Epigenetik und Ernährung: Beeinflusst unser Lebenswandel auch kommende Generationen?

München, 8. November 2017
Biochemische Moleküle interagieren zeitlebens mit der DNA in den Zellen und beeinflussen dadurch das menschliche Erbgut. Abhängig sind diese Änderungen von Umwelteinflüssen, unserer Lebensweise und Ernährung sowie sozialen Erfahrungen. Welche Fragen rund um Gesundheit, Krankheit und Verantwortung sich daraus für einzelne Menschen und die Gesellschaft ergeben, diskutierten Jörn Walter (Universität des Saarlandes / Mitglied der BBAW iAG Gentechnologiebericht), Martin Hrabě de Angelis (Helmholtz Zentrum München / TU München) und Ruth Müller (MCTS / TU München) am 7. November 2017 bei acatech am Dienstag.
Kann der Mensch seine Gene durch seine Essgewohnheiten verändern? Im Fachgebiet Epigenetik wird untersucht, wie sich der individuelle Lebenswandel und die Ernährung der Menschen auf die kollektive Gesundheit auswirken. Was in der Epigenetik untersucht wird und wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei arbeiten, wurde bei acatech am Dienstag aus molekularbiologischer, medizinischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive diskutiert.
Jörn Walter erläuterte auf der Veranstaltung, dass die Erbinformationen eines Menschen im Laufe seines Lebens nicht grundlegend verändern. Dennoch könne es zu leichten Abweichungen kommen, die diese Person dann wiederum an ihre Kinder weitergibt. Anschaulich wird das Ganze, wenn man sich ein Genom als den Buchstaben „O“ vorstellt. Im Laufe eines Lebens kommen zusätzliche Informationen hinzu, wodurch das „O“ zum Umlaut, also zum „Ö“ wird. Diese zusätzlichen „Punkte“, zum Beispiel chemische Methylierungen, untersucht die Epigenetik. Nach aktuellem Stand besteht unser Körper zurzeit aus über 300 epigenetischen Veränderungen, die nicht im genetischen Code unserer Gene festgelegt sind. Äußere Faktoren wie Ernährung, Rauchen und Stress spielen hier eine Rolle. Diese Eigenschaften können auch an die nachfolgenden Generationen weitervererbt werden.
Martin Hrabě de Angelis zeigte,wie Forscher an Mausmodellen nachgewiesen haben, dass durch Ernährung verursachte Fettleibigkeit und Diabetes epigenetisch über Eizellen und Spermien an die Nachkommen vererbt werden können.
In einem Impuls ging Ruth Müller auf epigenetische Risiken und Auswirkungen für den Einzelnen ein. Sie sah den Schwerpunkt der Epigenetik darin, das biosoziale Selbst verstehen zu können. Die Verantwortung für Umgang und Anwendung von Erkenntnissen trage jedoch nicht nur der Einzelne, hier seien Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen in der Pflicht.
Maren Schüpphaus (dialogimpulse) moderierte anschließend eine Diskussion zur individuellen Verantwortung der Menschen beim Thema Epigenetik und fragte etwa, welche Konsequenzen jeder Einzelne aus den aktuellen Forschungsergebnissen zu ziehen bereit sei.