ESYS stellt Impulse für ein neues Marktdesign vor
Berlin, 7. Oktober 2020
Klimaschutz, Versorgungssicherheit, Sektorenkopplung und die europäische Dimension der Energiewende standen vergangenen Freitag im Zentrum einer Ergebnispräsentation des Akademienprojekts ESYS. Vorgestellt wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“, die in zwei Stellungnahmen Vorschläge für ein neues Marktdesign präsentiert. Gemeinsam mit Fachleuten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft erörterten die AG-Leiter Hartmut Weyer und Felix Müsgens aktuelle Herausforderungen der nationalen und internationalen Energiepolitik.
Wie sieht ein geeignetes Marktdesign für den Strommarkt 2030 aus, das möglichst kosteneffizient ist und zugleich eine hohe Versorgungssicherheit garantiert? Diese Frage stellte sich die ESYS-AG „Strommarktdesign“. Ihre Antworten veröffentlichte sie am vergangenen Freitag, den 2. Oktober, in zwei Stellungnahmen. Jede der Publikationen vertieft einen für die Energiewende bedeutenden Themenkomplex: Wege zu einer erfolgreichen Sektorenkopplung und das Management von Netzengpässen. Mehr als 140 Gäste schalteten sich online zu „Impulse für ein neues Marktdesign“ ein.
CO2 bepreisen, Energieträgerpreise reformieren
Felix Müsgens, Co-Leiter der Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“, eröffnete den ersten Teil der Veranstaltung mit einer Kurzpräsentation der Stellungnahme „CO2 bepreisen, Energieträgerpreise reformieren“. „Umweltschäden, insbesondere durch den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase, werden nicht ausreichend in die Preissetzung in den jeweiligen Sektoren einbezogen“, erläuterte Felix Müsgens. „Die Belastung der Energieträger mit Steuern, Abgaben und Umlagen ist nicht optimal ausgestaltet. Strom ist im Endenergieverbrauch überdurchschnittlich stark belastet. So entstehenden Verzerrungen, die effizienten Klimaschutz verhindern.“
Die Arbeitsgruppe spricht sich deshalb für einen einheitlichen und umfassenden CO2-Preis in Europa aus. Zusätzlich sollte das System an Steuern, Abgaben und Umlagen grundlegend reformiert werden. Damit könne eine doppelte Dividende erzielt werden: Erstens wird durch die CO2-Bepreisung der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase teurer, somit werden klimaschonende Technologien gefördert. Zweitens können die Einnahmen genutzt werden, um Stromsteuer und EEG-Umlage zu senken, so die Einschätzung der Expertinnen und Experten. Die erzielte Senkung des Strompreises würde die Sektorenkopplung erleichtern und Haushalte entlasten. Zusätzlich könnte ein Teil der Einnahmen genutzt werden, um Unternehmen im internationalen Wettbewerb von den Kosten des Klimaschutzes zu entlasten.
Wie kann eine sektorübergreifende CO2-Bepreisung auf EU-Ebene bis 2030 gelingen?
In der anschließenden Podiumsdiskussion widmete sich Felix Müsgens gemeinsam mit Gästen der Frage „Wie kann eine sektorübergreifende CO2-Bepreisung auf EU-Ebene bis 2030 gelingen?“ Auf dem virtuellen Podium saßen Carsten Rolle (Bundesverband der Deutschen Industrie), Dirk Weinreich (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit), Ralf Wissen (r2b energy consulting) und Reinhard Haas (TU Wien).
Die Podiumsgäste waren sich einig, dass dieses Thema unbedingt europäisch betrachtet werden muss. Das langfristige Ziel, möglichst viele Länder und Sektoren in einen einheitlichen CO2-Preis einzubeziehen, fand allgemeine Zustimmung. Zum optimalen Weg dorthin gab es jedoch unterschiedliche Ansichten. So differierten die Vorstellungen, wie und wann Wärme- und Verkehrssektor in den Europäischen Emissionshandel integriert werden sollten. Außerdem fanden sowohl Vorschläge zu einem Preiskorridor mit Mindest- und Höchstpreis als auch ein reiner Emissionshandel Befürworter.
Netzengpässe als Herausforderung für das Stromversorgungssystem
Hartmut Weyer führte als zweiter Co-Leiter der Arbeitsgruppe in die Ergebnisse der Stellungnahme „Netzengpässe als Herausforderung für das Stromversorgungssystem“ ein. „Auch bei umfassendem Netzausbau wird die Problematik der Netzengpässe voraussichtlich bestehen bleiben“, erklärte Hartmut Weyer in seinem Vortrag. „Diese Engpässe effizient und wirksam zu bewältigen, ist eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende.“ Die Arbeitsgruppe hat deshalb Optionen für ein Marktdesign entwickelt, das Netzengpässen im Vorfeld entgegenwirken und bereits entstandene Engpässe kostengünstig und effektiv beheben kann.
Um Netzengpässe zu verhindern, könnten Preissignale verfügbare Transportkapazitäten anzeigen. Diese könnten dann bereits bei der Einsatzplanung von Erzeugungs-, Speicher- und Verbrauchsanlagen berücksichtigt werden, so die Arbeitsgruppe. Sie beschreibt für dieses Vorgehen drei Ansätze: die Einführung eines Knotenpreissystems, einen Neuzuschnitt der deutschen Stromgebotszone und die Einführung auslastungsorientierter Netzentgelte. Kann ein Engpass nicht verhindert werden, könnten etwa eine Ausweitung der marktbasierten Beschaffung von Flexibilität oder erhöhte Anreize für Anbieter von Flexibilität helfen. „Alle vorgestellten Optionen haben ihre Vor- und Nachteile, die wir in der Stellungnahme auch aufzeigen. Für ein bestmögliches Ergebnis sollte eine Kombination der Ansätze in Betracht gezogen werden,“ ergänzte Hartmut Weyer.
EU-Strombinnenmarkt
In der anschließenden Podiumsdiskussion „EU-Strombinnenmarkt“ schilderten Ingo Schmidt (TenneT), Oliver Koch (Europäische Kommission – Generaldirektion für Energie) und Kathrin Thomaschki (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) Herausforderungen des Netzengpassmanagements aus ihrer Sicht. Vor allem eine mögliche Aufteilung Deutschlands in zwei oder mehrere Gebotszonen wurde kontrovers diskutiert. Auch in der Frage zur Beschaffung von Flexibilität wurden konträre Positionen deutlich. Erschließt eine marktbasierte Beschaffung zusätzliche, kostengünstigere Flexibilitätspotenziale? Oder ermöglicht sie strategisches Bieterverhalten und befördert die Marktmacht Einzelner?