Grüne Signale für die Schiene – Ansätze aus Deutschland und der Schweiz
München, 16. Dezember 2021
Die 2020er Jahre werden das Jahrzehnt der Schiene: Das Bundesverkehrsministerium hat milliardenschwere Investitionsprogramme für den Ausbau von Infrastruktur und technologischen Innovationen bereitgestellt, um die Bahn als umweltfreundliches Transportmittel weiter zu stärken. Welche Richtungen werden vorgegeben und welche Bremsklötze sind noch zu beseitigen? acatech am Dienstag beleuchtete am 7. Dezember aktuelle Ansätze in der Schweiz und in Deutschland. Die Diskussion zeigte, dass die beiden Länder in Sachen Digitalisierung, intelligente Vernetzung und intermodale Verknüpfung der verschiedenen Mobilitätsangebote voneinander lernen können.
Christofer Hierold, Präsident Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) und acatech Präsident Jan Wörner, eröffneten die letzte acatech am Dienstag Dialogveranstaltung des Jahres und sprachen sich für eine Verbesserung der grenzüberschreitenden Digitalisierung aus. Anschließend sprach acatech Mitglied Corinna Salander, Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung DZSF, über den aktuellen Koalitionsvertrag, der Schienenverkehrsforschung auch weiterhin stärken möchte. Als wichtige Themen für den Schienenverkehr, führte Corinna Salander neben dem Ausbau, der Reaktivierung und der Lärmsanierung von Schienenstrecken, auch die Anpassung an den Klimawandel und ein Update der nationalen Wasserstoff-Strategie an. Sie sprach über alternative Antriebe und Energiegewinnung durch Fotovoltaik und stellte die Frage nach der richtigen Infrastruktur für den Deutschlandtakt und nach Möglichkeiten zur Erhöhung von Kapazitäten.
Von den Plänen der Schweiz, die Transitachsen auszubauen, um den Transit Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, berichtete Daniel Wyder von der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS AG). Als Herausforderung beschrieb er die noch bestehenden Lücken bei den Zulaufstrecken der Nachbarländer. Als großen Vorteil nannte er den Stundentakt, der durch das „Knotenprinzip“ ermöglicht, dass alle großen Städte der Schweiz stündlich mit der Bahn erreicht werden können. Das bindet allerdings viele Kapazitäten – unabhängig von der Nachfrage. Denn auch in der Schweiz sind die Züge zu gewissen Zeiten überfüllt und das Netz ist überlastet. Zur Entlastung der Strecken gibt es Investitionen beispielsweise aus der Mineralölsteuer, um infrastrukturelle Maßnahmen wie Maintenance, Ausbau und Neubau zu finanzieren. Im Fokus steht dabei die Beseitigung von Engpässen durch Streckenausbau und Knotenerweiterung. Außerdem soll es unter der Woche andere Fahrpläne geben als am Wochenende. Der starre Stundentakt muss aufgehoben werden, um flexiblere Angebote zu erreichen.
Dass die Bahn aufgrund ihrer technischen Eigenschaften ein sehr umweltfreundliches System ist, meint Paolo Ronchi von der schweizerischen Stadler Rail AG. Er beschrieb und bewertete die verschiedenen Antriebsmöglichkeiten der Bahn. So sei die Elektrifizierung teuer und lohne sich nur bei viel Verkehr auf der Strecke, während Batterien besonders für kurze Strecken geeignet sind, auf denen Elektrifizierung nicht infrage kommt. Die Wasserstoff-Brennstoffzelle müsse derzeit noch optimiert werden und sei noch nicht ausgereift, da konkurrenzfähige Kosten und die nötige Effizienz noch nicht im gewünschten Maße erreicht seien. Wasserstoff als Kraftstoff direkt im Verbrennungsmotor habe den Nachteil, dass diese Technologie nicht zu 100 Prozent grün sei, da zwar kein CO2 ausgestoßen werde, dafür aber Stickstoffoxide. Besonders die Speicherung der Energie an Bord sei ein Problem, sagte Paolo Ronchi. Eine Batterie könne als Ersatz für den Stromabnehmer dienen, wenn für kurze Zeit keine Oberleitung verfügbar sei. Inzwischen könnten in Versuchen auch Reichweiten von über 230km erreicht werden (in der Realität seien es eher 150km). Während der Fahrt könne die Batterie durch die Oberleitung wieder aufgeladen werden, was lange Halte zum Laden der Batterie vermeide.
In der anschließenden Diskussion wurde die Elektrifizierung der Streckennetze angesprochen: Diese bietet enorme Vorteile, fordert aber auch einen hohen Investitionsbedarf. Bei der Flexibilisierung und Taktung des Fahrplans waren sich die Podiumsgäste zwar einig, dass die verschiedenen Systeme in Deutschland und der Schweiz nicht ohne weiteres vergleichbar sind, aber es herrschte Einigkeit darin, dass eine stärkere (ggf. flexibilisierte) Taktung und eine Kapazitätssteigerung im Personen- und Güterverkehr nur durch Infrastrukturausbau und eine erhöhte Digitalisierung der Streckensteuerung zu erreichen seien.