Parlamentarische Gesprächsrunde zu Quantentechnologien
Berlin, 10. März 2021
Abgeordnete und Fraktionsmitarbeiter des Deutschen Bundestags diskutierten am 25. Februar im Rahmen der parlamentarischen Gesprächsreihe „acatech am Mittag“ das Zukunftspotenzial von Quantentechnologien. Impulsgeber waren Andreas Tünnermann, acatech Mitglied und Leiter des Fraunhofer IOF, Heike Riel, IBM Fellow und Lead IBM Research Quantum Europe & Africa, sowie Stefanie Barz vom Institut für Funktionelle Materie und Quantentechnologien der Universität Stuttgart. Martina Schraudner, Mitglied im Vorstand von acatech, moderierte die virtuelle Gesprächsrunde.
Quantentechnologien bewegen sich im rasanten Tempo von der Grundlagenforschung hin zu konkreten Anwendungen. In den USA und China, aber auch in Deutschland und der Europäischen Union werden viele Milliarden investiert – verbunden mit der Hoffnung, sich in diesem vielversprechenden Innovationsfeld erfolgreich zu positionieren. Zuletzt erschien im Dezember eine neue Ausgabe aus der Reihe acatech HORIZONTE, die den Quantenphänomenen auf den Grund geht. Die Publikation erläutert anschaulich und fundiert die Prinzipien der Quantenphysik. Sie zeichnet den Weg der Quantentechnologien von der ersten bis zur zweiten Generation nach – eine Generation, die jetzt vor dem Durchbruch steht – und thematisiert ihre Potenziale, aber auch die Herausforderungen, die Deutschland meistern muss, um im internationalen Wettbewerb mit den USA und China eine Chance zu haben.
Zwar lässt der erste kommerziell nutzbare Quantencomputer „Made in Germany“ noch auf sich warten. Forschende in Wissenschaft und Wirtschaft verzeichnen aber bei Quantenkommunikation und Quantenkryptografie genauso wie bei Quantensensorik, der Quantenmetrologie oder der quantenbasierten Bildgebung Fortschritte, die Quantentechnologien in Kürze in die breite Anwendung bringen sollen. Solche Technologien besäßen das Potenzial, in wichtigen Kernbranchen der deutschen Wirtschaft disruptiv zu wirken, vergleichbar etwa mit der Mikroelektronik-Revolution vor 50 Jahren. Da ist sich Andreas Tünnermann vom Fraunhofer IOF sicher. „Zukunftsmärkte für Quantentechnologien sind Information, Gesundheit, Mobilität und Produktion“, erläuterte der Physiker. „Entscheidend ist, dass wir ausgehend von den Ergebnissen der Grundlagenforschung möglichst schnell eine wirtschaftliche Wertschöpfung generieren.“
Moderne Quantentechnologien erlauben erstmals, einzelne Quantenzustände zu kontrollieren und die Gesetze der Quantenphysik makroskopisch nutzbar zu machen. Beim Quantencomputing ist auf diese Weise eine exponentielle Steigerung der Rechenleistung möglich. Quantencomputer werden in der Lage sein, Berechnungen durchzuführen, die weit über die Grenzen der bisherige Höchstleistungsrechner hinausgehen. Für diesen Quantensprung sei neben der Hardware- auch die Softwareentwicklung fundamental. Darauf verwies IBM-Fellow Heike Riel in ihrem Impulsvortrag. „Wir haben bereits einen ersten Quantencomputer in Deutschland – von IBM. Er steht in Baden-Württemberg“, so Heike Riel. „Die Fraunhofer-Gesellschaft und deren Kooperationspartner nutzen ihn, um Anwendungsfelder zu untersuchen, Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln und neue Algorithmen zu entwickeln, mit denen sich Quantencomputer steuern und Berechnungen durchführen lassen.“ Ziel sei es, ein Gesamtsystem zu entwickeln, das einfach zu bedienen ist. Anwender und Softwareentwickler sollen ohne spezielle Kenntnisse der Quantenphysik Quantencomputer programmieren und nutzen können. Die Quantencomputer werden inhärenter Teil unserer Computer der Zukunft werden, die selbst entscheiden können, ob klassische Hochleistungsrechner oder aber ein Quantencomputer besser für die Lösung der Aufgabe geeignet sind.
Dass Deutschland auch einen Quantencomputer „Made in Germany“ braucht, davon ist Stefanie Barz von der Universität Stuttgart überzeugt. Aktuell gebe es zwar Quantencomputer in Forschungseinrichtungen, aber niemanden, der die kommerzielle Entwicklung von Quantencomputern in einem integrierten Ansatz angeht und mit Akteuren in den USA oder China auf Augenhöhe agieren könnte. Zudem sei längst noch nicht klar, welche Basistechnologie – etwa Ionenfallen, Supraleiter oder andere – für den Bau von Quantencomputern am Ende erfolgreich sei. „Ein deutsches Quantenökosystem muss technologieoffen, ganzheitlich und interdisziplinär arbeiten“, unterstrich Stefanie Barz. „Und es muss auf die Stärken Deutschlands setzen, auf exzellente Universitäten und Forschungseinrichtungen und das breite Spektrum an innovativen Unternehmen, sowohl als Technologieanbieter als auch als Anwender.“ Erfolg hänge von einer starken Zulieferindustrie ab, die die Hardwarekomponenten und die Software zur Programmierung und Anwendung von Quantencomputern entwickelt – also einen echten „Quantenmehrwert“ schafft.
In der abschließenden Diskussion mit den Bundestagsabgeordneten ging es unter anderem um die Einrichtung von Quanten-Hubs mit dem Ziel, vollständige Quantencomputer-Systeme basierend auf einer der existierenden Technologieplattform zu realisieren. Mit ihrer Hilfe könne Forschung und Entwicklung anwendungsorientiert erfolgen und schnell in wirtschaftliche Wertschöpfung münden. Diskutiert wurde außerdem die Gründung einer ressortübergreifenden Dachorganisation – der Deutschen Quantengemeinschaft. Produktive Kollaborationen zwischen den Fachbereichen Physik, Informatik und dem Ingenieurwesen sowie zwischen der Forschung, der Industrie und Start-ups könnten so womöglich noch gezielter gefördert werden.