Klimawandel und Wetterkatastrophen – wie verändern sich Schadenwahrscheinlichkeiten und wie gehen wir damit um?
München, 10. April 2024
Die mittlere Temperatur auf der Erde (Atmosphäre und Ozeane) hat sich in den letzten 150 Jahren um 1,2 bis 1,4 Grad erhöht. Dadurch kommen Extremereignisse immer häufiger vor – genauso wie die Schäden in Folge dieser Ereignisse. Das verdeutlichte Ernst Rauch, Chef-Klimatologe und Chef-Geowissenschaftler des Versicherungsunternehmens Munich Re, bei acatech am Dienstag am 12. März. Knapp 600 Gäste besuchten die Online-Veranstaltung, die zusammen mit vhs.wissen live stattfand.
In seiner Begrüßung ging acatech Präsident Jan Wörner zunächst auf die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels ein. Er stellte fest, dass Klimawandel und andere globale Herausforderungen immer in ähnlicher Weise angegangen werden müssen. So stehe zu Beginn immer das „Entdecken“ eines Problems, gefolgt vom zweiten Schritt, dem Bewerten und Messen. Dann muss Aufmerksamkeit in der Bevölkerung geschaffen werden, um sich schließlich auf die Frage zu konzentrieren, wie man das Problem angehen kann.
Schäden aus Extremwetterereignissen weltweit
Im anschließenden Hauptvortrag ging Ernst Rauch, Chef-Klimatologe und Chef-Geowissenschaftler der Munich Re, tiefer in die Details. Sein Unternehmen, spezialisiert auf Rückversicherungen, habe bereits in den 1970er Jahren erkannt, dass sich Schadensmuster bedingt durch den Klimawandel verändern.
Zum Vortrag (Video) von Ernst Rauch, Chef-Klimatologe und Chef-Geowissenschaftler der Munich Re, Leiter der Abteilung „Climate Change Solutions Development“ zum Thema Klimawandel und Wetterkatastrophen – wie verändern sich Schadenwahrscheinlichkeiten und wie gehen wir damit um?
Laufzeit: 54 Minuten 26 Sekunden
In seinem Rückblick auf das Jahr 2023 ging Ernst Rauch auf die heftigsten – und teuersten – Naturkatastrophen ein: Mit Abstand am teuersten waren die Erdbeben in Syrien und in der Türkei, gefolgt von Stürmen und Hurrikans in den USA. Seit 1980 seien die Schäden aus Naturkatastrophenereignissen weltweit deutlich angestiegen. In den letzten Jahren habe deshalb die Versicherungswirtschaft pro Jahr etwa einhundert Milliarden Dollar an Schäden ausbezahlt, was als „neues Normal“ gelte, so Ernst Rauch. Dabei unterscheide sich der Anteil der nicht versicherten Naturkatastrophenschäden deutlich nach Region: Während in Industrieländern ein großer Teil der gesamtwirtschaftlichen Schäden durch die Versicherungswirtschaft getragen werde, sei dies in Entwicklungs- und Schwellenländern in Asien und Afrika kaum der Fall. Dabei sei eine Schadensversicherung ein wesentlicher Faktor, um Volkswirtschaften zu stabilisieren, so Ernst Rauch. Denn alle Schäden, die nicht über die Versicherungswirtschaft bezahlt würden, müssten von der Bevölkerung, von der Staatskasse oder über internationale Hilfsgelder getragen werden.
Welche Rolle spielt der Klimawandel?
Etwa seit 1850 gibt es Temperaturaufzeichnungen und damit empirische Daten, auf die man zurückgreifen kann, um den Klimawandel zu bewerten. Ungefähr zur gleichen Zeit begann die Industrialisierung und damit die erheblich gesteigerten anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen, wie Kohlendioxid und Methan. Die Temperaturaufzeichnungen von 1850 bis 2023 zeigen, dass 2023 das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn war. In den letzten 150 Jahren ist die globale Durchschnittstemperatur um 1,2 bis 1,4 Grad angestiegen, was zur Zunahme der Wahrscheinlichkeit von extremen Temperaturen und von Extremwerten führt.
Schon eine scheinbar geringe Erhöhung des Temperaturmittelwertes um 1 Grad, so Ernst Rauch, könne zu einer drei- bis vierfachen Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für Wetterextremwerte führen. Entsprechend sei es nicht nur für die Versicherungswirtschaft, sondern für die Gesellschaft als Ganzes wichtig, sich dauerhaft und intensiv mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen.