Rettung oder Risiko? Geoengineering und der Kampf gegen den Klimawandel

München, 25. Juli 2023
Derzeit richten sich die Anstrengungen bei der Bewältigung des Klimawandels insbesondere auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen. Doch wird das funktionieren und langfristig politische Mehrheiten finden? acatech am Dienstag diskutierte am 18. Juli in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit im Amerikahaus mit Fachleuten und Besuchern: Sollten wir noch andere Wege gehen, um dem Klimawandel zu begegnen? Welche Möglichkeiten birgt Geoengineering? Und welche Rolle spielen Politik und Gesellschaft bei der Entscheidung über Maßnahmen, die ergriffen werden?
Karen Pittel, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München und acatech Präsidiumsmitglied, begrüßte die 80 Gäste, die im großen Saal des Amerikahauses am Münchner Karolinenplatz an Gruppentischen Platz genommen hatten: Intensive Diskussionen auf Basis von Experten-Inputs waren Ziel des Abends. Mit dabei waren Schülerinnen und Schüler des Münchner Michaeli-Gymnasiums, die kurz zuvor an einem Projekttag der Bayerischen Landeszentrale zum Klimawandel teilgenommen haben.
CO2 im Boden speichern, mehr Sonneneinstrahlung reflektieren: Fachleute erklären Geoengineering
Zunächst erläuterte Gernot Wagner, Klimaökonom und Senior Lecturer, Columbia Business School, New York, USA, der online zugeschaltet war, dass Geoengineering unterschiedliche Technologien und Maßnahmen umfasse: Solares Geoengineering bedeute, einen Teil der Sonneneinstrahlung beispielsweise durch Einbringen von Aerosolen in höhere Atmosphärenschichten zurück in den Weltraum zu reflektieren, bevor sie die Erdoberfläche erreicht und erwärmt. Dadurch könne die globale Durchschnittstemperatur – unabhängig von steigenden CO2- und Treibhausgaskonzentrationen – gesenkt werden. Die Kosten seien überschaubar, die Nebenfolgen freilich noch unbekannt. Eine andere Variante des Geoengineering: der Atmosphäre CO2 und andere die Wärmeabstrahlung behindernde Treibhausgase entnehmen und diese deponieren – beispielsweise unter der Erde. Das Potenzial solcher Maßnahmen ist riesig, sie bergen jedoch auch gewaltige Risiken. Dennoch zeigte sich Gernot Wagner überzeugt: Die Anwendung auch solaren Geoengineerings ist nur eine Frage der Zeit.
Thomas Krismer, Senior Specialist for Climate Risk Management, Munich RE, betonte, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden müssen. Da nicht alle Treibhausgasemissionen verhindert werden könnten, müsse man auf natürliche und technologische Mittel und Verfahren setzen, die zu einer echten und dauerhaften Reduktion von CO2 in der Atmosphäre führen – beispielsweise durch die bereits erwähnte Entnahme aus der Atmosphäre. Das sei allerdings teuer und müsse entsprechend durch höhere CO2-Preise gestützt werden. Ein Verfahren wie die CO2 -Speicherung bringe zudem noch ein „Ewigkeitsproblem“ mit sich, weil die Treibhausgase ja für immer deponiert werden müssten. Für solares Geoengineering sei der notwendige breite und dauerhafte wissenschaftliche und gesellschaftliche Konsens noch nicht erreicht – hier sei man am Beginn der Analyse und Diskussion.
Ina Möller, Assistant Professor, Environmental Policy Group | Wageningen Center of Sustainability Governance, Wageningen University and Research, erforscht die sozialen Dynamiken zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik. Ihr Spezialgebiet: der gesellschaftliche Umgang mit dem Thema Geoengineering und dessen Effekte auf die Klimapolitik. Sie machte klar, dass viele Geoengineering-Technologien kontrovers disktutiert würden, weil Wirkung und Nebenwirkungen unsicher seien – und weil sie eben nicht die Ursachen des Klimawandels in den Blick nähmen. Es gebe bislang insgesamt nur wenige öffentliche Leitlinien zum Umgang mit Geoengineering – wohl auch, weil das wissenschaftliche Wissen hierzu noch lückenhaft und unsicher sei.
Kontroverse Diskussionen an den Gruppentischen
Viel Stoff für Diskussionen, die im Anschluss an Gruppentischen geführt wurden: Offene Fragen zur Technologie und eigene Meinungen und Positionen zum Geoengineering wurden formuliert. Und der globale Klimawandel wurde in diesem Kontext in den Blick genommen: Wie sollen wir damit umgehen? Kann Technik einen Beitrag leisten? Ist – mit Blick auf Geoengineering – möglicherweise ein internationales Moratorium erforderlich, das Maßnahmen, möglicherweise sogar Forschung daran, ächtet? Welche Alternativen gibt es? Einig waren sich Fachleute und Teilnehmende: Möglichkeiten des Geoengineering dürfen nicht dazu verleiten, die Ursachen des Klimawandels aus dem Blick zu verlieren.
Weiterführende Informationen
Reflecting Sunlight. Recommendations for Solar Geoengineering Research and Research Governance (2021)
Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln? Das riskante Spiel, mit Geoengineering die Klimakrise aufhalten zu wollen (07.02.2023)