsen, lenken, etc.).
Der Mensch betrachtet – anders als Künstliche Intelligenz und alle technischen Systeme – verschiedene Optionen, erwägt Gründe und entscheidet sich schließlich für eine Option. Das, so Armin Grunwald, macht ihn unverwechselbar und unersetzbar.