Neue Pflanzen für bessere Ernten – die Bedeutung von Patenten und Sortenschutz für die globale Ernährung
München, 26. April 2024
Pflanzen bilden die Grundlage unserer Ernährung. Sie werden laufend weiterentwickelt, um Erträge zu sichern oder die Pflanzen an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Die hier beteiligten Unternehmen wollen ihre Innovationen entsprechend durch Patente und Sortenschutzrechte absichern. Wird dadurch der freie Zugang zu genetischen Ressourcen verhindert? Würde es ohne solche Regelungen eine kommerzielle Pflanzenzüchtung und damit angepasste, neue Sorten auch weiterhin geben? Diese Fragen diskutierten Fachleute aus Rechtswissenschaft, Züchtungsunternehmen und Zivilgesellschaft am 16. April bei acatech am Dienstag. Kooperationspartner der Veranstaltung waren das Deutsche Museum und die Katholische Akademie in Bayern.
Vor der Veranstaltung führte die Kuratorin Sabine Gerber-Hirt durch ihre Ausstellung „Landwirtschaft und Ernährung“ im Deutschen Museum. Dabei zeigte sie anschaulich, wie sich Landwirtschaft und Nahrungsversorgung in Deutschland entwickelt haben und welche Rolle Pflanzenzüchtung heute weltweit spielt – eine gute Grundlage für die anstehende Diskussion um Schutzrechte züchterischer Entwicklungen.
Zur Einführung erläuterte Pedro Henrique D. Batista, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu Patenten und Sortenschutz. So sind Patentierungen von Pflanzen nur möglich, wenn das Züchtungsverfahren einen technischen Schritt enthält, Pflanzen also nicht durch konventionelle Züchtung mittels Kreuzung und Selektion entstanden sind, und auf diesem Weg ein Merkmal verändert oder eingeführt wird. Trotz dieses Exklusivrechts, das andere von der Nutzung ausschließen kann, bietet ein sogenanntes Landwirteprivileg die Möglichkeit zum Nachbau im eigenen Betrieb.
Anders als bei Patentierungen ist bei Regelungen des Sortenschutzes nicht das Züchtungsverfahren ausschlaggebend, sondern das Ergebnis: Hier wird die entstandene Pflanze bewertet; diese muss bestimmte Kriterien wie Unterscheidbarkeit, Einheitlichkeit und Beständigkeit erfüllen, um als neue Sorte gelten zu können. Auch hier gibt es vergleichbare Ausnahmen für den Privatgebrauch sowie ein Landwirteprivileg, wie Pedro Henrique D. Batista weiter beschrieb. Allerdings sei bis heute unklar, wie in diesem Regelwerk mit neuen Züchtungsverfahren wie dem CRISPR/Cas-System – eine sogenannte Genschere, mit der DNA zielgenau verändert werden kann – umzugehen ist. Außerdem könnten die bestehenden Regelungen einschränkend auf den Zugang zu Technologien und biologische Materialien wirken und Abhängigkeiten von Züchtenden verfestigen, da Lizenzgebühren eine Hürde für den Erwerb darstellen und hohe Erträge nur mit neu entwickeltem Saatgut erreicht werden können.
Was ist das Landwirteprivileg?
Patentrechtlich geschütztes Erntegut kann im eigenen Betrieb nachgebaut werden, solange das ursprüngliche Vermehrungsmaterial mit der Zustimmung des Patentinhabers kommerzialisiert wurde. Die Vergütungspflicht richtet sich nach den Regelungen des Sortenschutzes.
Solange das ursprüngliche Vermehrungsmaterial mit der Zustimmung des Sorteninhabers kommerzialisiert wurde, erstreckt sich die Wirkung des Sortenschutzes nicht auf Erntegut, das Landwirte nach Anbau einiger bestimmter, geschützter Sorten gewonnen haben und wieder zur Aussaat verwenden. Dies ist aber mit der Verpflichtung verknüpft, dem Züchter Gebühren zu zahlen. Diese liegen in der Regel bei etwa 50 Prozent der Lizenzgebühren. Kleinlandwirte sind von der Nachbaugebührenpflicht befreit. Diese Regelung gilt nicht für Hybrid- und synthetisches Saatgut.
Lutz Depenbusch, Referent für Landwirtschaft und Ernährung, Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., schloss mit der zivilgesellschaftlichen Perspektive auf dem Umgang mit den Schutzrechten des geistigen Eigentums an. Die durch züchterische Weiterentwicklung mögliche Steigerung der Ernteerträge sei zweifellos ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der globalen Ernährungssicherheit, allerdings nicht die einzige Lösung. Vielmehr seien die Kaufkraft und der Zugang zu Lebensmitteln zu berücksichtigen, da ohne diese Faktoren eine reichhaltige Ernte nicht zwangsläufig zu einer besseren Ernährungslage führe. Kleinbauern seien im globalen Süden das zentrale Element einer sicheren Nahrungsversorgung – daher sei für diese das Landwirteprivileg besonders wichtig, das eigenes Züchten und Handeln für Kleinbauern erlaube.
Claudia Hallebach, Head of Global Legal & Intellectual Property, KWS Saat SE & Co. KGaA, thematisierte aktuelle Aspekte von Forschung und Entwicklung. Ihr Unternehmen KWS Saat, eines der führenden Pflanzenzüchtungsunternehmen weltweit und in mehr als 70 Ländern aktiv, lege großen Wert auf den Schutz ihrer Sorten und Patente. 18 Prozent des Umsatzes fließen zurück in die Forschung für klimaresistente Pflanzen; nur durch einen entsprechenden Schutz geistigen Eigentums zahlen sich diese Investitionen aus. Claudia Hallebach betonte, dass neue züchterische Methoden die Entwicklungszeit neuer Sorten ungemein beschleunigen: von mehreren Jahrzehnten auf nur noch wenige Jahre. Allerdings dürfe der Patentschutz nicht zu einer Monopolisierung führen. Erkenntnisse müssten geteilt und breit zugänglich gemacht werden, so Claudia Hallebach. Beispielsweise solle eine unter der Beteiligung von KWS Saat eingerichtete Patentplattform gewährleisten, dass allen Interessierten Zugang zu Patenten zu fairen Konditionen garantiert werde.
In der rege geführten Abschlussdiskussion, moderiert durch Bernhard Bleyer von der Universität Passau, wurden insbesondere die Risiken für kleine Landwirte durch die Monopolstellung großer Saatgutkonzerne thematisiert. Die Problematik der Umsetzung von Saatgutbanken und die Stabilität von Hybridsorten stießen ebenso auf breites Interesse beim Publikum wie die Frage, ob und inwiefern andere Regionen der Welt, wie zum Beispiel der mittlere Osten der USA, als Modell für die deutsche Landwirtschaft dienen können.