Mit neuen Geschäftsmodellen Produkte und Materialien in dauerhaften Kreisläufen führen
München, 16. November 2021
Die Circular Economy Initiative Deutschland (CEID) zeigt in einem heute erschienenen Bericht, wie Unternehmen den Ausstieg aus der „Wegwerfgesellschaft“ hin zu einer zirkulären Wirtschaft einleiten können, indem sie neue Geschäftsmodelle entwickeln. Die Initiative gibt den Unternehmen für diesen Paradigmenwechsel 22 zirkuläre Geschäftsmodellmuster an die Hand, die Orientierung liefern und mögliche Strategien aufzeigen. Zudem fordert die Initiative die Politik auf, diesen Wandel zu beschleunigen, indem sie Unternehmen stärker relativ zu Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung belastet und im Ausgleich den Faktor Arbeit, der für die arbeitsintensiven Kreislaufprozesse verstärkt benötigt wird, verbilligt.
Die Circular Economy markiert einen Paradigmenwechsel weg von einem linear strukturierten „Take-Make-Waste“-Wirtschaftsmodell, hin zu mehr Zirkularität und damit weniger Abfall. Für diesen Wechsel müssen alle beteiligten Akteurinnen und Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft umdenken und zusammenwirken. Für Unternehmen beginnt dieses Umdenken bei der Produktneugestaltung und erfordert anschließend eine konsistente Neuausrichtung aller nachgelagerten Wirtschaftsprozesse, also Produktion, Auslieferung, After-Sales Service, Rückgabe und Wiederverwendung oder Wiederaufbereitung.
Co-Leiter der Arbeitsgruppe der CEID zu zirkulären Geschäftsmodellen Patrick Wiedemann (Reverse Logistics Group) sagt: „Unser Ziel ist es, systemische Lösungen zu identifizieren und zu beschreiben, die dabei helfen, zirkuläre Geschäftsmodelle in der Praxis zu verankern. Die Wirtschaft muss dabei eine Führungsrolle einnehmen, indem sie mit neuen, auf die Circular Economy ausgerichteten zirkulären Geschäftsmodellen und damit verbundenen radikalen Innovationen bei Produkten, Verfahren und Organisationsformen für Unternehmen experimentiert und in diese investiert.“ Die Arbeitsgruppe veranschaulicht das in ihrer neuen Publikation am Beispiel eines Fernsehers. Patrick Wiedemann erläutert aus Sicht von Nutzerinnen und Nutzern: „Bisher kaufen wir einen Fernseher und entsorgen ihn dann irgendwann. Wir könnten ihn aber, wenn Unternehmen entsprechende Angebote schaffen, genauso gut leasen und später ans Unternehmen zurückgeben, so wie wir es zum Beispiel schon mit Autos tun. Denkbar wäre auch, dass wir sogar nur in solchen Momenten für den Fernseher zahlen, wo er auch tatsächlich läuft. Hier sind neue Ansätze und Kreativität gefragt.“
Wie Unternehmen ihre Geschäftsmodelle entsprechend umstellen können, zeigt die Arbeitsgruppe an 22 Geschäftsmodellmustern und zugehörigen Best-Practice Beispielen, mit denen sie Praktikerinnen und Praktikern Hilfestellungen bietet, wie sie ihre Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle im Sinne einer Circular Economy umgestalten können. Für Produzenten eröffnet sich durch zirkuläre Geschäftsmodelle beispielsweise ein neues Leistungsangebot „Produkte wie neu“ welches auf vom Kunden rückgeführten, reparierten, und technologisch aufgerüsteten Produkten, Maschinen oder Komponenten basiert, die dann zu wettbewerbsfähigeren Preisen wiedervermarktet werden. Produzenten können mit zirkulären Geschäftsmodellen auch über die übliche Garantiezeit hinaus Wartungs- und Reparaturdienstleistungen Ihren Kunden anbieten und so an der längeren Nutzung ihrer Produkte wirtschaftlich partizipieren. Co-Arbeitsgruppenleiter Erik G. Hansen (Leiter Institute for Integrated Quality Design, Johannes-Kepler-Universität Linz) erläutert: „Die Weiterentwicklung von produktionsorientierten Unternehmen zu Dienstleistungsökosystemen, in denen in unterschiedlichen Partnerkonstellationen gemeinsam innovative Dienstleistungen für die aufeinanderfolgenden Phasen im Produktlebensweg angeboten werden – das heißt, die Produktverantwortung über den gesamten Produktlebensweg wahrzunehmen und ökonomisch nutzbar zu machen – ist der Schlüssel zur Circular Economy“.©istockphoto.com/Malkovstock
Die Geschäftsmodellmuster zeigen auch auf, mit welchen Partnern im Wertkreislauf zusammengearbeitet werden kann, um möglichst dauerhafte und qualitativ hochwertige Material-, Komponenten- und Produkt-Kreisläufe zu erreichen.
An solchen Geschäftsmodellmustern wird schnell deutlich, wo noch Barrieren liegen, die das zirkuläre Wirtschaften erschweren. So braucht es zum Beispiel transparente, international gültige Qualitätsstandards für Materialien, Komponenten und Produkte, die mit Unterstützung der Bundesregierung von der Wirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene etabliert werden müssen. Diese kreislaufbezogenen Daten und Standards sollten dabei bevorzugt offen und nicht herstellerspezifisch abrufbar sein, um die Materialien und Produkte bestmöglich im Kreislauf halten zu können.
Eine Transformation des Wirtschaftssystems hin zu einer Circular Economy wird nur möglich, wenn alle relevanten Akteurinnen und Akteure aktiv werden und eng zusammenarbeiten. Entsprechend wurden von der Arbeitsgruppe Handlungsempfehlungen für verschiedene Interessengruppen entwickelt und ihnen ein zeitlicher Rahmen gegeben. Aufgabe der Regierungen ist es laut der Arbeitsgruppe über die Standardisierung hinaus zum Beispiel, moderne Circular-Economy-Praktiken gezielt zu unterstützen – also den Unternehmen wirtschaftliche Anreize zu setzen. So sei es zum Beispiel notwendig, Unternehmen stärker relativ zur Höhe ihrer Ressourcenverbräuche und Umwelteffekte zu belasten und gleichzeitig den Faktor Arbeit, der für die arbeitsintensiven Prozesse in der Circular Economy vermehrt benötigt wird, steuerlich zu entlasten. Das führe dazu, dass Unternehmen stärker innovative Geschäftsmodelle entwickeln und dann wesentlich zu einer absoluten Reduzierung von Ressourcenverbrauch, schädlichen Emissionen und Abfall beitragen können.
„Es stehen jedoch nicht nur Unternehmen und Politik in der Verantwortung, auch wir als Nutzerinnen und Nutzer sind gefragt, uns für die auf zirkulären Geschäftsmodellen basierenden Produkte und Dienstleistungen zu entscheiden. Dies muss auch durch transparente Produktinformationen in Bezug auf den gesamten Lebensweg unterstützt werden“, ergänzt Erik G. Hansen. Öffentliche Institutionen könnten an dieser Stelle im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens eine Vorbildrolle im Einkaufsverhalten einnehmen. Langfristig müsse der Übergang zu einer Circular Economy durch eine zentrale Stelle auf nationaler und europäischer Ebene institutionalisiert werden.